Die Importabhängigkeit bei den meisten Chemieerzeugnissen ist groß. Der Petrochemiesektor entwickelt sich im Vergleich zu anderen Branchensegmenten dynamisch.
Lokale Produktion steigt
Laut einer Studie des regionalen Fachverbands Gulf Petrochemicals & Chemicals Association (GPCA) betrug die Chemikalienproduktion in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) im Jahr 2021 (letzte verfügbaren Zahlen) circa 15 Millionen Tonnen, wobei die Grundchemikalien ein Drittel (33 Prozent) ausmachten, gefolgt von Düngemitteln (30 Prozent) und Polymeren (28 Prozent). Bis 2027 wird ein Anstieg der Kapazitäten auf 20,9 Millionen Tonnen pro Jahr prognostiziert. Der Petrochemiesektor in den VAE war von einer raschen Entwicklung geprägt, wobei 77 Prozent der derzeitigen Produktionskapazität im letzten Jahrzehnt (2008-2018) in Betrieb genommen wurden.
Die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in dem Golfstaat wird weiterhin größtenteils über Importe gedeckt. Eine Ausnahme sind Düngemittel, die vor allem lokal produziert werden und mangels einer nennenswerten Landwirtschaft zudem kaum im eigenen Land gebraucht werden.
Die Branche im Land konzentriert sich auf Basischemie, vor allem petrochemische Grundstoffe, also Segmente, die von der günstigen Verfügbarkeit von Öl oder Gas profitieren. Dieser Wettbewerbsvorteil ist aber wegen der insgesamt niedrigen Energiepreise geringer geworden. Zudem sind die Weltmarktpreise für wichtige chemische Erzeugnisse gesunken und die Nachfrage in bedeutenden Absatzmärkten hat nachgelassen.
Die Fertigung von Intermediates und Spezialchemikalien ist in den Emiraten und den sechs Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Katar, Kuwait und Bahrain, insgesamt noch unterentwickelt. Spezialchemikalien werden in der Regel exportiert, da die lokale Industrie (Fahrzeugbau, Konsumgüter, FMCG - Fast Moving Consumer Goods etc.) noch nicht die kritische Masse erreicht hat.
Der lokale Marktführer ist das emiratisch-australische Konsortium Abu Dhabi Polymers Company (Borouge), der in Ruwais (250 Kilometer westlich von Abu Dhabi City) die größte petrochemische Anlage der VAE betreibt. Das Unternehmen ist ein Joint Venture aus der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und der in Wien ansässigen Borealis Group. Borealis ist mehrheitlich (64 Prozent) im Besitz von Abu Dhabis staatlicher Mubadala Investment Company. Die restlichen 36 Prozent hält Österreichs OMV, an der Mubadala mit 25 Prozent beteiligt ist. Borouge verfügt aktuell über eine Produktionskapazität von etwa 4,5 Millionen Tonnen/Jahr und ist damit der weltweit größte integrierte Polyolefine-Komplex.
Neue Kooperationen im Düngemittelsektor
ADNOC Fertilizer (vormals: Ruwais Fertilizer Industries/FERTIL) wurde 1980 gegründet und war bis Ende 2018 ein Joint Venture aus ADNOC und Frankreichs Total; derzeit ist ADNOC alleiniger Shareholder. Das Unternehmen hat 1983 mit der Produktion von Ammoniak und Harnstoff (Urea) begonnen. Ein Ausbauprojekt (Fertil 2) wurde 2013 fertiggestellt, der EPC (Engineering, Procurement and Construction)-Auftrag in Höhe von 1,2 Milliarden US$ ging an Uhde und Samsung. Aktuell summieren sich die Jahreskapazitäten auf 1,2 Millionen Tonnen Ammoniak und 2,1 Millionen Tonnen Harnstoffgranulat.
Mitte 2019 haben ADNOC Fertilizer und die in den Niederlanden ansässige OCI ein Joint Venture gegründet. ADNOC Fertilizer wird eine Beteiligung von 42 Prozent halten. ADNOC und der staatliche marokkanische Düngemittelhersteller OCP (Office Chérifien des Phosphates) haben 2018 eine Vereinbarung über eine mögliche Gründung eines Joint Venture unter anderem zur Erweiterung einer in Ruwais ansässigen Schwefel-Produktion unterzeichnet. Die Investitionen werden mit 75 Millionen US$ veranschlagt. Aktuell gibt es keine neuen Informationen zu dem Zusammenschluss beider Unternehmen.
Zudem gibt es einige Firmen mit kleineren Produktionen wie die Abu Dhabi Fertilizers Industries Co. (Adfert), Cosmoplast Industrial Co., Union Pipes Industry (UPI), die US-Reichhold Inc., Ajmal Perfume und Falcon Chemicals. Die Farbenhersteller National Paints, Akzo Nobel und Caparol sowie die Bauchemiefertiger Colmef, BASF Construction Chemicals UAE und Dow, mit den JV Arabian Chemical Insulation Company FZCO (ACIC) und MEGlobal. Dow will künftig sämtliche Exporte in die Region, Afrika und den Subkontinent über die VAE abwickeln.
VAE will lokale Produktion in der Pharmaindustrie ausbauen
Etwa 23 Pharmaunternehmen (lokal und in ausländischem Besitz) produzieren in der Golfmonarchie. Den Plänen der Regierung zufolge soll die Anzahl der Hersteller bis 2030 auf 30 ansteigen. Die meisten inländischen Arzneimittelhersteller konzentrieren sich auf die Produktion von Generika. Laut dem Beratungsunternehmen Alpen Capital deckt die heimische Produktion etwa 15 Prozent des Pharmabedarfs des Landes ab, der Rest stammt aus Importen. Nach Angaben der Datenbank UN Comtrade hat das Land im Jahr 2021 schätzungsweise rund 6,6 Milliarden pharmazeutische Produkte vom Weltmarkt importiert, hauptsächlich aus China (1,2 Milliarden US$), den USA (942 Millionen US$) und Deutschland (781 Millionen US$).
Ausländische Unternehmen sind in der Kosmetikindustrie stark vertreten
Internationale Firmen wie Unilever Gulf oder Procter & Gamble Gulf dominieren den Kosmetikmarkt, auch wegen des hohen Ausländeranteils der Bevölkerung (90 Prozent), da die Konsumenten ihnen bekannte Marken vorziehen. Lokale Anbieter wie Arabian Oud oder Abdul Samad Al Qurashi sind beliebt, vor allem wegen ihrer Duftsparten. Indische Marken wie Marico, Dabur International oder The Himalaya Drug Co. gewinnen dank des hohen Anteils an Bewohnern aus Indien, Pakistan und Bangladesch zunehmend Marktanteile. Aktuelle Trends sind natürliche oder personalisierte Produkte. Zudem wächst der Markt für Halal-Produkte.
Wichtige Branchenunternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten
Von Heena Nazir
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