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Tiefbau: Marktchancen für deutsche Unternehmen
Die Digitalisierung und der zunehmende Wechsel zu privaten Betreiberkonzernen verändern den Tiefbau und eröffnen Chancen.
03.06.2024
Von Gloria Rose | São Paulo
Paradigmenwechsel für langfristige Effizienz
Das Konzessionierungsprogramm PPI revolutioniert den Tiefbau in Brasilien. An die Stelle staatlicher Bauaufträge treten professionelle Betreiberunternehmen, die ihre Effizienz langfristig maximieren. Schließlich unterliegt das Kapital der Konzessionäre strengen Kontrollen. Investitionen müssen sich lohnen. Qualitätsaspekte gewinnen dadurch immens an Bedeutung. "Dieser Paradigmenwechsel eröffnet Perspektiven für deutsche Produkte und Dienstleistungen", bemerkt Detlef Dralle, Geschäftsführer von HTB. Schließlich zeichnen sich deutsche Hersteller in der Regel durch hochwertige, innovative und daher auch teurere Technologien aus, die sich erst bei langfristiger Effizienz rechnen.
Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil), der seit mehr als einem halben Jahrhundert Planungs- und Bauleistungen in Brasilien erbringt und heute zur deutschen Gruppe Zech gehört, profitierte von diesem Wandel. HTB führte für Fraport den Umbau des Flughafens in Porto Alegre durch. Im Hochbau rechnet HTB mit Aufträgen aus dem Gesundheitssektor und aus der Industrie. Im Tiefbau bestehen Aussichten auf neue Projekte in der Wasser- und Abfallwirtschaft, beim Ausbau der Hafen- und Energieinfrastruktur sowie beim Bau von Rechenzentren. Im Flughafenbau sind ab 2025 keine neuen Aufträge zu erwarten, da keine neuen Konzessionen anstehen. Im Straßen- und Schienenbau ist HTB bislang nicht aktiv.
Chancen durch Digitalisierung
Die brasilianische Bauwirtschaft hinkt bei der Nutzung digitaler Technologien noch weit hinterher. Allerdings nutzt laut Umfragen der Bauwirtschaftskammer CBIC die Mehrheit der Bauträger, Bauunternehmen und Planungsbüros bereits Building Information Modeling (BIM). Mit der neuen Strategie BIM-BR will die Regierung den breiten Einsatz fördern. Mit der zunehmenden Nutzung von BIM und neuen Technologien dürften die Akteure Geschäfts- und Projektabläufe anpassen, wodurch sich neue Geschäftschancen ergeben.
Entwicklungsschub für Schienenverkehr und Wasserwirtschaft
Keiner der in Brasilien ansässigen Baukonzerne verfügt über umfassende praktische Erfahrungen im Schienenbau. Beratungsdienstleistungen sowie moderne Technologien aus Deutschland könnten dabei helfen, den Güterverkehr im Land zukünftig effizienter zu gestalten. Trotz Verbesserungen und einem steigenden Transportvolumen ist der Schienentransport nach wie vor nur unzureichend ausgebaut. Problemfelder sind beispielsweise die schlecht ausgebaute Signalsteuerung sowie unzureichende Sicherheitsvorkehrungen.
Die Deutsche Bahn will die Chancen wahrnehmen. Anfang 2023 unterzeichnete DB Engineering & Consulting eine Absichtserklärung mit GPM (Grão-Pará-Maranhão) und dem brasilianischen Consultingunternehmen Sysfer. DB E.C.O. erwägt, sich an dem Bau der Schienenstrecke im Bundesstaat Maranhão zu beteiligen.
Gute Chancen bietet auch die Wasserwirtschaft. Die Möglichkeit, größere Pakete an Konzessionsprojekten in den Bereichen Wasser/Abwasser/Abfall zu schnüren, werden die Investitionen in den kommenden Jahren ankurbeln. Entsprechend vielversprechend sind die Aussichten für Umwelttechnik.