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Branchen | Vereinigtes Königreich | Automobilindustrie

Lage für britische Automobilindustrie verschärft sich

Die britische Regierung plant das Verkaufsverbot für Verbrenner-Pkw auf 2030 vorzuziehen. Die Automobilindustrie schlägt Alarm.

Von Marc Lehnfeld | London

In der britischen Automobilindustrie herrscht Unruhe. Grund dafür ist eine Verschärfung des sogenannten Zero Emission Vehicle Mandats (ZEV-Mandat), welches noch unter der konservativen Vorgängerregierung von Rishi Sunak gesetzlich verankert wurde. Die neue Labour-Regierung plant, das darin enthaltene Verkaufsverbot für Verbrenner-Fahrzeuge um fünf Jahre auf 2030 vorzuziehen. 

Laut dem ZEV-Mandat dürfen ab 2035 keine neuen Pkw und Transporter mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Bis dann müssen die Hersteller bestimmte Verkaufsquoten für Elektroautos erfüllen, die erstmals für das Jahr 2024 eingeführt wurden und jährlich angehoben werden. Für 2024 liegt die Quote für emissionsfreie Fahrzeugen bei 22 Prozent. 

Um Flexibilität bei der Quotenerfüllung zu schaffen, hat die britische Regierung einen Zertifikatshandel eingeführt. Hersteller erhalten für jeden verkauften emissionsfreien Pkw ein Zertifikat, das veräußert werden kann. So können andere Hersteller mit eingekauften Zertifikaten ihre Verkaufsquote verbessern, um Strafen zu entgehen. 

Elektromobiler Wandel stockt

Bereits seit Mitte 2022 gibt es keine staatlichen Kaufprämien mehr für Elektroautos. Außerdem schreitet die Transformation der Automobilproduktion zu langsam voran. Dringend benötigte Projekte für Gigafactories zur Batterieproduktion entwickeln sich zu langsam. Von den großem Pkw-Herstellern bauen bisher nur Nissan und Jaguar Land Rover lokale Produktionsstätten für Elektroautobatterien, während BMW seine Batterien für die Mini-Produktion importiert. Der japanische Automobilproduzent Toyota stellt in seiner Produktionsanlage in Burnaston bisher nur Hybrid-Pkw her und setzt damit noch auf eine Fahrzeugart, die nach den Plänen der Labour-Regierung zumindest im Vereinigten Königreich ab 2030 nicht mehr verkauft werden darf. Folglich wird der Absatz von rund 20 Prozent der britischen Toyota-Produktion wegbrechen, denn rund 80 Prozent gehen in den Export. 

Hinzu kommt, dass mehrere Branchenunternehmen Entlassungen ankündigen. Der europäische Autoproduzent Stellantis verkündete Ende November 2024 seine Produktionsanlage in Luton mit circa 1.100 Beschäftigten zu schließen. Auch der amerikanische Hersteller Ford will 800 Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich streichen. 

 

Branchenverband warnt vor Kosteneskalation

Der britische Automobilverband SMMT warnt vor den gravierenden Folgen des ZEV-Mandats und dessen geplanter Verschärfung. Die geforderte Elektro-Pkw-Quote von 22 Prozent wird dieses Jahr voraussichtlich nicht erreicht; die Prognose liegt bei nur 18,7 Prozent. Das könnte Strafzahlungen in Höhe von umgerechnet circa 2,2 Milliarden Euro nach sich ziehen. Zudem weist SMMT darauf hin, dass die Branche in diesem Jahr bereits Rabatte im Wert von etwa 4,8 Milliarden Euro gewähren musste, um den Verkauf anzukurbeln. Die finanzielle Belastung der britischen Automobilindustrie würde sich so auf rund 7 Milliarden Euro in 2024 summieren. 

Der britische Pkw-Markt steht ebenfalls unter Druck. Seit dem Höchststand von 2,7 Millionen Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2016 schrumpft der Markt kontinuierlich. Von Januar bis Oktober 2024 wurden nur rund 1,7 Millionen Neuwagen verkauft, was lediglich 3,3 Prozent über dem Vorjahresniveau liegt. Eine deutliche Erholung bleibt damit aus.

Auch die Pkw-Produktion geht seit Jahren zurück. Während Hersteller 2016 noch 1,7 Millionen Pkw produzierten, waren es 2023 nur noch rund 905.000 Pkw. Im den ersten neun Monaten 2024 sank die Produktion weiter um rund 10 Prozent, allerdings auch wegen geplanter Produktionsumstellungen. Etwa 79 Prozent der britischen Pkw-Produktion geht in den Export, davon 60 Prozent in die EU. Deren Zollgrenze stellt einen strategischen Nachteil für die britische Automobilindustrie dar.

Plateaubildung bei Verkäufen von E-Autos

Die Verkäufe von Elektroautos sind in diesem Jahr zwar weiter um 14,2 Prozent auf fast 300.000 Vollelektro-Pkw gestiegen, doch das Wachstum verlangsamt sich seit 2020 zunehmend. Beim SMMT Annual Dinner Ende November 2024 wies Verbandspräsident Mick Flanagan daher erneut auf das Problem stagnierender Verkaufszahlen hin. Er forderte die Wiedereinführung von Kaufprämien und Nachbesserungen beim ZEV-Mandat. Der britische Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds betonte in seiner Rede am gleichen Abend die Bedeutung der Automobilindustrie für das Vereinigte Königreich und erkannte die aktuellen Probleme an, blieb jedoch vage bei der Ankündigung konkreter Lösungen. 

 

Übergangsregelung im Freihandelsabkommen läuft Ende 2026 ab

Im britisch-europäischen Handelsabkommen läuft schon Ende 2026 eine entscheidende Frist zum zollfreien Export von Elektroautos aus. Dann verschärfen sich die Ursprungsregeln für Elektroautos und Batterien. Wenn die britische Automobilindustrie bis dahin nicht genug Wertschöpfung vor Ort für Batterien erzielt, könnten bei der Ausfuhr von Elektroautos in die EU Zölle von 10 Prozent anfallen. Ursprünglich sollten die strengeren Regeln bereits 2024 in Kraft treten. Durch Verhandlungen zwischen der EU und der britischen Regierung wurde die Frist jedoch Ende 2023 in letzter Minute verschoben

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