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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Arbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht

Umfassende Reform des britischen Arbeitsrechts geplant

Die neue Labour-Regierung will vor allem die Rechte der Arbeitnehmerseite stärken. Bis zum Inkrafttreten der zentralen Änderungen wird allerdings noch etwas Zeit vergehen.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Die im Sommer dieses Jahres mit deutlicher Mehrheit gewählte neue britische Regierung hatte in ihrem Wahlprogramm versprochen, innerhalb von 100 Tagen nach Amtsantritt einen Gesetzentwurf zur Reform des Arbeitsrechts vorzulegen. Unter dem Slogan „Make work pay“ wurde dieses Versprechen am 10. Oktober erfüllt. Angekündigt wird nicht weniger als die größte Überholung des Arbeitsrechts in einer Generation. Zwar muss diese Ankündigung noch durch Konsultation und parlamentarisches Verfahren. Aber wegen der großen Parlamentsmehrheit der hinter diesen Plänen stehenden Labour-Partei sind grundlegenden Änderungen eher unwahrscheinlich.

Zukünftig soll es mehr „day one rights“ geben

Für viele Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt es Wartezeiten. Das heißt, auf bestimmte Rechte kann man sich erst berufen, wenn das Arbeitsverhältnis für eine bestimmte Zeit Bestand hatte. Diese Wartezeit soll künftig weitgehend abgeschafft werden. Wichtigster Anwendungsfall hierfür ist der Kündigungsschutz. Bislang gibt es eine zweijährige Wartezeit, während derer sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht auf den Kündigungsschutz berufen kann (section 108 Absatz 1 des Employment Rights Act 1996). Zwar gibt es hiervon schon heute einige Ausnahmen, zum Beispiel bei einer Vergeltungskündigung oder bei einer Kündigung wegen einer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreterin oder -vertreter. Aber bei dem Großteil der Kündigungen, insbesondere betriebs- oder verhaltensbedingt, gilt die Wartezeit.

Künftig sollen sich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Anfang an auf den vollen Kündigungsschutz berufen können. Es soll allerdings eine gesetzliche Probezeit von voraussichtlich neun Monaten geben, während derer eine Kündigung unter erleichterten Voraussetzungen möglich sein soll. Was genau das bedeutet, soll noch konkreter ausbuchstabiert werden.   

Bestimmte Rechte im Zusammenhang mit der Elternschaft, wie unbezahlter Elternurlaub, paternity leave oder bereavement leave (Trauerurlaub) werden ebenfalls zu Rechten, die ohne Wartezeit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Verfügung stehen sollen.

Schließlich soll auch die Zahlung des gesetzlichen Krankengeldes (Statutory Sick Pay) insofern modifiziert werden, als die aktuell dreitägige Wartezeit bei jeder Erkrankung entfällt. In vielen Fällen ist allerdings vertraglich eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit Verrechnung des SSP vereinbart, in diesen Fällen wird es keine relevanten Änderungen geben. 

„Fire and rehire“ und „zero hours contracts“ sollen eingeschränkt werden

Unter „fire and rehire“ versteht man eine Praxis, die der deutschen Änderungskündigung ähnelt. Es wird also eine Kündigung ausgesprochen, wenn Verhandlungen über die Änderung eines Arbeitsvertrages gescheitert sind, und dann ein neues Angebot zu neuen Konditionen zu unterbreiten. Eine solche Kündigung soll künftig als automatisch unfair gelten, es sei denn, sie erfolgte aufgrund existenzbedrohender finanzieller Schwierigkeiten auf der Arbeitgeberseite.  

„Zero hours contracts“ sind Arbeitsverträge, bei denen die Arbeitgeberseite keine Arbeitsstunden garantiert, während gleichzeitig die Arbeitnehmerseite berechtigt ist, angebotene Arbeitsstunden abzulehnen. Solche Vertragsgestaltungen sollen künftig nur noch mit der Maßgabe möglich sein, dass Arbeitgeber die im Durchschnitt der letzten 12 Wochen gearbeiteten Stunden garantieren müssen, wenn die Arbeitnehmer dies wünschen. Entsprechendes soll auch für Teilzeitarbeitsverträge gelten, deren Stundenkontingent regelmäßig überschritten wird. Des weiteren sollen die Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine angemessene Ankündigungsfrist für Änderungen der Arbeitsstunden oder Schichten erhalten, inklusive möglicher Kompensation, wenn Schichten mit zu kurzer Frist abgesagt werden. Hier wird der Arbeitgeberseite also Einiges an Flexibilität verlorengehen. 

„Fair Work Agency“ wird gegründet

Die FWA soll das Recht haben, Sachverhalte zu untersuchen und Fehlverhalten von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu sanktionieren. Unter ihrem Dach sollen verschiedene Kontrollbehörden zusammengefasst werden, zum Beispiel die Überwachung des gesetzlichen Mindestlohns, oder die Verfolgung ausbeuterischer Praktiken, insbesondere soweit sie durch den Modern Slavery Act sanktioniert werden. 

Sonstiges

Insgesamt enthält der Plan der neuen Regierung 28 Maßnahmen, von denen viele allerdings erst – voraussichtlich – im Herbst 2026 in Kraft treten werden. Dies gilt insbesondere für die Änderungen in Sachen Kündigungsschutz – bis dahin bleibt es bei der gegenwärtigen zweijährigen Wartezeit. Zu den weiteren kurz erwähnenswerten Plänen gehören

  • die Änderung des Konsultationsprozesses bei Massenentlassungen,
  • Erleichterungen für Gewerkschaftsarbeit in Betrieben nebst der Pflicht für Arbeitgeber, alle Arbeitnehmer schriftlich auf das Recht hinzuweisen sich einer Gewerkschaft anzuschließen, sowie
  • ein Anspruch auf flexibles Arbeiten, der nur aus bestimmten betrieblichen Gründen abgelehnt werden kann, in welchem Fall der Arbeitgeber dies schriftlich begründen muss. 

Das weitere Vorgehen der Regierung wird in einem „Next Steps“ - Dokument erläutert. Dort werden auch andere Pläne genannt, wie zum Beispiel das Recht auf Abschalten, oder die Abschaffung der Altersstufen beim Mindestlohn, die auf anderem Wege implementiert werden sollen. Überdies soll die Equality (Race and Disability) Bill 2024 für Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden eine Berichtspflicht zu Gehaltsunterschieden zwischen verschiedenen Ethnien sowie zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen einführen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die nächsten Jahre von allen am britischen Arbeitsleben Beteiligten einiges an Aufmerksamkeit erfordern werden. 

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