Die britische Abfallwirtschaft steht vor zahlreichen Veränderungen. Eine Plastiksteuer auf Verpackungen wurde eingeführt. Mitte 2023 folgt ein Einweg-Pfandsystem für Schottland.
Größter Abfallverursacher will Deponierung beenden
Das britische Bruttoabfallaufkommen hat sich nach Angaben des Department for Environment, Food & Rural Affairs (Defra) zwischen 2010 und 2018 um 7,5 Prozent auf 222,2 Millionen Tonnen erhöht. Die Bauwirtschaft erreicht mit 62,0 Prozent den größten Anteil, allerdings mit einer hohen Recyclingrate von 92,3 Prozent, die gegenüber 2010 um 2,6 Prozent gesteigert werden konnte. Um die Branche ressourcensparsamer zu machen, hat das Construction Leadership Council, ein Koordinationsgremium aus Bauwirtschaft und Politik, im Juli 2021 eine "Zero Avoidable Waste Routemap in Construction" vorgestellt. Damit wollen die Branchenunternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Schließlich sorgt der Abfall im Bausektor nach Angaben des Council für jährliche Kosten von umgerechnet rund 13 Milliarden Euro und einen CO2-Ausstoß von 3,5 Millionen Tonnen. Auf dem Weg in die Klimaneutralität liegt der Schlüssel deshalb auch in der Abfallvermeidung und dem Recycling. So sollen bis 2030 die Kosten um 10 Prozent gesenkt werden und bis 2040 nicht-gefährliche Stoffe nicht mehr deponiert werden.
Regierung plant, vermeidbaren Abfall bis 2050 zu eliminieren
Damit trägt die Bauwirtschaft auch dem größeren Umweltplan "25 Year Environment Plan" bei, der für England im ebenfalls 2018 beschlossenen "Resources and waste strategy" konkretisiert wird. Die Strategie sieht fünf strategische Ziele vor:
- Alle Plastikverpackungen sind bis 2025 recycel-, wiederverwend- oder kompostierbar.
- Keine Lebensmittelabfälle mehr auf Deponien bis 2030.
- Das Ziel des "25 Year Environment Plan" zur Eliminierung von vermeidbarem Plastikmüll bis 2050.
- Die Verdopplung der Ressourcenproduktivität bis 2050.
- Die Eliminierung von vermeidbarem Abfall jeder Art bis 2050.
Im Jahr 2020 wurde die Strategie durch das "Circular Economy Package policy statement" ergänzt. Danach soll bis 2035 nicht mehr als 10 Prozent der Siedlungsabfälle deponiert werden und die Recyclingquote bis dahin auf 65 Prozent steigen. Das Zwischenziel von 50 Prozent im Coronajahr 2020 wurde verfehlt und ist sogar leicht auf 44 Prozent gefallen. Das liegt allerdings daran, dass im Startjahr der Coronaviruspandemie die lokalen Recyclinghöfe (Household Waste and Recycling Centres, HWRCs) geschlossen waren. Nun steigt der Zielerreichungsdruck weiter, wenn die Recyclingquote 2025 auf 55 Prozent klettern soll. Britische Haushalte machen etwa 12 Prozent des Gesamtabfalls aus, haben ihr Aufkommen von 26,4 Millionen Tonnen im Jahr 2019 aber seit 2010 um 1,9 Prozent verringert. Ihre Recyclingquote betrug 2019 im Vereinigten Königreich 46,2 Prozent.
Das Deponierungsziel von 10 Prozent unterschreitet England bereits. Wurden Anfang des Jahrtausends noch fast 80 Prozent der Siedlungsabfälle deponiert, fiel der Wert bis ins Jahr 2021 auf 7,8 Prozent. Davon profitiert nicht nur das Recycling, sondern auch die energetische Verwertung, die auf einen Anteil von 48,1 Prozent kommt. Vor allem die Zahl der Ersatzbrennstoffkraftwerke (EBS-Kraftwerke, energy-from-waste, EfW) hat sich in England seit 2012 von 13 auf 25 im Jahr 2018 fast verdoppelt. Weitere Projekte sind im ganzen Land geplant (siehe ausgewählte Investitionsprojekte).
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft im Vereinigten KönigreichProjekt | Investition (in Mio. Euro) | Stand | Projektträger |
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Neue EfW-Anlage, Edmonton Eco Park, Nordlondon (Kapazität: 700.000 Tonnen Abfall pro Jahr) | 808 | Geplante Inbetriebnahme: 2026 | Hitachi Zosen Inova und Acciona |
Neue EfW-Anlage in Rivenhall, Essex (Kapazität: 595.000 Tonnen Abfall pro Jahr) | 591 | Geplante Fertigstellung: 2025 | Indaver UK Limited |
"EMERGE" (East Midlands Energy Re-Generation Centre), in Ratcliffe-on-Soar, Nottinghamshire, Bau neuer AfW-Anlage (Kapazität: 500.000 Tonnen pro Jahr | 390 | Geplanter Baustart: 2023; geplante Inbetriebnahme: 2026 | Uniper SE |
"Redcar Energy Centre"; Bau neuer EfW-Anlage (Kapazität: 200.000 Tonnen Abfall pro Jahr), in Teesside, Nordostengland | 355 | Geplante Fertigstellung: 2025 | Joint Venture: PMAC Energy und Low Carbon Limited |
Neue EfW-Anlage in Kirk Sandall, South Yorkshire, (Kapazität: 300.000 Tonnen Abfall pro Jahr) | 237 | Genehmigung zum Bau im März 2022 erhalten | BH Energy Gap |
Bau neuer WEEE-Recycling Anlage in Nordostengland, (Kapazität: 5.000 Tonnen pro Jahr) | k. A. | Geplanter Baustart: 2024. Genauer Standort noch nicht bekannt | Joint Venture: GAP Group und Descycle |
Neue Recycling-Anlage für Lithium-ion Batterien, in Northfleet, Kent; Kapazität: 10.000 Tonnen pro Jahr. | k. A. | Die Anlage soll Mitte 2023 betriebsfertig sein | Joint Venture: Britishvolt und Glencore |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Plastiksteuer verändert britischen Verpackungsmarkt
Mit der Steuer auf Plastikverpackungen (Plastics Packaging Tax) wurde zum 1. April 2022 ein weiteres Element der Strategie erfüllt. Sie verpflichtet Unternehmen zu einer Abgabe, wenn sie Plastikverpackungen nutzen, der zu weniger als 30 Prozent aus Recyclingkunststoff besteht. Die Abgabe beträgt umgerechnet etwa 240 Euro pro Tonne und betrifft sowohl den B2C- als auch den B2B-Verkehr sowie importierte Waren. Betroffen sind allerdings nur solche Unternehmen, die auf der Insel mehr als 10 Tonnen Plastikverpackungen pro Jahr in Verkehr bringen.
Eine vom weltweit größten Recyclingunternehmen Veolia in Auftrag gegebene Umfrage zeigte im März 2022, dass 77 Prozent der britischen Einzelhändler und Hersteller nur unzureichende Kenntnisse über die Steuer haben. Insbesondere Lebensmittelhersteller klagen über die Nutzbarkeit und Verfügbarkeit von lebensmittelechtem Recyclingplastik. Die stark gestiegenen Preise für lebensmittelechtes Recyclingplastik unterstreichen das Potenzial im britischen Verpackungsmarkt.
Aber auch in den nächsten Jahren sind weitere staatliche Eingriffe zu erwarten, die das Recycling im Land vorantreiben. So steht Schottland aktuell vor der Einführung eines Einweg-Pfandsystems für Getränkeverpackungen. Ab dem 16. August 2023 müssen Kunden umgerechnet etwa 24 Cent pro Verpackung zahlen, das bei Rückgabe erstattet wird. Bereits 2024 sollen so 90 Prozent der Einwegbehälter recycelt werden können. Ein solches Pfandsystem ist auch für England, Wales und Nordirland geplant, wird aber nicht vor 2024 eingeführt. Ein Konsultationsverfahren dazu ist bereits abgeschlossen, allerdings liegen die Ergebnisse dazu noch nicht vor. Ebenfalls geplant ist eine erweiterte Herstellerverantwortung, für die Defra erst Ende März 2022 die Konsultationsergebnisse veröffentlicht hat. So sieht das geplante Gesetz unter anderem vor, ab 2024 eine Rücknahmepflicht auf Kaffeebecher in Cafés einzuführen.
Von Marc Lehnfeld
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London