Zollbericht Welt Freihandelsabkommen (Warenursprung, Präferenzen)
Neue Tendenzen im Freihandel – bilateral statt multilateral
Bilaterale Abkommen sind auf dem Vormarsch.
27.01.2020
Von Dr. Achim Kampf | Bonn
Die zunehmende Globalisierung und Internationalisierung des Wirtschaftslebens der letzten Jahrzehnte geht einher mit einer höheren Relevanz des Zoll- und Außenwirtschaftsrechts. Zollverfahren sind ordnungsgemäß durchzuführen, Zollschulden fristgerecht zu entrichten sowie Aus- und Einfuhrbeschränkungen zu beachten. Auch die Einhaltung technischer und qualitativer Normen und Standards auf dem Exportmarkt bindet nicht unerhebliche Kapazitäten. Darüber hinaus trafen Handelsschranken regelmäßig zur Verteuerung der Produkte und Dienstleistungen bei und erschweren so den Absatz.
Abbau von Hemmnissen wichtiger denn je
Umso bedeutsamer ist daher ihr Abbau. Hier haben sich seit den 50er Jahren drei Fallgruppen herausgebildet:
Auf internationaler Ebene sind die Regeln der WTO gefragt
Auf globaler Ebene vor allem das „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT), welches von der am 1. Januar 1995 gegründeten World Trade Organization (WTO) administriert wird. Die WTO bildet den institutionellen Rahmen für den Welthandel. Das 1994 reformierte GATT trat gemeinsam mit dem WTO-Übereinkommen am 1. Januar 1995 in Kraft. Es strebt den weltweiten Abbau von Handelsschranken sowie die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen an. Neben dem GATT verwaltet die WTO 12 weitere Übereinkommen, die verschiedene Bereiche des Warenhandels regeln sowie das General Agreement on Trade in Services (GATS) und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS).
Ein tragender Grundsatz des GATT ist derjenige der Meistbegünstigung. Er besagt, dass Vorteile und Befreiungen, die einem bestimmten Land gewährt werden, auch allen anderen WTO-Mitgliedern zu gewähren sind. Art. XXIV GATT räumt aber ausdrücklich die Möglichkeit ein, durch entsprechende völkerrechtliche Vereinbarungen Freihandelszonen zu schaffen. Soweit die Staaten davon Gebrauch gemacht haben, lassen sich zwei Gruppen unterscheiden:
Regionale Handelsabkommen erleichtern den Zugang zu ausländischen Märkten ebenfalls
Zum einen Freihandelszonen zwischen mehr als zwei Zollgebieten, wie der MERCOSUR im lateinamerikanischen Raum, ASEAN oder NAFTA (North American Free Trade Association), zum anderen diejenigen zwischen zwei Zollgebieten, wie die bilateralen Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA), Japan, Singapur oder Vietnam.
Bilaterale Abkommen sind auf dem Vormarsch
Während die Bemühungen der weiteren Handelsliberalisierung auf globaler (WTO-) oder multilateraler Ebene stocken, scheinen bilaterale Abkommen das Gebot der Stunde zu sein. Auffallend ist die hohe Frequenz der seitens der EU abgeschlossenen Abkommen mit Singapur, Japan, Vietnam, Kanada sowie der Verhandlungen mit Australien und Neuseeland.
Festzuhalten bleibt, dass nicht nur WTO-Runden und multilaterale Freihandelszonen zum Abbau von Handelsschranken beitragen, sondern eben auch bilaterale Abkommen. Für die EU eröffnet dies die Chance, ihre Unternehmen dabei zu unterstützen, neue Märkte zu erschließen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass - so jedenfalls der Europäische Gerichtshof in einem Gutachten zum Freihandelsabkommen mit Singapur – die Regelungen zum Schutz von Investitionen, insbesondere Mechanismen der Streitbeilegung, in die gemischte Zuständigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten fallen, so dass auch jeder einzelne EU-Mitgliedstaat das Abkommen ratifizieren muss. Was die handelspolitischen Regelungen, insbesondere die Zollvergünstigungen angeht, so entscheidet über den Abschluss eines Freihandelsabkommens alleine die EU.
Ist die EU kein Vertragspartner, kann eine Freihandelszone freilich auch dazu führen, dass deutsche Unternehmen gegenüber ihren ausländischen, von einer solchen Freihandelszone profitierenden Konkurrenten, im Wettbewerbsnachteil stehen. Dies zu wissen, und auch die konkreten Handelsvorteile der Konkurrenz zu kennen, leistet jedoch auch einen wichtigen Beitrag dazu, die richtige unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grunde stellt die Publikation auch die wichtigsten Freihandelszonen dar, an denen die EU nicht beteiligt ist. Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Darstellung jener Abkommen, von denen deutsche Unternehmen unmittelbar profitieren.
Abkommen bauen Zölle stufenweise ab
Charakteristisch für die Freihandelsabkommen ist in zollrechtlicher Hinsicht, dass in sog. Zollabbaulisten jede Vertragspartei ihre Zölle auf Ursprungswaren der anderen Vertragspartei nach einem bestimmten Stufenplan abbaut. Ausgangspunkt ist dabei in der Regel der sogenannte Meistbegünstigungszollsatz, das heißt der Zollsatz, der gemäß dem Prinzip der Meistbegünstigung grundsätzlich allen ausländischen Produkten gegenüber zu erheben ist.
Solche Zollvorteile werden aber nur für solche Produkte festgelegt, die ihren Ursprung in einem der Vertragsstaaten haben. Wann dies der Fall ist, ist in den einzelnen Abkommen festgelegt.
Der Ausgangspunkt hierzu ist immer identisch: Eine Ware hat den Ursprung eines der Vertragsstaaten, wenn sie dort vollständig hergestellt oder gewonnen“ oder „ausreichend be- oder verarbeitet wurde. Während das Kriterium der vollständigen Herstellung oder Gewinnung in der Regel keine allzu großen Probleme bereitet, ist die ausreichende Be- oder Verarbeitung Gegenstand teilweise komplexer Regelungen, die in Form von Listen in den Abkommen aufgeführt sind.
Ältere Abkommen stellen teilweise darauf ab, ob die bei der Herstellung verwendeten Vormaterialien nach der Behandlung in eine andere Position des Harmonisierten Systems einzureihen sind. Das Harmonisierte System ist eine systematische Codierung der Waren, das die Grundlage für die Ermittlung des jeweiligen Zollsatzes bildet. Dabei bilden die ersten vier Codenummern die sogenannte Position.
Die neueren Abkommen dagegen verwenden Listen, die für alle Waren Regeln für die erforderliche Be- oder Verarbeitung enthalten. Dies können Positionswechsel sein, aber auch bestimmte Wert- oder Produktionskriterien. Wertklauseln legen fest, welche Höchstgrenze des Anteils vom Ab-Werk-Preis die Zollwerte von Vormaterialien ohne Ursprung eines der Vertragsstaaten nicht überschreiten dürfen oder wie hoch mindestens der Anteil der Wertschöpfung im Exportland (gemessen am Free on board-Preis/fob) sein muss. Diese Klauseln sind häufig fein ausdifferenziert und bedürfen genauer Analyse.
Richtig kompliziert wird es, wenn Produktionsvorgänge in bestimmten Staaten solchen in anderen Staaten zugerechnet werden. Dann handelt es sich um sogenannte Kumulierungen, die zu einem zollbegünstigten Ursprung führen können. Unter welchen Voraussetzungen solche Kumulierungen stattfinden können, legen die Abkommen in nicht immer leicht zu durchschauenden Regelungen fest.
Gemeinsam ist den Abkommen, das bestimmte Minimalbehandlungen nicht ursprungsbegründend sind. Wann dies allerdings der Fall ist, regeln die Abkommen unterschiedlich.
Es ist daher für den Unternehmer nicht immer einfach, festzustellen, ob er von Zollvergünstigungen profitiert oder sich auf bestimmten Märkten auf ausländische Konkurrenz einzustellen hat, die ihrerseits von Zollvergünstigungen (wegen Freihandelszonen, die nicht die EU einschließen) profitieren. Die Kenntnis darüber erleichtert es jedoch, die richtigen strategischen Entscheidungen im Auslandsgeschäft zu treffen.