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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Investitionen

Trotz Gegenwind: Deutsche Investitionsbereitschaft bleibt stabil

Die britische Wirtschaft stagniert – deutsche Unternehmen investieren trotzdem. 

Von Marc Lehnfeld | London

Die BMW Group investiert knapp 700 Millionen Euro in die Erweiterung ihrer britischen Standorte Oxford und Swindon. Das Geld fließt in die Erweiterung der Produktionslinien für die Elektroserien des Mini 3-Türers und Mini Aceman. Die Elektroautos sollen ab 2026 in Oxford endmontiert werden. Ab 2030 werden den Plänen zufolge in Oxford nur noch Elektrofahrzeuge produziert. Das gab der Automobilkonzern Mitte September 2023 bekannt. Zuvor hatte bereits der indischen Konzern Tata angekündigt, umgerechnet mehr als 4,6 Milliarden Euro in die Produktion von Batterien in Großbritannien zu investieren.

Noch im vergangenen Jahr wollte BMW die Produktion des Elektromini nach China verschieben. Für seine Kehrtwende wird der bayerische Konzern in Großbritannien von staatlichen Subventionen in Höhe von etwa 86 Millionen Euro belohnt, wie die Financial Times herausgefunden hat.

Die Investitionsentscheidung des bayerischen Unternehmens ist für die gesamte britische Automobilindustrie von großer Bedeutung, braucht sie doch dringend Bekenntnisse zum Investitionsstandort. Schließlich leidet die Branche unter der langsamen Entwicklung von Gigafactories und der Anhebung von Ursprungsregeln. Ab dem nächsten Jahr erschweren diese Regeln den Handel von Elektroautos mit der EU

Ausländische Investitionen sind auf der britischen Insel in Zeiten steigender Leitzinsen und einer lahmen Konjunktur nicht selbstverständlich. Deutsche Unternehmen investieren trotzdem: Laut aktuellen Daten von fDi Markets haben in den ersten acht Monaten 2023 bereits 71 Firmen Neuansiedlungen und Expansionen angekündigt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es zwar 75 Projekte. Da Nachmeldungen üblich sind, ist von einer stabilen Investitionsaktivität auszugehen.

Aldi und Lidl bauen Filialnetz weiter aus

Rund jedes vierte deutsche Investitionsprojekt findet aber im Einzelhandel statt. Aldi und Lidl expandieren seit Jahren im Vereinigten Königreich. Die Discounter gehören - gemessen am Umsatz - zu den größten deutschen Firmen auf der Insel. Aldi baut sein Filialnetz in den nächsten zwei Jahren für umgerechnet etwa 1,6 Milliarden Euro aus. Im September 2023 hat das Unternehmen die tausendste Filiale eröffnet, mittelfristig sollen es 1.500 werden. Das Unternehmen kommt im Oktober 2023 auf einen Marktanteil von knapp 10 Prozent. Im Frühjahr hatte der Einzelhändler den Wettbewerber Morrison überholt und belegt seitdem den 4. Platz unter den größten Lebensmitteleinzelhändlern im Vereinigten Königreich.

Der mit einem Marktanteil von 7,6 Prozent sechstplatzierte deutsche Rivale Lidl verfolgt ähnlich ambitionierte Pläne. Im September 2023 eröffnete der Discounter sein rund 345 Millionen Euro teures regionales Verteilzentrum in Luton, das größte Logistikzentrum des Konzerns. Allerdings verzeichnete Lidl 2022 auf der britischen Insel einen Verlust von umgerechnet etwa 87 Millionen Euro und wird seine Expansionspläne zurückschrauben, erwarten Branchenkenner.

Ausgewählte deutsche Unternehmen im Vereinigten Königreich (Umsatz in Milliarden Euro)

Unternehmen

Branche

Umsatz 2022 1)

Anzahl der Beschäftigten 2022

Uniper UK LimitedStromerzeugung

19,9

612

Aldi Stores LimitedEinzelhandel

18,1

44.530

Volkswagen Group United KingdomFahrzeuge

11,0 2)

974 2)

Lidl Great Britain LimitedEinzelhandel

10,9 3)

29.882 3)

RWE Generation UK PLCStromerzeugung

9,3

790

BMW (UK)Fahrzeuge

6,3

419

TUI UKTouristik

5,7 4)

1.618 4)

DHL Supply ChainLogistik

3,7

k.A.

Allianz InsuranceVersicherungswesen

2,3

k.A.

E.ON Energy SolutionsEnergiewirtschaft

1,6

3.806

1 Wechselkurs der Europäischen Zentralbank 2022: 1 Euro = 0,85276 Pfund-Sterling (£), 2021: 1 Euro = 0,85960; 2 Geschäftsjahr 2021; 3 Geschäftsjahr endend 28. Februar 2023; 4 Geschäftsjahr endend am 30. September 2022.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

Investitionen finden aber nicht nur im Einzelhandel statt. Im Pharmasektor stechen die Investitionsentscheidungen von BioNTech und Merck hervor. So gab das Biotechnologieunternehmen BioNTech bekannt, ab dem 2. Halbjahr 2023 neue mRNA-Krebsvakzine an 10.000 britischen Patienten zu testen und schloss im Sommer die Übernahme des Londoner Start-ups InstaDeep, das künstliche Intelligenz entwickelt, ab. Merck stärkt seine britischen Aktivitäten mit dem Aufbau von zwei Testzentren für Pharmaprodukte in Glasgow und Sterling. Das Investitionsklima ist aber nicht ungetrübt. 

Derzeit streiten sich die britische Regierung und Pharmakonzerne, darunter auch Bayer und Merck, über die Konditionen eines Rückvergütungsschemas bei der Beschaffungen des britischen Gesundheitsdienstes NHS. Bayer und andere Konzerne drohen bereits Investitionen in anderen Länder vorzuziehen. 

RWE und EnBW investieren in grüne Energie

Im Energiesektor investieren deutsche Firmen in einem schwierigen Energieklima. Bis 2030 will der Essener RWE-Konzern ein Investitionsprogramm von umgerechnet rund 17 Milliarden Euro im Vereinigten Königreich realisieren. Dabei setzt das Unternehmen vor allem auf den Ausbau seines Offshore-Wind-Portfolios und sechs Wasserstoffprojekte. Am zweitgrößten Offshore-Wind-Standort der Welt betreibt der Energiekonzern bereits 10 Offshore-Anlagen mit einer Leistung von knapp 2 Gigawatt und plant weitere Anlagen mit einer Kapazität von 5,6 GW. Der zweite große deutsche Entwickler von Offshore-Wind-Projekten an der Küste der britischen Insel ist das Karlsruher Unternehmen EnBW. Im Joint Venture mit dem britischen Mineralölunternehmen bp plant das EnBW Anlagen mit einer Kapazität von 3 Gigawatt in der irischen See, sowie 2,9 Gigawatt an der schottischen Ostküste. 

Trotz des Ausbauziels der britischen Regierung von derzeit 14 auf 50 Gigawatt bis 2030 ist die Stimmung in der britischen Windenergiebranche getrübt. Sie leidet unter stark gestiegenen Kosten entlang der Lieferkette und ist zudem auf die staatliche Preissubvention (Contracts for Difference, CfD) angewiesen. Weil die garantierten Preise aber stark gefallen sind, wurden in der letzten Vergaberunde (Allocation Round 5) keine Offshore-Wind-Projekte mehr eingereicht. Der im Juli 2023 bekanntgewordene Entwicklungsstopp eines Vattenfall-Projekts zeigt, wie schwierig Offshore-Vorhaben sein können. Aus Branchensicht muss das Fördersystem reformiert werden.

Geschäftsentwicklung deutscher Firmen trotzt britischer Konjunktur

Einer Umfrage "German-British Business Outlook" der Deutsch-Britischen Handelskammer zufolge geht ein Viertel der Befragten davon aus, dass sich die Wirtschaftsentwicklung des Landes in den nächsten 12 Monaten verbessert. Knapp 40 Prozent der Firmen planen aber auch mit einer guten Entwicklung ihres eigenen Geschäfts. Mittelfristig wollen 39 Prozent der Unternehmen mehr investieren. Als wichtigste Gründe für die Investitionsentscheidung geben die Firmen die Marktgröße an, nennen aber auch die Nähe zu den Kunden und den Fachkräftepool. 

Der deutsch-britischen Wirtschaft gelingt es weiterhin sehr erfolgreich, auf die Herausforderungen im britischen Markt zu reagieren. Sie kann aber nicht immun von globalen Trends operieren.

Dr. Ulrich Hoppe Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer

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