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Wettrennen um Wasserstoff-Förderung geht in nächste Runde
Die britische Regierung vergibt Fördermittel für Wasserstoffprojekte und veröffentlicht die Namen der aussichtsreichsten Vorhaben. Germany Trade & Invest ordnet ein.
03.05.2023
Von Marc Lehnfeld | London
Die britische Regierung verfolgt ein ambitioniertes Ziel beim Aufbau ihrer nationalen Wasserstoffwirtschaft. Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine strebt das Königreich eine schnellere Energieunabhängigkeit an und hat das Ausbauziel für Wasserstoffproduktionsanlagen von 5 auf 10 Gigawatt bis 2030 verdoppelt. Rund 5 Gigawatt sollen aus der Elektrolyse stammen. Stand März 2023 registrierte die Regierung 39 Projekte zur Produktion von Wasserstoff, die bis 2037 ein Volumen von 20 Gigawatt erreichen könnten. Allerdings sind die Projekte in verschiedenen Frühphasen und werden sich infolge staatlicher Fördermittel unterschiedlich entwickeln.
Fördermittel in Höhe von rund 44 Millionen Euro
Die ersten Begünstigten aus dem größten Fördertopf für Wasserstoffprojekte, dem umgerechnet rund 276 Millionen Euro schweren Net Zero Hydrogen Fund (NZHF), zeichnen sich bereits ab: Ende März 2023 gab die britische Regierung bekannt, welche 15 Projekte es in die engere Auswahl (Shortlist) geschafft haben. Nach bilateralen Verhandlungen könnten sie mit insgesamt rund 44 Millionen Euro unterstützt werden.
Die meisten Projekte betreffen FEED-Studien (Vorstudien für Front-End Engineering und Design). Die Shortlist bietet aber eine gute Übersicht für deutsche Unternehmen, welche Projekte mithilfe der staatlichen Unterstützung eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Realisierung nehmen könnten. Dazu gehört auch ein Vorhaben des deutschen Energieunternehmens RWE Renewables, das am ehemaligen Kohlekraftwerksstandort Didcot entstehen soll.
Projektbezeichnung | Investition (in Millionen Euro) | Projektstand | Projektträger/Anmerkungen |
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H2NorthEast (Phase 1: 355 Megawatt); CATS-Terminal in Teesside, Nordostengland | 849 | Geplante Inbetriebnahme: 2027 | Kellas Midstream Limited; Bau einer Produktionsanlage für blauen Wasserstoff mit einer Lebensdauer von etwa 25 Jahren; Phase 1 wird kohlenstoffarmen Wasserstoff an die lokale Industrie liefern; eine Skalierung auf über 1 Gigawatt bis 2030 ist geplant |
Green Hydrogen Project (100 Megawatt); Port of Felixstowe in Suffolk | 170 | In Planung | Projektpartner: Scottishpower (Tochter von Iberdrola) und Hutchisons Port; die elektrolytische Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff soll für Onshore-Zwecke wie Straßen-, Schienen- und Industrienutzung dienen, mit dem Potenzial, flüssige Formen wie grünes Ammoniak oder E-Methanol herzustellen |
Green Hydrogen Electrolyser; Didcot in Oxfordshire | k. A. | Studienphase | Das Projekt von RWE umfasst die Lieferung einer sogenannten Front-End Engineering Design (FEED)-Studie für eine Elektrolyseuranlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff |
Green Hydrogen Project (15 Megawatt); Lanarkshire in Schottland | k. A. | In Planung | Octopus Energy Hydrogen Limited; das grüne Wasserstoffprojekt soll mit Elektrolyse direkt an einen Onshore-Windpark angeschlossen werden; geplante Produktion pro Tag: 6.000 Tonnen |
Kintore Hydrogen (Phase 1: 500 Megawatt Elektrolyse); Aberdeenshire in Schottland | k. A. | Finaler Investitionsentscheid: 2025; angestrebte volle Produktion von 3 Gigawatt: 2030 | Statera Energy Limited; Entwicklung in mehreren Phasen; das Elektrolyseurprojekt soll überschüssigen schottischen Windstrom nutzen, um grünen Wasserstoff zu erzeugen |
HyNet Wasserstoffproduktions-Hubs, HPP1 (350 Megawatt) und HPP2 (700 Megawatt); Stanlow, Ellesmere Port in Cheshire | k. A. | Geplanter Produktionsstart von HPP1: 2026; HPP2 folgt zu einem späteren Zeitpunkt | Vertex Hydrogen Limited; Joint Venture zwischen Essar Oil (UK) und Progressive Energy; erste Phase HPP1 kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (600.000 Tonnen pro Jahr) |
Die Regierung möchte die Herstellung von grünem Wasserstoff, bei der Windenergie genutzt wird, unterstützen. Dazu fördert sie den Bau von Anlagen mit einer Kapazität von 500 Megawatt. Aber auch umfangreichere Projekte werden bedacht: Das Vorhaben Kintore Hydrogen des Entwicklers Statera in Schottland ist das größte Erzeugungsprojekt im Land und soll bis 2030 auf 3 Gigawatt skaliert werden. Kintore würde damit nicht nur 30 Prozent des britischen Regierungsziels abdecken, sondern auch zu den größten Anlagen Europas gehören, wie das Unternehmen angibt.
CO₂-Abscheidung ist Thema
Die britische Regierung setzt nicht nur auf grünen Wasserstoff, sondern auch auf andere Erzeugungswege für das Gas. Im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung der Industrie wird deshalb in großem Stil die Nutzung von CO₂-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture Utilization and Storage, CCUS) eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist die geplante Wasserstoffproduktionsanlage von Vertex Hydrogen im HyNet North West Cluster in Nordwestengland. HyNet North West ist eins von insgesamt vier CCUS-Clustern, die bis 2030 im Königreich entstehen sollen und für die CO₂-Einlagerung ausgediente Erdöl- und Erdgasspeicher nutzen können.
Das britische Wasserstoffunternehmen Vertex plant im HyNet Cluster, nahe der der Erdölraffinerie von Essar Oil, den Bau zweier Wasserstoffanlagen (HPP1 und HPP2), die blauen Wasserstoff aus Erdgas produzieren werden. Die während der Dampfreformierung entstehenden CO₂-Emissionen sollen abgeschieden und in einen CO₂-Speicher eingelagert werden.
Im ostenglischen East Coast Cluster gibt es weitere Wasserstoffprojekte mit CCUS-Technologie wie bpH2Teesside, H2NorthEast und Hydrogen to Humber (H2H) in Saltend. Insgesamt sollen knapp 29 Milliarden Euro in den Aufbau der britischen CCUS-Wirtschaft investiert werden, wie Finanzminister Jeremy Hunt bei seiner letzten Haushaltsrede bekannt gab.
Net Zero Hydrogen Fund zielt auf vier Projekttypen
Die Förderstruktur des Net Zero Hydrogen Fund sieht vier verschiedene Förderbereiche vor. Die ersten beiden Stränge betreffen Projekte, die keine zusätzliche Preissubventionierung auf den später zu verkaufenden Wasserstoff benötigen. Die in Vorbereitung befindlichen Stränge 3 und 4 hingegen sollen Projekte fördern, die zusätzliche finanzielle Unterstützung benötigen oder auf CCUS-Technologie setzen, um Kohlenstoffemissionen zu reduzieren. Die aktuelle Bewerbungsfrist für Projekte aus dem zweiten Strang endet am 13. Juli.
Förderprogramm | Gesamtförderung (in Millionen Euro) | Verwendungszweck |
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Net Zero Hydrogen Fund (NZHF) | 276 | Fördertopf für FEED-Studien und Kapitalinvestitionen (CAPEX) in Wasserstoffprojekte über 4 Stränge, einschließlich CCUS-basierter Technologien |
114 | Projektbezogene Subventionierung des Wasserstoffpreises per Vergabe, kombinierbar mit CAPEX-Unterstützung in Strängen 3 und 4 aus NZHF | |
68 | Abgeschlossene zweite Förderrunde zur Entwicklung von Demonstratoren zur innovativen Nutzung von Wasserstoff | |
63 | Programm fördert Wechsel von konventionelle auf nachhaltige Energiequellen in vorkommerzieller Phase | |
38 | Forschungsförderung zur Entwicklung kommerzieller Technologien für die Wasserstofferzeugung mithilfe von Biomasse und CCUS; 22 Projekte in erster Runde identifiziert | |
30 | Abgeschlossenes Forschungsförderungsprogramm zur alternativen Nutzung von Wasserstoff als saubere Energiequelle in Industriesektoren |
Erste Vergaberunde für staatliche Preissubvention bei Wasserstoff abgeschlossen
Für Projekte der Stränge 4 und 5 gibt es ein separates Förderprogramm, bei dem ein fester Preis für den produzierten Wasserstoff garantiert wird. In jährlichen Vergaberunden haben Produzenten die Möglichkeit, ein Angebot für diesen garantierten Preis einzureichen. Das Verfahren und die Konditionen ähneln dabei dem im Vereinigten Königreich bereits für erneuerbare Energien angewandten Förderschema "Contracts for Difference".
Die Ergebnisse der ersten Vergaberunde wurden Ende März 2023 vorgestellt. Gelistet wurden 20 Projekte mit einer kombinierten Erzeugungskapazität von 408 Megawatt. Zu den geförderten Projekten zählt auch Gigastack, eine Zusammenarbeit zwischen Raffineriebetreiber Philipps 66, dem Offshore-Windparkentwickler Ørsted und dem Elektrolyse-Anlagenbauer ITM Power. Noch im 2. Quartal 2023 will das Konsortium eine finale Investitionsentscheidung für die geplante 100 Megawatt starke Elektrolyseanlage am ostenglischen Humber fällen.
Weitere Projekte der ersten Vergaberunde sind drei geplante Elektrolyseanlagen des Joint Ventures HYRO, in dem der Projektentwickler RES und das Energieunternehmen Octopus zusammenarbeiten. Zwei Wasserstoffproduktionsanlagen sollen den Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff beim Industriekunden Kimberly-Clark ermöglichen. Die dritte Anlage soll eine schottische Whisky-Distillerie versorgen. Insgesamt erwartet die Regierung, dass die Förderverträge für die begünstigten Projekte der ersten Vergaberunde im 4. Quartal 2023 geschlossen werden und voraussichtlich 2025 in Betrieb genommen werden. Die zweite Vergaberunde ist bereits in Vorbereitung und soll ebenfalls im 4. Quartal 2023 durchgeführt werden.