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E-Mobility
Brasilien setzt seit Jahrzehnten auf Bioethanol und steht bei E-Mobilität noch ganz am Anfang. Doch im Jahr 2023 verdoppelte sich die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen.
24.06.2024
Von Gloria Rose | São Paulo
Elektrifizierung nimmt an Fahrt auf
Die E-Mobilität hält in Brasilien langsamer Einzug als in vielen Ländern. Doch seit 2021 kommen verstärkt Batterie-Elektrofahrzeuge (BEV) und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEV) auf den Markt. Für Nachfrage sorgen die Nachhaltigkeitsstrategien großer Handelsketten und Logistikdienstleister sowie neue Mobilitätsdienste. Weitere Faktoren sind die stark gestiegenen Kraftstoffpreise, die wachsende Auswahl an Modellen und der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Metropolregionen. Im Jahr 2023 erschlossen chinesische Hersteller den brasilianischen Markt über den Import preisgünstiger E-Autos. Die Neuzulassungen verdoppelten sich.
Zuvor beherrschten zwei HEV-flex-Modelle von Toyota (Vollhybridmodelle auf Bioethanol-Basis) den Markt. Im Jahr 2022 entfiel rund 40 Prozent der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen auf den Corolla und den Corolla Cross. Die Pionierrolle Brasiliens bei Biokraftstoffen zögerte das Aufkommen von Batterie- und Plugin-Hybrid-Elektrofahrzeugen bislang hinaus. Schließlich verringert Brasilien bereits seit Jahrzehnten seine CO2-Emissionen im Verkehr durch den Einsatz von Bioethanol. Die Zuckerrohr-Ethanol-Industrie ist somit ein wichtiger Stakeholder, wenn es um die Zukunft der Mobilität in Brasilien geht.
Hersteller | Absatz 2022 | Absatz 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|
Toyota | 20.727 | 21.042 | 1,5 |
BYD | 260 | 17.943 | 6.801,2 |
Caoa Chery | 6.841 | 11.835 | 73,0 |
GWM | 10 | 11.473 | 114.630,0 |
Volvo | 5.264 | 8.179 | 55,4 |
BMW | 3.041 | 4.431 | 45,7 |
In Brasilien werden Elektrofahrzeuge nur auf Sparflamme gefördert. Zum Schutz der heimischen Kfz-Industrie wird die Befreiung von E-Autos von der Importsteuer seit Januar 2024 schrittweise zurückgenommen. BYD und GMW dürften den Aufschlag jedoch nicht an die Käufer weitergeben. Statt dessen erwarten Marktbeobachter, dass beide Hersteller die Investitionen vorantreiben und die lokale Produktion früher aufnehmen als angekündigt.
Das neue Industrieförderprogramm "Mover" legt jedoch keinen einfachen Mechanismus fest, der E-Mobilität an sich begünstigt. Ziel ist es vielmehr, die Emissionen auf allen Ebenen der Mobilität zu erfassen und zu vermeiden, also sowohl bei der Herstellung als auch Entsorgung der Kfz und Batterien sowie beim Zuckerrohranbau und Transport von Kraftstoffen.
Zunehmend bieten die Bundesstaaten und große Metropolen Vergünstigungen für Elektrofahrzeuge an. Beispielsweise minderte der Bundesstaat São Paulo die Umsatzsteuer und die Stadt São Paulo lockerte die Verkehrsauflagen. Einige Bundesstaaten setzen die jährliche Kfz-Steuer auf Elektrofahrzeuge herab.
Bioethanol prägt die Dekarbonisierung des Verkehrs in Brasilien
Die chinesischen Hersteller senken die Verkaufspreise. Elektrofahrzeuge werden damit für einen immer größeren Anteil der Konsumenten attraktiv. Auch wenn sich die Neuzulassungen im Jahr 2023 verdoppelten, machten Kfz mit Elektroantrieb im Jahresdurchschnitt nur 4,3 Prozent der Neuzulassungen aus. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 12 bis 22 Prozent steigen, besagt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group für den Herstellerverband Anfavea.
Kategorie | 2023 | Veränderung 2023/2022 | Marktanteil 2023 |
---|---|---|---|
HEV 1) | 15.435 | 126,4 | 16,4 |
HEV Flex 2) | 26.133 | 10,6 | 27,8 |
PHEV 3) | 33.049 | 219,4 | 35,2 |
BEV 4) | 19.310 | 128,3 | 20,6 |
Insgesamt | 93.927 | 90,7 | 100,0 |
Bei 83 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen in Brasilien und 74,4 Prozent des gesamten Fahrzeugbestands handelt es sich um sogenannte Flex-Fuel-Fahrzeuge, die sowohl mit Benzin als auch mit Bioethanol betrieben werden. Der Anteil reiner Benziner ist mittlerweile auf 13,5 Prozent gefallen. Rund 11,5 Prozent des Gesamtbestands sind Dieselfahrzeuge.
Nach Daten des Verbands der Kfz-Zulieferer Sindipecas stieg der gesamte Kfz-Bestand 2022 um 0,6 Prozent auf 46,9 Millionen Fahrzeuge, von denen lediglich 14,2 Prozent importiert wurden. Das durchschnittliche Fahrzeugalter nimmt seit 2014 stetig zu und liegt aktuell bei zehn Jahren und sieben Monaten.
Als größte Hürde für die Elektromobilität gilt die ungenügende Ladeinfrastruktur. Trotz der kontinentalen Ausmaße des Landes stehen in Brasilien heute nur etwa 4.000 öffentliche und halböffentliche Stationen bereit. Elektromobilität eignet sich somit ausschließlich für den Stadtverkehr und nicht für Langstrecken über Land. Für den Ausbau der Ladeinfrastruktur muss Brasilien bis Ende 2035 etwa 2,8 Milliarden US-Dollar (US$) investieren, gibt der Herstellerverband Anfavea an, auf Grundlage von Berechnungen des E-Auto-Verbands ABVE.