Trotz hoher Preise und Zinsen boomt die Nachfrage nach Kfz. Davon profitierten 2024 auch importierte E-Autos aus China. Setzt sich das Wachstum 2025 fort?
In Brasilien, dem sechstgrößten Automarkt der Welt, wurden im Jahr 2024 rund 2,64 Millionen Neufahrzeuge verkauft. Das waren 14,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit erzielte das Land das höchste Wachstum unter den zehn größten Kfz-Märkten der Welt. Eine bessere Kreditverfügbarkeit kurbelte den Verkauf an. Gleichzeitig sind die Preise für Neuwagen so hoch wie nie zuvor.
Für das Jahr 2025 prognostiziert der Autohändlerverband Fenabrave einen weiteren Anstieg der Verkäufe von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Absatz von Lkw soll um 4,5 Prozent und der von Bussen um 6 Prozent steigen. Der Herstellerverband Anfavea ist etwas optimistischer bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (+6,6 Prozent), aber etwas weniger zuversichtlich bei Schwerfahrzeugen (+1,3 Prozent). Ein Grund für das insgesamt geringere Wachstum gegenüber 2024 ist das steigende Zinsniveau.
In den vergangenen Jahren erholte sich der Markt schrittweise vom Einbruch in der Coronakrise. Die Neuzulassungen lagen 2024 aber noch 5,5 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Die Kreditfinanzierung wird auch 2025 weiter zulegen. Ein Grund ist die niedrige Arbeitslosigkeit, die das Verbrauchervertrauen stärkt. Zudem gehen die Fälle von Zahlungsunfähigkeit zurück. Ende Oktober 2023 verabschiedete die Regierung einen neuen Rechtsrahmen für Kreditgarantien. Dadurch sinkt das Ausfallrisiko. Folglich erweitern Banken die Kreditvergabe und bieten bessere Bedingungen zur Finanzierung von Kfz an.
Geländewagen dominieren
SUV sind seit 2020 die beliebteste Fahrzeugklasse und bestimmen auch das Bild im Luxussegment. Erfolgreiche Geschäftsleute aus dem Agribusiness ziehen große Pick-ups den klassischen Luxusmodellen vor. Im Jahr 2024 kamen Geländewagen auf einen Marktanteil von 48 Prozent, gefolgt von Kombilimousinen mit Schrägheck mit 29 Prozent. Die meistverkauften Autos waren erneut Fiat Strada, vor VW Polo, GM Onix und Hyundai HB20.
Auf die traditionelle Luxusklasse entfallen in Brasilien weniger als 2 Prozent der Neuzulassungen. Zum sechsten Jahr in Folge war BMW 2024 Marktführer – mit deutlichem Abstand vor Volvo, Mercedes-Benz, Audi und Porsche.
Die Neuzulassungen von Lkw entfielen 2024 zu 26 Prozent auf Volkswagen Caminhões e Ônibus, gefolgt von Mercedes-Benz do Brasil (24 Prozent), Volvo (19 Prozent) und Scania (16 Prozent). Bei Bussen beherrscht Mercedes-Benz mit einem Anteil von 49 Prozent den Markt.
Der Motorradmarkt boomt ungebrochen. Für 2024 registrierte Fenabrave einen Zuwachs um 18,6 Prozent auf knapp 1,9 Millionen Neuzulassungen. Honda ist klarer Marktführer mit einem Anteil von 69 Prozent, vor Yamaha mit 18 Prozent.
Volkswagen baut seinen Marktanteil in Brasilien ausNeuzulassungen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen nach Herstellern (Stückzahl; Marktanteil und Veränderung in Prozent)Hersteller | Absatz 2024 | Veränderung 2024/2023 | Marktanteil 2024 |
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Fiat | 521.282 | 9,6 | 21,0 |
Volkswagen | 400.414 | 16,1 | 16,1 |
General Motors | 314.956 | -4,0 | 12,7 |
Hyundai | 206.029 | 10,6 | 8,3 |
Toyota | 203.793 | 6,0 | 8,2 |
Renault | 139.288 | 10,3 | 5,6 |
Jeep | 121.287 | -4,5 | 4,9 |
Quelle: Fenabrave 2025
Chinesische Marken treiben Kfz-Import hoch
Chinesische Autos sind in Brasilien auf dem Vormarsch. Im Dezember 2024 stieg BYD zum achtgrößten Anbieter auf. Auch Great Wall Motors (GWM), JAC Motors und Chery bauen ihre Präsenz aus. Im Jahr 2024 verdreifachte China den Kfz-Absatz in Brasilien und etablierte sich als zweitwichtigstes Lieferland nach Argentinien. Der gesamte Kfz-Import legte um 141 Prozent zu und erreichte ein Rekordniveau von 104.729 Fahrzeugen.
Im Laufe des Jahres lagerten chinesische Importwagen in großer Zahl an den brasilianischen Häfen. Insbesondere BYD führte Autos vorzeitig ein, um Vergünstigungen für E-Autos und Hybrid-Kfz bei der Importsteuer zu nutzen, die Brasilien bis 2026 schrittweise aufhebt.
Dennoch erwartet der Verband der Kfz-Importeure Abeifa 2025 ein erneutes Wachstum der Importe um 5 Prozent. Schließlich kündigten Leapmotor, GAC und nach mehreren Verzögerungen Omoda & Jaecoo ihren Markteintritt für 2025 an. Auch die BYD-Marken YangWang, Denza und Bao sowie Tank von GWM kommen nach Brasilien.
Digital liegt im Trend
Zugutekommt den Chinesen auch die Affinität der Brasilianer für Digitales. Vernetzte Mobilität ist gefragt. Über die Plattform OnStar sind etwa 650.000 Fahrzeuge vernetzt, so Marktführer Chevrolet. Die wichtigsten Trends sind Internetzugang per integriertem WLAN, Sicherheitstechnologien, Fahrzeugdiagnosefunktionen und Notfallsysteme. Der Zugang zu verlässlichen Daten dürfte den Versicherungsmarkt beleben. Bislang sind nur 30 Prozent der Kfz versichert.
Im Bergbau und in der Landwirtschaft werden erste autonome Nutzfahrzeuge eingesetzt. Den Straßenverkehr in Brasilien dürfte autonomes Fahren jedoch erst in ferner Zukunft erreichen.
Gebrauchtwagen boomen
Das Jahr 2024 war ein Rekordjahr für den Gebrauchtwagenmarkt. Rund 15,8 Millionen gebrauchte Pkw und leichte Nfz wechselten den Besitzer. Hohe Neufahrzeugpreise und der steuerlich begünstigte Direktverkauf stimulieren den Markt. Fahrzeuge verlieren in Brasilien deutlich langsamer an Wert als in entwickelten Märkten. Marktkenner erwarten daher, dass sich komplexe E-Autos oder Hybride wegen der hohen Reparaturkosten nicht am Markt durchsetzen können.
Der gesamte Kfz-Bestand stieg 2023 um 0,5 Prozent auf 47,1 Millionen Fahrzeuge, davon waren lediglich 14,3 Prozent Importwagen, meldet der Verband der Kfz-Zulieferer Sindipeças. Das durchschnittliche Fahrzeugalter nimmt seit 2014 stetig zu und liegt nun bei fast elf Jahren.
Neue Mobilitätslösungen verändern den Markt
In den Metropolen leisten sich immer weniger Haushalte ein eigenes Auto. Für den Fahrdienstvermittler Uber ist Brasilien der zweitgrößte Markt weltweit, nach den USA. Uber konkurriert mit der App 99 des chinesischen Anbieters Didi um die wachsende Nachfrage. Bei Langstrecken steht seit Ende 2021 das deutsche Start-up FlixBus im Wettbewerb mit den lokalen Plattformen Buser, WeMobi, ClickBus, Quero Passagem und Buson.
Der Traum vom eigenen Auto lebt
Auch wenn neue Mobilitätslösungen aufkommen, entscheiden sich in Brasilien nach wie vor viele Menschen für den Kauf eines Autos, sobald es ihr Einkommen erlaubt. In der Gesellschaft gilt das Auto als Statussymbol. Zudem stellt es gerade für Familien aus einfachen Verhältnissen einen Vermögenswert dar. Bei der Kaufentscheidung wird somit der voraussichtliche Wiederverkaufswert ins Kalkül einbezogen.
Die Studie "Mobility Lens Suite" der Unternehmensberatung EY aus dem Jahr 2023 bestätigt diese Tendenz. Demnach planten in Brasilien 70 Prozent der Bevölkerung einen Autokauf, im weltweiten Durchschnitt waren es nur 44 Prozent. Auch geteilte Mobilität und Motorräder kommen in dem lateinamerikanischen Land deutlich besser an als im Durchschnitt.
Die neuen Geschäftsmodelle stärken den Kfz-Verleih. Die Zahl der Mietautos stieg 2024 auf 1,65 Millionen. Localiza, Unidas, Movida und kleinere der über 15.000 Autovermietungen verhandeln Preisabschläge und erwerben Kfz direkt von den Herstellern. Das lohnt sich, zumal beim Direktkauf Steuervorteile bestehen. Rund die Hälfte des Kfz-Vertriebs in Brasilien erfolgt über den Direktverkauf. Zudem kommen nun Abo-Modelle auf. Der Kfz-Verleih abonniert bereits 10 Prozent seines Fuhrparks.
Von Gloria Rose
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São Paulo