Wirtschaftsausblick | Algerien
Algerische Wirtschaft wächst robust
Die algerische Regierung setzt ihre Industrialisierungspolitik fort. Bleibt die internationale Gasnachfrage hoch, dann scheint die Finanzierung für Großprojekte vorerst gesichert.
22.11.2024
Von Verena Matschoß | Tunis
Top-Thema: Mehr Geld für Großprojekte
Die algerische Wirtschaftspolitik bleibt auf dem eingeschlagenen Kurs. Das Land treibt die Diversifizierung voran, um das Wirtschaftswachstum unabhängiger vom Öl- und Gassektor zu machen.
Einen wichtigen Beitrag bei der Finanzierung von Großprojekten leistet der Nationale Investitionsfonds. Laut dem Haushaltsgesetz für das Jahr 2025 ist vorgesehen, dessen Kapital aufzustocken. Finanzminister Laaziz Faid kündigte zudem an, dass der Investitionsfonds innerhalb der nächsten fünf Jahre Großprojekte im Gesundheitssektor, in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie mit einem Gesamtwert von 420 Milliarden Algerischen Dinar (rund 3 Milliarden Euro) finanzieren wird.
Neue Investitionsprojekte bringen durchaus Chancen für deutsche Unternehmen, aber nur wenn sie sich auf das herausfordernde Geschäftsumfeld einstellen können. Denn gleichzeitig setzt der algerische Staat bei seiner Industrialisierung auf eine protektionistische Handelspolitik.
Mitte Juni 2024 hat die Europäische Kommission deshalb ein Streitbeilegungsverfahren gegen Algerien eingeleitet. Laut Pressemitteilung der Kommission ist dies eine Reaktion auf seit 2021 bestehende Beschränkungen für EU-Ausfuhren und -Investitionen. Im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der EU hatte sich Algerien eigentlich dazu verpflichtet, den Handel mit der EU zu erleichtern. In den vergangenen Jahren ging der Wert der Ausfuhren in die EU kontinuierlich zurück, von 22 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 15 Milliarden Euro im Jahr 2023.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum bleibt stabil
Zwar kommt die Diversifizierung langsam voran, das Wirtschaftswachstum bleibt derzeit aber vor allem von den Rohstoffexporten abhängig. Die algerische Regierung rechnet für das Jahr 2025 mit einem Wachstum von real 4,5 Prozent. In fast allen Branchen wird von einer positiven Entwicklung ausgegangen. Mit 6 Prozent soll der Industriesektor am stärksten zulegen. Die Analysten der Economist Intelligence Unit (EIU) und des Internationalen Währungsfonds gehen von einem BIP-Wachstum von 3 Prozent aus. Mittelfristig bietet sich ein höheres Wachstumspotenzial, falls die Regierung weitere Schritte zur Marktöffnung und Reformen umsetzt.
Trotz wieder steigender Mengen bei der Öl- und Gasförderung prognostiziert die EIU für die nächsten Jahre geringere Exporteinnahmen aufgrund schwächerer globaler Energiepreise. Die Ölförderung bleibt bis Ende 2025 noch von den vereinbarten Förderkürzungen im Rahmen der OPEC Plus beschränkt.
Ausländische Investitionen steigen
Die hohe Nachfrage nach algerischem Gas treibt die Investitionen im Sektor an. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahr 2022 hat Algerien zahlreiche Lieferverträge mit europäischen Energiefirmen abgeschlossen. Zudem gibt es neue Abkommen und Gespräche mit internationalen Unternehmen, die sich an der Öl- und Gasförderung beteiligen wollen. Im Zeitraum 2024 bis 2028 plant das Staatsunternehmen Sonatrach 50 Milliarden US-Dollar (US$) für neue Investitionen auszugeben.
Die robusten Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft ermöglichen Algerien auch Investitionen in anderen Wirtschaftsbereichen, wie dem Energiesektor, im Bergbau, in der Nahrungsmittel- sowie der Automobilindustrie. Bei guter Finanzlage kommen auch Projekte zum Infrastrukturausbau schneller voran. Nach einem starken Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2024 geht EIU von einem Anstieg um 2,4 Prozent im Jahr 2025 aus.
Ein im Juli 2022 veröffentlichtes neues Investitionsgesetz begünstigt auch das Engagement ausländischer Unternehmen im Land. Laut UNCTAD flossen im Jahr 2023 rund 1,2 Milliarden US$ an ausländischen Direktinvestitionen nach Algerien – gegenüber 255 Millionen US$ im Jahr 2022.
Das protektionistische Wirtschaftsmodell macht die Einfuhr- und Investitionsbedingungen im Land aber nicht einfach. Importverfahren sind bürokratisch und Einfuhrregeln können sich sehr kurzfristig ändern.
Sozialstaat stützt den Konsum
Die Inflation geht in Algerien weiter zurück und liegt derzeit bei gut 5 Prozent. Nach den Präsidentschaftswahlen vom September 2024 könnte es zu kleineren Sparmaßnahmen kommen, auch im sozialen Bereich. An den Subventionen für bestimmte Konsumgüter hält die Regierung fest. Nach knapp 4 Prozent im Jahr 2024 soll der private Konsum im Jahr 2025 laut EIU um 3 Prozent steigen.
Hohe Gasnachfrage sorgt für stabile Exporte
Algerien erwirtschaftet rund 90 Prozent seiner Exporterlöse mit Öl und Gas. Nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde das nordafrikanische Land für die EU zu einem immer wichtigeren Gaslieferanten. Die starke Abhängigkeit von Rohstoffausfuhren ist mit einem großen Risiko behaftet. Sind die globalen Energiepreise niedrig, sinken die Exporterlöse und das Wirtschaftswachstum wird gedämpft.
Die Bemühungen zur Diversifizierung zeigen zwar langsam Ergebnisse, aber auf niedrigem Niveau. Derzeit ist das Land bei Investitions- und Verbrauchsgütern noch in einem großem Maß auf Importe angewiesen. Wichtigstes Lieferland ist China.
Deutsche Perspektive: Kfz dominieren die deutschen Exporte
Zwar gingen die deutschen Ausfuhren nach Algerien im 1. Halbjahr 2024 leicht zurück, manche Branchen erzielten trotzdem höhere Erlöse. So stieg die deutsche Ausfuhr von Kfz und Kfz-Teilen um 34 Prozent auf rund 354 Millionen Euro. Hier zeigen die erleichterten Importbedingungen durch die algerischen Behörden Wirkung.
Die deutschen Einfuhren aus Algerien stiegen im 1. Halbjahr 2024 um 13 Prozent auf 851 Millionen Euro. Algerien exportiert in erster Linie Erdöl sowie Erdölerzeugnisse nach Deutschland. Im Februar 2024 unterzeichnete der Gashändler VNG mit Sonatrach einen Liefervertrag. Nach VNG-Angaben ist es das erste Mal, dass ein deutsches Unternehmen Pipelinegas aus Algerien beziehen wird. Langfristig soll grüner, mit erneuerbaren Energien erzeugter, Wasserstoff ebenfalls eine Rolle spielen.
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