Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Brasilien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)
Kurzbeschreibung: Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.
Gesetzliche Grundlagen
Brasilien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat acht von zehn Kernübereinkommen ratifiziert. Dazu gehört das hier relevante Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155). Das Übereinkommen über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (ILO-Übereinkommen Nr. 187) hat Brasilien nicht ratifiziert. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sind in Brasilien in der Verfassung (Constituição da República Federativa do Brasil de 1988; CF/88) verankert. Die brasilianische Verfassung legt eine Reihe von Arbeitsrechten zu diesem Thema fest, unter anderem: Entlohnung für ungesunde oder gefährliche Tätigkeiten, Versicherung gegen Arbeitsunfälle, die vom Arbeitgeber getragen wird, einschließlich der obligatorischen Entschädigung im Falle von Missbrauch oder Schuld, Verbot von Nachtarbeit, gefährlicher oder ungesunder Arbeit für Minderjährige unter achtzehn Jahren.
Neben diesen Aspekten bestimmt die brasilianische Verfassung, dass die Arbeitnehmer das Recht auf eine "Verringerung der mit der Arbeit verbundenen Risiken" haben (Art. 7 XXII CF/88), was durch zahlreiche Gesetze und Regulierungsnormen (Normas Regulamentadoras; NRs) über Gesundheit, Hygiene und Sicherheit rechtlich garantiert wird. Zu den wichtigsten Rechtsinstrumenten gehört das Gesetzesdekret Nr. 5.452 vom 1. Mai 1943, das als Consolidação das Leis do Trabalho (CLT) bekannt ist. Es handelt sich um eine Sammlung von Arbeitsnormen, die unter anderen das Thema Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz regeln.
Nach der CLT sind alle Unternehmen verpflichtet, die Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz einzuhalten und durchzusetzen sowie ihre Mitarbeiter über die zu treffenden Vorkehrungen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu unterrichten. Darüber hinaus müssen sie die von der zuständigen regionalen Stelle (Delegacia Regional do Trabalho; DRT) festgelegten Maßnahmen ergreifen und die Durchführung von Inspektionen durch die zuständige Behörde erleichtern. DRT hat die besondere Befugnis, die Einhaltung der Normen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu kontrollieren, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und bei Nichteinhaltung dieser Normen angemessene Sanktionen zu verhängen. Durch eine vom Arbeitsministerium (Ministério do Trabalho) genehmigte Vereinbarung können diese Befugnisse jedoch an andere föderale, landesweite oder kommunale Einrichtungen delegiert werden.
Im Allgemeinen ist das Arbeitsministerium befugt, spezifische Maßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes auf nationaler Ebene zu regeln und umzusetzen. Diese Gesetzgebungskompetenz wird größtenteils vom Ministerium ausgeübt, das die NR erlässt, welche in der Verordnung Nr. 3214 von 1978 niedergelegt sind. Dabei handelt es sich um eine Reihe von 37 Rechtsinstrumenten, die detaillierte Rechte und Pflichten festlegen, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einzuhalten sind. Es sind Vorschriften, die sich beispielsweise mit Arbeiten im Baugewerbe oder mit der Abfallwirtschaft befassen. Alle NR können auf der Website des Arbeitsministeriums eingesehen werden.
Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, die Normen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz einzuhalten und bei ihrer Anwendung mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten. CLT stuft eine ungerechtfertigte Weigerung, den Anweisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten oder die vom Unternehmen bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung (Equipamentos de Proteção Individual; EPI) zu benutzen, als rechtswidrige Handlung des Arbeitnehmers ein.
Der Rechtsrahmen in Bezug auf die Gesundheit der Arbeitnehmer in Brasilien ist äußerst umfangreich. Es gibt Gesetze, die strenge Pflichten des Arbeitgebers regeln, wenn Arbeitnehmer beispielsweise elektromagnetischen Feldern und gefährlichen Stoffen wie Asbest und Pestiziden ausgesetzt werden. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
In Brasilien belief sich die Anzahl nichttödlicher Arbeitsunfälle pro 100.000 Beschäftigte im Jahr 2022 auf 1.710 und blieb damit auf dem Niveau des Vorjahres. Das ergeben die Daten der Überwachung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, die über die Informationsplattform SmartLab des Arbeitsministeriums Ministério do Trabalho e Emprego (MTE) veröffentlicht werden. Laut SmartLab wurden der brasilianischen Sozialversicherung Instituto Nacional do Seguro Social (INSS) 2022 rund 612.920 Vorfälle gemeldet, darunter 2.538 tödliche Arbeitsunfälle. Die Behörde schätzt, dass weitere 116.000 Fälle nicht gemeldet worden sind. Rund 148.800 Arbeitskräfte erhielten Sozialleistungen infolge von Arbeitsunfällen.
Die Dunkelziffer dürfte allein deswegen sehr hoch sein, weil die informelle Beschäftigung 35 bis 40 Prozent des Arbeitsmarktes ausmacht. Gerade in den fast vier Millionen landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben ist die Informalität üblich. Hier sind zwei Drittel der Arbeitskräfte nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Kleinstbetriebe sind Teil der Lieferkette, wenn sie an große Agrargenossenschaften angeschlossen sind oder landwirtschaftliche Großkonzerne beliefern.
Laut der Informationsplattform SmartLab passierten 2022 die meisten Arbeitsunfälle in Gesundheitseinrichtungen (10 Prozent der Vorfälle), gefolgt von Handel und öffentlicher Verwaltung, Gebäudebau und Straßenfracht. In der verarbeitenden Industrie ergeben sich die meisten Vorfälle in der Nahrungsmittelindustrie, insbesondere der Schlachtung und Fleischverarbeitung, gefolgt von der Zucker-Ethanol-Produktion. Bei durchschnittlich 15 Prozent aller Arbeitsunfälle handelt es sich um die Folgen einer Handhabung von Maschinen. Über 70 Prozent der insgesamt 5.570 Städte und Gemeinden verfügen über Einrichtungen Centros de Referência em Saúde do Trabalhador (Cerest), die Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Lebensqualität der Arbeitnehmer durchführen und koordinieren.
Um mögliche Risiken bei der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Brasiliens zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die Auslandshandelskammern in São Paulo, Rio de Janeiro und Porto Alegre (AHKn) bieten Informationen und Schulungen zum LkSG in portugiesischer Sprache an und unterstützen deutsche Unternehmen bei der Suche nach Partnern für Risikoanalysen und Audits.
Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden.