Branchen | Äthiopien | Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie
Agrar- und Nahrungsmittelsektor in Äthiopien birgt viel Potenzial
Äthiopiens Landwirtschaft baut fast alles an, trotzdem fehlen der heimischen Nahrungsmittelindustrie passende Rohstoffe. Die Branche entwickelt sich erst.
22.05.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
- Landwirtschaft vielfältig, aber sehr kleinteilig
- "Agro-Industrieparks" sollen der Nahrungsmittelindustrie helfen
- Investitionen aktuell eher in Getreideverarbeitung als in Zuckerfabriken
- Milchwirtschaft mit steigender Nachfrage
- Fleisch, Obst und Gemüse: kaum Verarbeitung
- Speiseöl aus neuen Fabriken
- Kaffee geht ungeröstet in den Export
Für deutsche Unternehmen ist Äthiopiens Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor bisher vor allem ein Lieferant von Rohstoffen. Außer Kaffee, Äthiopiens umsatzstärkstem Exportgut, landen kaum äthiopische Agrarerzeugnisse in Deutschlands Supermärkten.
Umgekehrt kaufen in Äthiopien sowohl Landwirtschaft als auch Nahrungsmittelhersteller nur wenige deutsche Produkte. Geringe Technisierung und Industrialisierung begrenzen den Bedarf an Maschinen oder Chemikalien. Erschwerend hinzu kommt der extreme Devisenmangel. Größere deutsche Investitionen im Sektor sind nicht bekannt.
Landwirtschaft vielfältig, aber sehr kleinteilig
In unterschiedlichen Höhenlagen und Klimazonen ist Äthiopiens Landwirtschaft sehr vielfältig. Das kommerzielle Potenzial haben die Produzenten von Blumen aufgezeigt. Insgesamt jedoch gibt es bei Quantität und Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugung große Defizite. Speiseölproduzenten, Molkereien oder Safthersteller klagen über fehlende heimische Ausgangsprodukte.
In Äthiopien überwiegt die Subsistenzlandwirtschaft mit Anbauflächen von meist unter 1 Hektar. Es haben sich auch einige große Betriebe gebildet, was teils unter dem Stichwort "Land Grabbing" in Verruf kam. Die von der Regierung angestrebte Kommerzialisierung kommt indes nur schleppend voran. Positiv machen sich die Einführung von besserem Saatgut bemerkbar sowie Investitionen in die Bewässerung.
Unternehmen | Erzeugnisse |
---|---|
Baumwolle, Reis | |
Melikamuna Betesebu | Sesam, Baumwolle |
Fikray Gebremedihn | Baumwolle |
Abidelana Betesebu | Weizen |
Aliwero Ber Agricultural Development | Mais |
Kaffee |
Aktuell leidet die Landwirtschaft in Äthiopien wie anderswo auch unter den Preissteigerungen für Dünger und Kraftstoffe. Durch eine Dürre im Süden sowie bewaffnete Auseinandersetzungen im Norden des Landes lagen 2022 zeitweise mehr als ein Zehntel der Agrarfläche brach. Das Tigray-Friedensabkommen hat nun zumindest den größten Konfliktherd beruhigt. Günstiges Wetter in anderen Landesteilen hat zu guten Ernten beigetragen, weshalb Äthiopien voraussichtlich weniger Weizen wird importieren müssen.
"Agro-Industrieparks" sollen der Nahrungsmittelindustrie helfen
Äthiopiens Nahrungsmittelindustrie ist bisher schwach. Außer an agrarischen Vorerzeugnissen fehlt es ihr an Verpackungen sowie an Kapital und Know-how. Für den Marktzugang im Ausland hapert es auch an Zertifizierungen, im Inland an einem modernen Einzelhandel. Der Mangel an Kühlketten und teils auch an guter Logistik ist, wie für die Landwirtschaft, ein weiteres Problem.
Große Nahrungsmittelhersteller gibt es in der Getreideverarbeitung. Unter den Unternehmen ist der einheimische Midroc-Konzern recht breit aufgestellt. Zu den wenigen großen ausländischen Herstellern im Land zählen Brauereien sowie der Kosumgütermulti Unilever. Der Technikmarkt verlangt bislang vor allem niedrige Preise und wird von Lieferanten aus China dominiert.
Mit "Integrierten Agroindustrieparks" versuchen die Behörden, Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion besser zu verbinden. In großen Gewerbegebieten stellt der Staat Infrastrukturen mit ausländischer Unterstützung bereit. Dort sollen Betriebe Agrarerzeugnisse der Umgebung verarbeiten. Nach rund einem Jahrzehnt Bemühungen gibt es einige Ansiedlungen. Insgesamt jedoch kommen die Parks nur schleppend in Gang.
Investitionen aktuell eher in Getreideverarbeitung als in Zuckerfabriken
In Äthiopien sorgt die Verbreitung westlicher Ernährungsgewohnheiten für Investitionen in die Getreideverarbeitung. Im Fokus stehen dabei Nudeln, Kekse und auch Mehl. Von den Weizenmühlenkapazitäten allerdings stehen Schätzungen zufolge über die Hälfte still.
Unternehmen | Produkt | Mitarbeiter |
---|---|---|
Two Brothers Food Complex | Weizenmehl, Kekse, Nudeln | 2.300 |
Weizenmehl, Kekse, Nudeln | 1.890 | |
größte Brotfabrik | k.A. | |
KOJJ Food Processing | Mehl, Nudeln | k.A. |
Ahadukes Biscuit Factory | Kekse | 480 |
Fikir Food Frocessing | Weizenmehl, Kekse | 380 |
Äthiopiens weitgehend staatliche Zuckerindustrie wartet nach einem missglückten Ausbau nach 2010 weiterhin auf private Investoren. Dafür haben die Behörden im Jahr 2022 acht von 14 Zuckerrohrfabriken und -projekten ausgeschrieben. Einen großen Teil seines Bedarfs muss das Land durch Importe decken. Laut Ethio Sugar dürfte der Verbrauch jährlich über 1 Million Tonnen erreichen. Die Produktion gibt die staatliche Holding mit bis zu 400.000 Tonnen an. Das Potenzial ist groß: Die Erträge sind auf den überwiegend bewässerten Zuckerrohrfeldern in Äthiopien höher als in anderen Ländern.
Milchwirtschaft mit steigender Nachfrage
In Äthiopien wächst die Nachfrage nach modern verarbeiteten Milchprodukten. Das Land hat Afrikas größten Bestand an Rindern, die Kühe werden jedoch fast ausschließlich für den Eigengebrauch gehalten. Sie geben im Schnitt nur anderthalb Liter Milch täglich, und die Versorgung mit Futter, insbesondere Kraftfutter, ist schwierig. An diesen Problemen sind auch schon deutsche Investoren gescheitert. Beobachter sehen deshalb mit Skepsis die Regierungspläne von Anfang 2023, wonach sich die jährliche Milchproduktion innerhalb von vier Jahren auf gut 10 Millionen Liter nahezu verdoppeln soll.
Unternehmen |
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Lame Dairy (Shola Milk) |
Sebeta Agro Industry |
Fleisch, Obst und Gemüse: kaum Verarbeitung
Äthiopier essen relativ wenig Fleisch. Es gibt zwar einige größere Schlachthöfe im Land, über das Zerteilen hinaus aber findet wenig industrielle Weiterverarbeitung statt. Viel Dynamik hingegen ist in der Geflügelbranche, wo die Nachfrage kräftig steigt.
Unternehmen | Anmerkungen |
---|---|
indische Firma mit zwei Schlachthöfen, gilt als größter Schlachter in Äthiopoien | |
Rind-, Schweinefleischprodukte | |
Addis Ababa Abattoirs | Schlachthof |
Schlachthof | |
Organic (Meat) Export Abattoir | Schlachthof |
Schlachthöfe u.a. |
Kohl, Äpfel, Ananas oder Bananen – in Äthiopien wächst buchstäblich alles. Frisches Obst wird trotzdem kaum exportiert und fehlt auch häufig im Land selbst. Verarbeitete Produkte wie Fruchtsaft kommen sogar meist aus dem Ausland.
Speiseöl aus neuen Fabriken
In die Verarbeitung von Speiseöl sind in den letzten Jahren umfangreiche Investitionen geflossen. Die Regierung versucht mit einem komplizierten System aus Lizenzen und Anreizen, den riesigen Devisenbedarf für Importe zu drücken. Aber auch die neuen Fabriken verarbeiten offenbar wegen der Knappheit an passenden einheimischen Agrarerzeugnissen schwerpunktmäßig importierte Palmölprodukte.
Kaffee geht ungeröstet in den Export
Kaffee ist direkt oder indirekt die Lebensgrundlage von fast einem Viertel der Bevölkerung und erbrachte zuletzt fast ein Drittel der äthiopischen Einnahmen aus Warenexporten. Einheimische Betriebe sortieren und waschen die Produktion, die zur Hälfte in den Inlandskonsum geht. Geröstet wird der Exportkaffee jedoch fast ausschließlich in den Abnehmerländern, wodurch viel Wertschöpfung abwandert. Die Branche, die für den Anbau wenig Technik oder Chemikalien einsetzt, beschafft folglich kaum höherwertige Verarbeitungstechnik, wie sie Deutschland liefert.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Branchenmesse 8.-10. Juni 2023; Millennium Hall, Addis Abeba |