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Wirtschaftsausblick | Ägypten

Auf die Dollarkrise folgt in Ägypten die Energiekrise

Ägyptens Betriebe haben wieder genügend Dollar zum Wirtschaften. Nun fehlt es dem Land aber an Erdgas. Wie bereits letztes Jahr gehen wieder die Lichter aus.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Top-Thema: Neue Dollar-Liquidität verbessert Wirtschaftsumfeld – jedoch schwächelt der Energiesektor

Für den Nichtölsektor hellt sich das Geschäftsumfeld in Ägypten wieder deutlich auf. Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 57 Milliarden US-Dollar (US$), davon alleine 35 Milliarden US$ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), und die Freigabe des Wechselkurses der ägyptischen Landeswährung haben die seit über zwei Jahre andauernde Devisenkrise fürs erste eingedämmt. Unternehmen haben seit etwa Ende März 2024 wieder Zugriff auf ihre Dollars und Euros, die ägyptische Banken eine Zeit lang nur als Buchwerte auf den Devisenkonten ihrer Kunden führten. Betriebe sind damit wieder in der Lage, Vorprodukte, Rohmaterialien und andere Importe zu beschaffen. Die große wirtschaftliche Lähmung infolge des gestörten Außenhandels und der Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Wechselkurs sind einstweilen überwunden. 

Jüngste Dollarzuflüsse reichen voraussichtlich bis Mitte 2025

Die Liquiditätsspritzen aus den VAE, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank haben das Vertrauen der Anleger in Ägyptens Wirtschaft erneuert und es fließt wieder Geld in ägyptische Staatsanleihen. Diese Zuflüsse werden kurzfristig die neu gewonnene Liquidität stützen. Ein ägyptischer Geschäftsmann, der anonym bleiben will, schätzt, dass die jüngsten Zuflüsse bis Mitte 2025 ein komfortables Liquiditätspolster bieten werden. Eine Stütze für die Wirtschaft ist auch die im Mai 2024 gesunkene Inflation. Gegenüber dem Vormonat gingen die Verbraucherpreise um 4,4 Prozentpunkte auf 28,2 Prozent zurück. 

Diese positiven Entwicklungen spiegelt das jüngste Ergebnis des S&P Einkaufsmanager Index wider, der monatlich die Wirtschaftsaktivitäten und -aussichten von 500 befragten Unternehmen aus dem ägyptischen Privatsektor ohne Öl und Gas misst. Im Mai stieg der Index von 47,4 Punkten im Vormonat auf 49,6 Punkte. Dieses Ergebnis liegt zwar immer noch unterhalb der 50-Punkte-Grenze, die Wachstum von Rückgang trennt, dennoch ist es das beste Ergebnis seit August 2021 und indiziert somit einen Aufwärtstrend.

Ob der gegenwärtige Aufschwung dauerhaft ist, hängt davon ab, ob die Regierung die strukturellen Schwächen behebt, sprich den Verkauf der Staatsunternehmen umsetzt und vor allem ein Wirtschaftsmodell auflegt, das auf die Dominanz der Privatwirtschaft setzt. Bis dato fungieren Privatunternehmen lediglich als Erfüllungsgehilfen der Staatsunternehmen bei der Umsetzung ihrer Megaprojekte. Diese Megaprojekte werden als Konjunkturimpulse vorerst eine geringere Rolle spielen, da Ägypten infolge der hohen Außenverschuldung den kürzlich eingeschlagenen Austeritätskurs beibehalten wird. 

Ägypten importiert Flüssiggas

Neben den positiven Entwicklungen zeichnet sich jedoch die nächste Krise ab. Die bereits im vergangenen Jahr begonnene Energiekrise setzt sich auch 2024 fort. Wie schon 2023 müssen Haushalte täglich mehrere Stunden ohne Licht und Klimaanlagen beziehungsweise ohne Ventilatoren auskommen, weil die Versorger den Strom abschalten. Dieser Strom wird in Ägypten hauptsächlich aus Erdgas erzeugt. Das nordafrikanische Land war von 2018 bis 2023 noch ein Nettoexporteur von Erdgas

Nun sorgen Rekordtemperaturen und die gesunkene Erdgasförderung für eine Mangellage, die neben Haushalten auch Betriebe trifft – besonders energieintensive Betriebe wie die Hersteller von Ammoniak basiertem Düngemittel. So mussten wegen der stark gesunkenen Erdgaslieferungen Abu Qir Fertilizer und die Misr Fertilizer Production Company für einige Tage die Produktion einstellen. Um der Energiekrise Herr zu werden, kündigte Premierminister Mustafa Madbulie an, dass Ägypten im Juli Flüssiggas und Kraftstoff im Wert von 1,2 Milliarden US$ importieren wird. 

Wirtschaftsentwicklung: Inflation bremst auch 2024 Wachstum

Die Analysten der Economist Intelligence Unit (EIU) prognostizieren, dass sich das Wachstum des ägyptischen Bruttoinlandsprodukts von geschätzt 3,8 Prozent im Jahr 2023 auf 2,6 Prozent im Jahr 2024 abschwächen wird. Die Gründe dafür sind die hohen Erzeuger- und Verbraucherpreise, die sich trotz der gesunkenen Inflation nach wie vor auf einem hohen Plateau bewegen. Insbesondere der Privatverbrauch wirkt sich stark auf die ägyptische Gesamtwirtschaft aus. Entsprechend prognostiziert die EIU erst im Jahr 2025 einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um real 3,6 Prozent. Erst dann rechnen die Analysten mit einem wesentlichen Rückgang der Teuerungsrate auf knapp 20 Prozent.

Einstweilen wirkt sich der strauchelnde Tourismus an Ägyptens Rote Meer-Küste infolge des Gaza-Krieges negativ auf das Wachstum aus – ebenso die andauernden Angriffe der Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer, die Ägypten um nahezu sämtliche Einnahmen aus dem Suezkanal bringen. Schließlich ist die hartnäckige Stärke des US-Dollar ein Problem für Länder wie Ägypten, die in hohem Maße importabhängig sind.

Deutsche Perspektive: Volkswagen prüft Investition in Ägypten

Die Verfügbarkeit von Devisen ist eine gute Nachricht für deutsche Exporteure. Sie können, wenn nicht bereits geschehen, mit einer zeitnahen Begleichung ihrer Forderungen rechnen. Gute Nachrichten gab es auch aus der neuen ägyptischen Verwaltungshauptstadt. Dort fand am 29. und 30. Juni 2024 die gemeinsame Investorenkonferenz von Ägypten und der Europäischen Union statt. 

Unternehmen unterzeichneten Absichtserklärungen über ägyptische Direktinvestitionen im Wert von insgesamt 67,7 Milliarden Euro, unter anderem von Volkswagen. Der deutsche Autobauer arbeitet gegenwärtig an einer Machbarkeitsstudie über die Montage von Pkw in der East Port Said Economic Zone an der ägyptischen Mittelmeerküste. Ebenfalls in East Port Said beabsichtigt die DAI Infrastruktur GmbH eine Anlage für grünen Ammoniak zu bauen. Die entsprechende Absichtserklärung sieht dafür Investitionen von etwa 4 Milliarden US$ vor.

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