Special | Brasilien | Seidenstraße
China will seinen Einfluss in Brasilien weiter ausbauen
China plant, die bilateralen Beziehungen zu Brasilien unter Präsident Lula auszubauen. Dabei ist die Volksrepublik bereits der mit Abstand wichtigste Außenhandelspartner. (Stand: 27.12.2022)
27.12.2022
Von Gloria Rose | São Paulo
Nur eine Woche nach seiner eigenen Bestätigung im Amt als Staatsoberhaupt Chinas gratulierte Xi Jinping Lula zu seinem Wahlerfolg in Brasilien. Auf chinesischen Nachrichtenkanälen spekulieren Analysten auf eine Intensivierung der Süd-Süd-Kooperation: Mit Lula als neuem Präsidenten beständen Chancen darauf, dass Brasilien als Partner in die (Konnektivitäts-)Initiative "Neue Seidenstraße" einsteige. Argentinien hatte im Februar 2022 bereits den Beitritt zur Belt-and-Road-Initiative (BRI) angekündigt.
Strategische Partner auf dem Weg zum Freihandelsabkommen?
Luiz Inácio Lula da Silva will das Image Brasiliens und die internationalen Beziehungen nach allen Seiten verbessern. Zwar betonte er in seiner ersten Ansprache den Wunsch, die Beziehungen zu den USA und Europa zu beleben, ohne China zu erwähnen. Doch gehört die Volksrepublik ebenso wie Argentinien und die USA zu den ersten Zielen, denen Lula nach seinem Amtsantritt am 1. Januar 2023 einen Besuch abstatten will.
Außerhalb der Zollunion Mercosur verfolgt Brasilien mit keinem anderen Land eine so eng abgestimmte Außenpolitik wie mit China. Auf dem 6. Ministertreffen der brasilianisch-chinesischen Kommission COSBAN im Mai 2022 wurden neue Fünf- und Zehnjahrespläne verabschiedet. Darin vorgesehen ist der Abbau verschiedener Handelshemmnisse. Auch ein Freihandelsabkommen ist im Gespräch. Dabei preschte der kleine Mercosur-Staat Uruguay bereits vor und kündigte im Juli 2022 an, bilaterale Verhandlungen mit China aufzunehmen.
In der Coronapandemie haben sich die Handelsbeziehungen zwischen Brasilien und China weiter intensiviert. Brasilien befindet sich in einer deutlich größeren Abhängigkeit. Fast ein Drittel der brasilianischen Exporte geht nach China und mehr als 20 Prozent der Importe stammen von dort. Zudem konnte die asiatische Großmacht mit der Lieferung von Masken und Impfdosen punkten, auch wenn Brasiliens aktueller Präsident Jair Bolsonaro dies nie öffentlich anerkannte.
Brasilien als wichtiges Investitionsziel chinesischer Unternehmen
Unter Bolsonaro herrschte ein chinafeindlicher Ton. Pläne zur Einrichtung eines 20 Milliarden US-Dollar (US$) schweren Fonds für neue Produktionskapazitäten wurden auf Eis gelegt. Dennoch fokussieren sich chinesische Unternehmen zunehmend auf Brasilien, wie der jüngste BRI-Report von Germany Trade & Invest zeigt. Im Jahr 2021 verdreifachten sich die chinesischen Investitionen in Brasilien und erreichten wieder das Vorkrisenniveau von 5,9 Milliarden US$.
Hauptgrund für den drastischen Anstieg sind die kapitalintensiven Beteiligungen der chinesischen Erdölkonzerne China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) und China National Oil and Gas Exploration and Development Company (CNODC) an den Explorationsrechten im Bohrfeld Búzios. Laut dem China Global Investment Tracker war Brasilien 2021 das wichtigste Investitionsziel für China. Dies betont die Jahresstudie des Chinesisch-Brasilianischen Unternehmerrates CEBC.
Fokus liegt auf Energie, doch das Spektrum wird breiter
In keinen anderen Wirtschaftsbereich Brasiliens investieren chinesische Unternehmen so intensiv wie in den Stromsektor. China General Nuclear Power Group (CGN Energy International) trat erst 2019 in den brasilianischen Markt ein. CGN übernahm Atlantic Energias Renováveis der britischen Betreibergesellschaft Actis und kurz darauf große Wind- und Solarprojekte des italienischen Konzerns Enel. Mittlerweile verfügt CGN in Brasilien über Aktiva im Wert von etwa 930 Millionen US$ und eine installierte Leistung von insgesamt 1,1 Gigawatt. Bis 2024 plant das Unternehmen weitere 2 Milliarden US$ zu investieren und die Gesamtleistung auf 3 Gigawatt zu erweitern.
Darüber hinaus gehören auch die staatlichen Großkonzerne China Three Gorges (CTG), State Grid Corporation of China (SGCC) und State Power Investment Corporation (SPIC) zu den großen Investoren im brasilianischen Stromsektor. Zunehmend engagieren sich auch die großen Baukonzerne PowerChina und China Energy Engineering Group (CEEC), und mit BYD, Goldwind und Sinoma Blades stoßen immer mehr Technologieanbieter nach Brasilien vor.
Wirtschaftsbereich | Anteil am Investitionsvolumen 2007-2021 (in %) | Anteil an der Gesamtzahl der Investitionsprojekte 2007-2021 (in %) |
---|---|---|
Stromsektor | 45,5 | 33,7 |
Öl & Gas | 30,9 | 6,4 |
Bergbau | 6,3 | k.A.* |
Verarbeitende Industrie | 5,5 | 25,2 |
Infrastrukturbau | 4,5 | 3,5 |
Land-, Vieh- und Forstwirtschaft | 3,3 | 6,4 |
Finanzdienstleistungen | 2,0 | 5,9 |
IT | k.A.* | 10,9 |
Andere | 2 | 7,9 |
Ein besonderes Augenmerk wirft China auch auf die Hafeninfrastruktur, die für den Abtransport von Rohstoffen erforderlich ist. Das Großprojekt eines Hafens in São Luís (Maranhão) scheint jedoch nicht zustande zu kommen. Dafür sicherte sich der chinesische Konzern Cofco erst im März 2022 die Konzession für ein weiteres Terminal im Hafen Santos.
Immer attraktiver sind zudem die Investitionen in das belebte Startup-Ökosystem. Bei der Erweiterung der digitalen Seidenstraße in Brasilien spielt der Technologiekonzern Huawei eine zentrale Rolle.
Für großes Aufsehen sorgte im Sommer 2021 die Übernahme des Mercedes-Benz-Werks in Iracemápolis (São Paulo) durch Great Wall Motors. Aber auch CAOA Chery und BYD beleben das Angebot chinesischer Kfz auf dem brasilianischen Markt. Mit dem Aufkommen des Elektroantriebs können chinesische Hersteller Marktanteile gewinnen.
Deutsche Zulieferer sind willkommen
Ein koordiniertes Zusammenspiel unter chinesischen Unternehmen lässt sich bislang nicht erkennen. Schließlich müssen diese im lokalen Wettbewerb bestehen. Im März 2022 vergab SPIC Brasil den Großauftrag zur Modernisierung des Wasserkraftwerkes São Simão an den US-Konzern GE Power und nicht etwa an PowerChina oder CEEC. Auch nach großen Übernahmen im Stromsektor wie Atlantic durch CGN oder CPFL durch State Grid nahm die Zulieferung chinesischer Ausrüstung nicht erkennbar zu.
Im Kfz-Sektor wird dies noch deutlicher. CAOA produziert in Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Chery, ist aber weitgehend autonom, um sich an lokale Bedingungen anzupassen. Der Anteil nationaler Wertschöpfung soll auf über 40 Prozent steigen. Im September 2022 zeichnete CAOA die besten Zulieferunternehmen aus, darunter auch drei deutsche: Mahle, Dürr und Isringhausen. Auch Great Wall Motors erweitert den Lieferantenkreis und strebt bis 2026 einen Anteil nationaler Wertschöpfung von über 50 Prozent an.