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Unsortierter Hausmüll belastet Abfallmanagement
In Bulgarien ist die Recyclingquote rückläufig, weil Haushalte Müll meist unsortiert entsorgen. Abfallentsorger hoffen auf Reformen, doch politische Krisen verzögern Fortschritte.
23.07.2024
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Ausblick der Abfallwirtschaft in Bulgarien
- Fördermittel zur Entwicklung der Abfallwirtschaft sind vorhanden.
- Reformstau bremst die Abfallwirtschaft aus.
- Bulgarien hat großes Entwicklungspotenzial für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juli 2024
Markttrends
Bulgarische Städte und Gemeinden müssen ihr Abfallmanagement und die Müllaufbereitung optimieren, fordert die EU. Bulgarien hat dabei einiges Nachzuholen. Auch die Branche wartet auf wichtige Reformen seitens der bulgarischen Regierung. Diese steckt aber seit Jahren in einer politischen Krise.
"Bulgarien bräuchte ein Pfandsystem wie es Rumänien seit Herbst 2023 hat", sagt Petar Pavlov von Ekoinvest, einem lokalen Plastikverarbeiter, um nur eine der Baustellen zu nennen. Doch er hat wenig Hoffnung, dass die im Juni 2024 neu gewählten Regierung derartige Projekte anpackt.
Roadmap für die Abfallbewirtschaftung
Bereits 2021 verabschiedete Bulgarien einen Zukunftsplan für die Abfallwirtschaft. Laut diesem will das Land dafür sorgen, dass Haushalte weniger Abfall erzeugen und will Maßnahmen für eine bessere Recyclingquote ergreifen. Insgesamt muss künftig weniger Müll auf den Deponien landen.
Städte und Gemeinden planen, rund 50 Kompostierungsanlagen und etwa 40 Trennanlagen/Vorbereitungsanlagen für Hausmüll und Biomüll anzuschaffen. Die bulgarische Regierung kündigte an, in den kommenden drei Jahren rund 60 Millionen Euro dafür zu investieren. Das Geld soll in die Infrastruktur der Abfallentsorgung in 90 Städten und Gemeinden fließen. Dabei sollen die Abfallunternehmen die Sammlung und Verwertung von biologisch abbaubaren Abfällen verbessern und Mülldeponien modernisieren. Erste Ausschreibungen hat die Behörde zur Verwaltung der EU-Fördermittel veröffentlicht. Inwiefern kurzfristig weitere kommen oder umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
90 Städte und Gemeinde in Bulgarien | 56 | Ausschreibung | Modernisierung der Sammlung und Behandlung von Biomüll |
Gemeinde Harmanli | 1,5 | Ausschreibung | Rekultivierung der Deponie |
Gemeinde Karzhali | 0,8 | Ausschreibung | Rekultivierung der Deponie |
Gemeinde Petrich | 0,6 | Ausschreibung | Rekultivierung der Deponie |
Bulgaren trennen Hausmüll kaum
Bulgarische Verbraucher trennen ihren Biomüll und andere Reststoffe noch nicht ausreichend. Der Haushaltsmüll landet überwiegend wild durchgemixt in der Tonne. Plastikverpackungen gemischt mit Küchenabfällen, Karton und Glassplitter erschweren es Recyclingunternehmen, wertvolle Stoffe aus den Siedlungsabfällen zu retten und wiederzuverwerten.
"Plastik aus bulgarischen Mülltonnen ist einfach zu dreckig, wir müssen es trennen von anderen Abfallstoffen und das ist sehr aufwendig und kostenintensiv", sagt Petar Pavlov von Ekoinvest. Für das Unternehmen sei es somit günstiger, einfach Plastik aus dem Ausland zu importieren. Plastikmüll aus dem Westen sei einfach besser, weil er schon sortiert und somit sauberer sei.
Ekoinvest stellt daraus Kunststoffgranulat für die Lebensmittelindustrie oder das Baugewerbe her. Dafür verarbeitet das Unternehmen Plastikmüll der hauptsächlich Verpackungen aus hartem Kunststoff (high density polyethylen, HDPE) enthält, etwa wie sie Hersteller von Shampoo, Ketchup oder Medikamenten verwenden.
Deutschland ist noch Top-Exporteur von Plastikmüll
Davon profitieren unter anderem deutsche Exporteure von Plastikmüll. Denn Unternehmen wie Ekoinvest beschaffen sich den Plastikmüll zur Weiterverarbeitung auch aus Deutschland. Im Jahr 2023 importierte Bulgarien 13 Millionen Euro an Plastikmüll. Mit eniem Anteil von 28,6 Prozent ist die Bundesrepublik ist nach Griechenland der zweitgrößte Exporteur von Plastikmüll nach Bulgarien.
Langfristig wird dieser deutsche Absatzmarkt für Plastikmüll jedoch schrumpfen. Bulgariens Recyclingunternehmer hoffen darauf, dass sich der lokale Beschaffungsmarkt für Plastikmüll weiterentwickelt, wie es die EU-Vorgaben verlangen. Doch auch hier wartet die Branche bisher vergebens auf wichtige Reformen.
Laut der Roadmap für die Abfallwirtschaft will das Land bis 2035 die Recyclingquote bei den Siedlungsabfällen auf 65 Prozent heben. Allerdings verzeichnet die EU-Statistik Rückschritte.
Recyclingquote in Bulgarien geht zurück
des Hausmüll recycelte Bulgarien 2021.
Die Recyclingquote der Siedlungsabfälle verringerte sich von 35 Prozent im Jahr 2020 auf 28 Prozent im Jahr 2021, wie aktuelle Eurostat-Daten zeigen. Nach wie vor landet der meiste Müll unsortiert auf den im Land existierenden 130 Deponien. Pro Jahr kippen die Bulgaren von den 445 Kilogramm Hausmüll pro Kopf etwa 260 Kilogramm auf Müllhalden.
Die Europäische Union fordert außerdem ab 2025 eine erweiterte Haftung für Händler und Hersteller von Schuhen und Textilien. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Produkte wiederverwertet werden. Nun sind Kommunen und Städte ab einer Größe von 300.000 Einwohnern verpflichtet, dafür Recycling-Behälter aufzustellen. Inwiefern das rechtzeitig flächendeckend umgesetzt wird, ist noch nicht sicher.
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
In Bulgarien gibt es rund 60 private und kommunale Sortieranlagen, die Siedlungsabfällen behandeln. Diese nehmen auch Abfälle aus benachbarten Gemeinden an. Entweder betreibt die Gemeinde selbst ein eigenes Unternehmen oder schließt Verträge mit einem privaten Unternehmen ab, um den Müll abzuführen, zu sortieren und wiederzuverwerten. Die Gemeinden bezahlen als Abfallerzeuger die regionalen Mülldeponien für die Entsorgung. Separat gesammelte Wertstoffe erhalten die Recyclingbetriebe.
In Bulgarien besitzen folgende Zementunternehmen als einzige Firmen eine Lizenz zur Müllverbrennung. Sie gewinnen mit der Müllverbrennung Energie für die Produktion:
- Zlatna Panega Cement
- Holcim Bulgaria und
- Devnya Cement.
Zu den größten Unternehmen, die Kunststoffabfälle weiterverarbeiten, gehören:
- ITD,
- Ekoinvest
- Integra Plastik
- Megaport
- Vadias und
- Cascada.
Zu den größten Abfallentsorgungsunternehmen gehören:
- Ecobulpack Bulgaria
- Ecopack Bulgaria und
- Bulecopack.
Ausschreibungen zu Beschaffungsaufträgen veröffentlichen die Städte und Gemeinden auf dem Portal für öffentliche Auftragsvergabe. Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).