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E-Mobility
Brasilien setzt seit Jahrzehnten auf Bioethanol und steht bei der E-Mobilität noch ganz am Anfang. Wofür entscheidet sich der Markt?
01.04.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Seit 2023 strömen immer mehr chinesische E-Autos auf den brasilianischen Markt. BYD prescht aggressiv vor und bietet besonders niedrige Verkaufspreise. Damit werden Elektrofahrzeuge für einen immer größeren Anteil der Haushalte erschwinglich. Die Neuzulassungen verdoppelten sich 2023 und stiegen 2024 weiter um 89 Prozent auf 177.357 an. Für 2025 rechnet Brasiliens E-Auto-Verband ABVE mit einem Wachstum um wenigstens 40 Prozent.
Elektrifizierung nimmt an Fahrt auf
Dabei werden Elektrofahrzeuge in Brasilien nur auf Sparflamme gefördert. Zum Schutz der heimischen Kfz-Industrie fährt das Land die Steuerbegünstigung für E-Auto-Importe seit Januar 2024 schrittweise zurück. Damit steigen die Preise.
Doch einige Bundesstaaten und große Metropolen bieten zusätzliche Vergünstigungen für Elektrofahrzeuge und hybride Kfz an. Beispielsweise setzte der Bundesstaat São Paulo die Umsatzsteuer ab 2022 von 18 Prozent auf 14,5 Prozent herab. Im Jahr 2025 verzichtet São Paulo bei E-Autos und Pkw mit Hybrid-Flex-Motor sowie bei Schwerfahrzeugen, die mit Wasserstoff oder Biomethan bestrieben werden, auf die Kfz-Abgabe IPVA. Ab 2026 hebt der Staat die Abgabe etappenweise an.
Außer São Paulo fördern auch Minas Gerais, Rio de Janeiro, Alagoas, Distrito Federal (Brasília), Bahia, Pernambuco, Rio Grande do Norte, Paraná, Rio Grande do Sul und Maranhão Elektromobilität über reduzierte Kfz-Steuern. Die Stadt São Paulo verlängerte die bevorzugten Verkehrsregeln für elektrische und hybrid betriebene Kfz bis 2030, während alle anderen Fahrzeuge dem sogenannten "Rodízio" unterliegen. Das bedeutet, dass sie an einem Tag in der Woche zu den Stoßzeiten nicht die Hauptverkehrszonen befahren dürfen.
Fortschritte beim Ausbau der Ladeinfrastruktur
Brasiliens mangelnde Ladeinfrastruktur gilt als eine der größten Hürden für die Elektromobilität, die sich wegen der kontinentalen Ausmaße des Landes zurzeit nur für den Stadtverkehr und nicht für Langstrecken eignet. Auch deswegen liegt der Fokus der Hersteller in Brasilien auf Hybridmodellen.
Doch der Ausbau der Ladepunkte kommt voran. Mittlerweile stehen in Brasilien etwa 12.000 öffentliche und halböffentliche Stationen bereit. Im Jahr 2025 sollen 2.500 Schnellladestationen entstehen. Dazu kommen sogenannte Wallboxen in Häusern und Wohngebäuden. Im Jahr 2025 investiert der Sektor mehr als 1 Milliarde US-Dollar (US$) in den Ausbau der Ladeinfrastruktur und in die technologische Entwicklung.
Hersteller | Absatz 2023 | Absatz 2024 | Veränderung 2024/2023 |
---|---|---|---|
BYD | 17.943 | 76.863 | 328,4 |
GWM | 11.473 | 29.219 | 154,7 |
Toyota | 21.042 | 20.358 | -3,3 |
Volvo | 8.179 | 8.631 | 5,5 |
Caoa Chery | 11.835 | 7.321 | -38,1 |
Mercedes-Benz | 1.525 | 6.287 | 312,3 |
BMW | 4.431 | 4.720 | 6,5 |
Bioethanol ist Schlüsselelement in der Dekarbonisierung
Trotz der hohen Wachstumsraten machten Kfz mit Elektroantrieb im Jahresdurchschnitt 2024 nur 7,2 Prozent der Neuzulassungen aus. Bei 79,1 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen in Brasilien und 76,2 Prozent des gesamten Fahrzeugbestands handelt es sich um sogenannte Flex-Fuel-Fahrzeuge, die sowohl mit Benzin als auch mit Bioethanol betrieben werden. Der Anteil reiner Benziner ist mittlerweile auf 11,5 Prozent gefallen. Rund 11,7 Prozent des Gesamtbestands sind Dieselfahrzeuge.
Die Pionierrolle Brasiliens bei Biokraftstoffen zögert das Aufkommen von Batterie- und Plugin-Hybrid-Elektrofahrzeugen hinaus. Schließlich verringert Brasilien bereits seit Jahrzehnten seine CO2-Emissionen im Verkehr durch den Einsatz von Bioethanol. Die Zuckerrohr-Ethanol-Industrie ist somit ein wichtiger Stakeholder, wenn es um die Zukunft der Mobilität in Brasilien geht.
Seit 2021 kommen zunehmend Batterie-Elektrofahrzeuge (BEV) und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEV) auf den Markt. Für Nachfrage sorgen die Nachhaltigkeitsstrategien großer Handelsketten und Logistikdienstleister sowie neue Mobilitätsdienste. Weitere Faktoren sind die steigenden Kraftstoffpreise, die wachsende Auswahl an Modellen und der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Metropolregionen.
Hybrid-Fahrzeuge liegen im Trend
Das neue Industrieförderprogramm "Mover" legt keinen einfachen Mechanismus fest, der E-Mobilität an sich begünstigt. Ziel ist es vielmehr, die Emissionen auf allen Ebenen der Mobilität zu erfassen und zu vermeiden, also sowohl bei der Herstellung als auch der Entsorgung der Kfz und Batterien sowie beim Zuckerrohranbau und Transport von Kraftstoffen.
Marktkenner sehen für Mild-Hybridmodelle auf Bioethanol-Basis gute Marktchancen. Der Mild-Hybrid-Antrieb besteht aus einer leichten Lithium-Ionen-Batterie, die zusätzliche Leistung liefert, wenn der Motor nicht läuft. Bei den Motoren handelt es sich um sogenannte Flex-Fuel-Motoren, die reines Ethanol tanken können. Stellantis brachte mit dem Fiat Fastback und dem Fiat Pulse im November 2024 die ersten beiden Modelle dieser Art auf den Markt.
In den Investitionsplänen im Rahmen des Förderprogramms Mover fokussieren alle Hersteller auf hybride Technologien. Hybrid-Flex-Pionier Toyota hat große Pläne und will ab 2028 für jedes Modell wenigstens eine hybride Ausführung anbieten. BMW war besonders schnell in der Umsetzung. Seit Dezember 2024 produziert der Konzern mit dem BMW X5 das erste Plug-in-Hybrid-Premiummodell in Südamerika.
Kategorie | 2024 | Veränderung 2024/2023 | Marktanteil 2024 |
---|---|---|---|
PHEV 1) | 64.009 | 93,7 | 36,1 |
BEV 2) | 61.615 | 219,1 | 34,8 |
HEV Flex 3) | 20.277 | 24,0 6) | 11,4 |
MHEV 4) | 16.185 | 24,0 6) | 9,1 |
HEV 5) | 15.271 | 24,0 6) | 8,6 |
Insgesamt | 177.357 | 88,8 | 100,0 |