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Grüner Strom: Vom Nachzügler zum Vorreiter in Zentralasien
Mit vielen neuen Fotovoltaik- und Windparks will Usbekistan für eine sichere und saubere Stromversorgung sorgen. Der Zufluss von privatem Kapital in Ökostromprojekte boomt.
29.01.2024
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Bei den erneuerbaren Energien ist Usbekistan ein Spätzünder. Erst seit August 2021 zapft im Land ein industrielles Solarkraftwerk die Energie der Sonne an. Im Mai 2022 folgte ein zweites Objekt. Hinter den beiden 100-Megawatt-Solarparks stehen Investoren aus den VAE (Masdar) und Frankreich (Total Eren).
Im Jahr 2023 wurde die grüne Trendwende in der Stromerzeugung eingeleitet: Masdar nahm gleich drei Fotovoltaikparks (897 Megawatt) und erste Anlagen eines 500-Megawatt-Windparks in Betrieb. Die China Gezhouba Group startete die erste Projektphase von zwei 500-Megawatt-Solarparks. Vieles spricht dafür, dass es in der Ökostromerzeugung weiter steil aufwärts geht.
Investitionen in Solar- und Windkraft haben Hochkonjunktur
Neben den günstigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sorgt die Förderung durch ausländische Förder- und Geschäftsbanken und den usbekischen Staat für einen Aufschwung. Zudem hat Usbekistan von Natur aus viele Wind- und Sonnenstunden.
Das jährlich technisch nutzbare Potenzial beträgt bei Sonnenenergie 206,3 Millionen Tonnen Öläquivalent und bei Windenergie 0,5 Millionen Tonnen Öläquivalent. Die Angaben beziehen sich auf von Germany Trade & Invest (GTAI) ermittelte Durchschnittswerte auf der Grundlage von nationalen und internationalen Zahlen.
Das rege Geschehen in beiden Ökostromsparten bietet Liefer-, Kooperations- und Investitionschancen für ausländische Unternehmen. Die Palette reicht von Direktinvestitionen über Zulieferungen von Technologie bis hin zu Beratungsleistungen, beispielsweise bei der Errichtung von Servicezentren für Solar- und Windtechnik sowie beim Aufbau einer eigenen Zulieferindustrie.
Förderprogramme für Solar- und Windprojekte in Usbekistan
Die International Finance Corporation (IFC), die Asian Development Bank (ADB) und die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) unterstützen ausländische Investoren mit Beratungsleistungen für:
Projektvorbereitung und -Begleitung,
Prüfung von Finanzierungskonzepten,
Mobilisierung von privatem Kapital,
Bereitstellung von Zahlungsgarantien zur Absicherung langfristiger Akkreditive.
Programme:
IFC - Scaling Solar (Projektvolumen: 1 Gigawatt),
ADB- Solar (1 Gigawatt),
EBRD und IFC - Wind (1,5 Gigawatt).
25 Projekte mit einer Leistung von 15 Gigawatt in Sicht
Aktuell arbeiten Investoren an der Vorbereitung, Detailplanung oder Umsetzung von etwa 25 zentralen Fotovoltaik- und Windparks mit einer installierten Leistung von circa 15 Gigawatt. Das ergeben jüngst von GTAI geführte Gespräche zu laufenden, gestarteten und neu vereinbarten Projekte. Darüber hinaus gibt es noch weitere Vorschläge ausländischer Investoren.
Unter den neu angekündigten Vorhaben ragen einige besonders investitionsträchtige und innovative Projekte hervor. So will das Unternehmen Masdar aus den VAE in naher Zukunft für etwa 2,6 Milliarden US-Dollar (US$) einen 2-Gigawatt-Windpark sowie Batteriespeicher mit einer Kapazität von 1.150 Megawatt errichten.
Der französische Solar- und Windkraftspezialist Voltalia plant am Standort Sho'rkol (Provinz Navoiy) das erste Solar-Wind-Hybridkraftwerk in Zentralasien. Der 400-Megawatt-Ökostrompark soll 2026 ans Netz gehen.
Batteriespeicherpflicht für neue Solar- und Windparks
Zum 1. Januar 2024 trat in Usbekistan eine Vorschrift in Kraft, nach der bei der Projektierung neuer Solar- und Windkraftwerke mit einer installierten Leistung von mehr als 1 Megawatt Batteriespeicher obligatorisch einzuplanen sind. Deren Leistung muss mindestens 25 Prozent der installierten Kapazität betragen. Die neue Bestimmung verspricht ausländischen Herstellern von Großspeicherbatterien zusätzliche Absatzchancen auf dem usbekischen Markt.
Standort/Landkreis (installierte Leistung) | Zeitraum der Realisierung | Investor |
---|---|---|
Provinzen Samarkand, Buchara und Kaschkadarja (2 GW) | 2023 bis 2025 | CEEC Energy China |
Nishon, Provinz Kaschkadarja (500 MW) | 2023 bis 2025 | China Gezhouba Group Overseas Investment |
Nurobod (Sazagan Solar 1), Provinz Samarkand (500 MW; Speicher: 334 MW) | 2023 bis 2024/2025 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Nurobod (Sazagan Solar 2), Provinz Samarkand (500 MW; Speicher: 334 MW) | 2023 bis 2024/2025 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Qorovulbozor, Provinz Buchara (500 MW) | 2023 bis 2025 | China Gezhouba Group Overseas Investment |
Provinzen Dschissach und Taschkent (2 GW) | Vereinbarung vom Februar 2023 | Huaneng Renewables Corporation, Poly Technologies (China) |
Jarqo´rg`on, Provinz Surchandarja (600 MW) | Vereinbarung vom Februar 2023 | Graess Energy UzDE (German Energy Group, Deutschland) |
Ziele für den Ökostromausbau mehrfach nach oben geschraubt
Die installierte Gesamtleistung von Kraftwerken auf der Basis von erneuerbaren Energien soll bis 2030 auf 27 Gigawatt steigen (inklusive Wasserkraftwerke), so die jüngste Zielmarke der Regierung vom Dezember 2023. Noch vor wenigen Jahren waren lediglich 12 Gigawatt angepeilt.
Der Löwenanteil der heute geplanten Ökostromprojekte entfällt auf Sonne und Wind (inklusive dezentraler Solarkleinanlagen). Der Anteil alternativer Energien am Stromverbrauch insgesamt soll von 8 Prozent im Jahr 2022 auf bis zu 40 Prozent im Zieljahr 2030 steigen, heißt es in der Strategie für die sozioökonomische Entwicklung des Landes vom September 2023.
Standort/Landkreis (installierte Leistung) | Zeitraum der Realisierung | Investor |
---|---|---|
Yukorichirchiq, Provinz Taschkent (400 MW; Speicher: 334 MW) | 2023 bis 2024 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Taschkent (400 MW; Speicher: 334 MW) | 2023 bis 2024 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Guzar, Provinz Kaschkadarja (300 MW; Speicher 75 MW) | 2023 bis 2024 | Masdar Clean Energy (VAE) |
Yangi Andijon, Provinz Andischan (400 MW) | 2023 bis 2024 | Power China International Group |
Provinz Namangan (150 MW) | 2023 bis 2024 | Power China International Group |
Provinz Taschkent (300 MW) | 2024 bis 2025 | China Gezhouba Group Overseas Investment Company |
Olot, Provinz Buchara (250 MW; Speicher: 63 MW) | 2023 bis 2024 | Masdar Clean Energy (VAE) |
Tuproqqal`a, Provinz Khorezm (123 MW) | 2024 bis 2025 | Voltalia SA (Frankreich) |
Sho‘rko’l, Provinz Navoiy (200 MW, Teil eines 400-MW-Solar-Wind-Hybridkraftwerks) | Vereinbarung von Ende 2023, geplante Inbetriebnahme: 2026 | Voltalia SA (Frankreich) |
Öffentlich-private Partnerschaften prägen das Projektgeschehen
Beim Ausbau der zentralen Stromerzeugung aus Sonne und Wind setzt Usbekistan auf BOT-Betreibermodelle (Build-Operate-Transfer) und einen regen Kapitalzufluss aus dem Ausland (Direktinvestitionen mit oder ohne Einbindung von Finanzierungshilfen von Geberbanken).
Das usbekische Energieministerium führt ein mehrstufiges Bieterverfahren für die Vergabe von Aufträgen für schlüsselfertige Anlagen durch. Projektentwickler mit dem günstigsten Strompreisangebot erhalten den Netzzugang, eine Stromabnahmegarantie für 25 Jahre und einen kostenlosen Zugang zu geeigneten Grundstücken.
Im Interesse einer schnellen Projektrealisierung vergibt das Ministerium in letzter Zeit auch immer mehr Ausbauprojekte direkt an interessierte ausländische Unternehmen.
Projektstandort/Landkreis (installierte Leistung) | Zeitraum der Realisierung | Investor |
---|---|---|
Standorte in Prüfung (2 GW; Speicher: 1.150 MW) | Vereinbarung von Ende 2023 | Masdar Clean Energy (VAE) |
Sho‘rko’l, Provinz Navoiy (200 MW, Teil eines 400-MW-Solar-Wind-Hybridkraftwerks) | Vereinbarung von Ende 2023, geplante Inbetriebnahme: 2026 | Voltalia SA (Frankreich) |
G’ijduvon, Provinz Buchara (600 MW; Speicher: 300 MW) | 2024/2025 bis 2026 | Liaoning Lide (China) |
Qo‘ng’irot, Autonome Republik Karakalpakstan (3 x 500 MW; Speicher: 300 MW) | 2024 bis 2025 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Peshku und G’ijduvon, Provinz Buchara (2 x 500 MW) | 2023 bis 2024 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Tomdi, Provinz Navoiy (500 MW) | 2023 bis 2024 | Masdar Clean Energy (VAE) |
Zarafshan, Provinz Navoiy (500 MW) | 2023 bis 2024 | Masdar Clean Energy (VAE) |
Bulung’ur, Provinz Samarkand (500 MW) | 2024 bis 2027 | Universal Energy (China) |
Qorao’zak, Autonome Republik Karakalpakstan (100 MW) | 2024 bis 2025 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Beruniy, Autonome Republik Karakalpakstan (200 MW; Speicher: 100 MW) | Tender: 2023 | ACWA Power (Saudi-Arabien) |
Zulieferindustrie für Sonnen- und Windkraftwerke ist im Aufbau
Um die neuen Kraftwerke auszustatten und eine Wertschöpfungskette aufzubauen, investiert das Land auch in die Fertigung von Baugruppen und Komponenten für die Fotovoltaik- und Windstromerzeugung. In neuen Gewerbeparks sollen unter anderem Solarmodule, Kupferdrähte, -Bänder und -Stromschienen, Transformatoren, Wechselrichter und Steckverbinder produziert werden.
Stromnachfrage wächst jährlich um 7 Prozent
Die Entwicklung der Solar- und Windkraftbranche zu einem Rückgrat des usbekischen Stromversorgungssystems hat zwei triftige Gründe: Mit einem zügigen Zubau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen will die Regierung der unzureichenden Stromversorgung im Land den Kampf ansagen und zugleich dem stetig wachsenden Strombedarf der Wirtschaft Rechnung tragen.
Viele Unternehmen leiden heute unter einer instabilen Stromversorgung. Die fortschreitende Industrialisierung, ein boomender Dienstleistungssektor und ein hohes Bevölkerungswachstum treiben die Stromnachfrage im Schnitt um 7 Prozent pro Jahr nach oben. Usbekistan muss alljährlich einen Teil seines Strombedarfs durch Importe decken (2023: 3 Milliarden Kilowattstunden).
Der zweite wichtige Auslöser des Ökostrombooms ist sein unabdingbarer Beitrag zum Klimaschutz. Der Energiesektor insgesamt steht heute für drei Viertel der Emissionen und ist daher die wichtigste Stellschraube. Das nationale Klimaschutzziel sieht vor, die Treibhausemissionen bis 2030 um 35 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2010 (200,1 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalent) zu verringern.
Mit dem Ökostrom-Ausbau auf 27 Gigawatt wäre ein gutes Stück davon schon getan: Dadurch würden die Treibhausemissionen um 34 Millionen Tonnen sinken. Zudem könnten 25 Milliarden Kubikmeter Erdgas eingespart und anderen Wirtschaftsbereichen zur Verfügung gestellt werden.