Chile braucht auf allen Ebenen Maschinen, Technologien und Fachkräfte zur Abfallbehandlung. Doch der Markt ist umkämpft und gegenwärtig vielfach noch im Anfangsstadium.
Ein wichtiger Meilenstein zur Durchsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Ley REP) für die chilenische Abfallwirtschaft ist das im September 2023 in Kraft getretene Dekret 12 für Behälter und Verpackungen. Danach müssen Hersteller und Inverkehrbringer eine gesetzeskonforme und nachhaltige Sammlung und Wiederverwertung gebrauchter Verpackungen nachweisen. Die Recyclingziele für Papier/Kartonagen, Glas, Getränkekartons, Metall und Kunststoff werden jährlich hochgefahren.
Kreislaufwirtschaft wird gesetzlich gefördert
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz Ley REP hat nicht nur direkte Folgen für die chilenische Abfallwirtschaft, sondern auch auf vorgelagerte Prozesse wie eine umweltfreundlichere Verpackungsgestaltung, auf Zertifizierungen, Systeme zur Produktnachverfolgung bis hin zur Ausbildung von Fachpersonal.
Deutsches Know-how gefragt
Daher ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, sich zu positionieren und Netzwerke aufzubauen, zeigt eine Zielmarktanalyse der AHK Chile. Besonders gefragt sind Verfahren zur Herstellung von Mehrwertprodukten aus Abfall – speziell auch aus Deutschland. Nicht grundlos reist unter der Ägide des chilenischen Recyclingverbandes ANIR regelmäßig eine chilenische Unternehmensdelegation zur IFAT nach Deutschland.
Gebraucht werden Maschinen und Anlagen beziehungsweise Technologien und Know-how bei der Abfallsortierung, -aufbereitung und -behandlung. Angefangen bei Deponietechnologie, einschließlich der sachgerechten Schließung von Deponien und der Sanierung von durch sie hervorgerufenen Umweltschäden, über Müllverbrennung bis hin zur weiten Palette der Wiederverwendungs- und Recyclingwirtschaft. Dies gilt speziell in allen Segmenten mit gesetzlich vorgeschriebenen steigenden Recyclingquoten wie Kunststoffen oder Batterien (sofern eine verbesserte Sammlung tatsächlich die ausreichende Materialversorgung sichert), aber etwa auch für die Behandlung organischer Abfälle, bei denen ein solches Gesetz erst in Vorbereitung ist.
Doch ist der Markt hoch kompetitiv. Wichtige Anbieter kommen aus China, Indien, Italien, aber auch aus Österreich wie Komtech. Der Preis ist entscheidend, so Antonia Biggs, ANIR-Geschäftsführerin, aber auch die personelle Unterstützung. Biggs weiß von einer chinesischen Firma, die ihr Personal gleich für mehrere Wochen zur Installation einer Anlage eingeflogen hat. Außerdem punktet ein starker After-Sales-Service zur Wartung und Reparatur.
"Wichtig ist, möglichst auch über Referenzprojekte zu zeigen, dass deutsche Technologie auf die spezifische Situation in Chile angepasst werden kann. Immer noch verkauft sich in Chile oft nur das, was sich schnell rechnet. Langfristige Lösungsansätze sind deutlich erklärungsintensiver",
sagt Cornelia Sonnenberg, Leiterin der AHK Chile.
Nach Auskunft der Recyclingfirma Volta waren für sie beim Kauf einer italienischen Sortiermaschine drei Punkte maßgeblich: Effizienz der Anlage, Liefergeschwindigkeit und Preis. Volta, finanziert durch den lateinamerikanischen Investitionsfonds Southern Cross Group, ist im Begriff, seine Kapazitäten aufzustocken. In Ñuble wird dieses Jahr beispielsweise eine Biogas- und eine Kompostanlage errichtet. Mittelfristig steht eine Automatisierung des Sektors an, denn viele Prozesse werden nach wie vor manuell erledigt – und die Fluktuation des Personals, etwa in der Müllsortierung, ist angesichts der Geruchsentwicklung und der körperlichen Beanspruchung sehr hoch.
Wie viel Müll fällt an
2 bis 3
Prozent
des Hausmülls werden recycelt.
Das chilenische Abfallaufkommen schwankt seit 2015 in etwa unverändert zwischen 18 Millionen und 20 Millionen Tonnen; 2021 waren es laut Umweltministerium rund 19,6 Millionen Tonnen. Davon landen rund 80 Prozent auf einer Abfallhalde oder Deponie. Müllverbrennungsanlagen für Hausmüll beziehungsweise seine thermische Verwertung gibt es nicht. Die Verwertungsquote ungefährlicher Abfälle lag 2021 bei 20,9 Prozent. Deutlich höher ist die Quote bei industriellen Abfällen (je nach Material zwischen 30 bis 40 Prozent). Dagegen werden nur zwei bis drei Prozent der städtischen Haushaltsabfälle wiederverwendet. Hier besteht noch viel Luft nach oben.
Dass die Abfälle bis heute auf Deponien entsorgt werden, hat finanzielle und technologische Gründe: Es ist die billigste und einfachste Variante. Bis heute spielen Kosten eine gewichtige Rolle. Der Annahmepreis der Halden liegt Branchenangaben zufolge umgerechnet zwischen 10 und 15 US-Dollar (US$) pro Tonne. Bei einer Müllverbrennungsanlage schlügen zwischen 80 und 90 US$ zu Buche. "Das ist ein großes Starthindernis", weiß Marc Thiele, leitender Projektmanager bei Waste to Energy Araucanía (WTE Araucanía). Der Druck, Alternativen zur Deponielagerung zu suchen, steigt jedoch. Denn die Aufnahmekapazitäten der Halden schrumpfen rapide und die Transportkosten fallen stärker ins Gewicht. Auch sich verschärfende Umweltauflagen verteuern die Deponielagerung und können sogar zur Schließung nicht mehr zeitgemäßer Anlagen führen. Das ist der Punkt, an dem sich Chile derzeit befindet.
Zusammensetzung des chilenischen Müllaufkommens 2021Kategorie | Aufkommen (in t) | Anteil (in %) |
---|
Ungefährliche industrielle Abfälle | 9.623.290 | 49,0 |
Siedlungsabfälle | 9.062.752 | 46,1 |
Gefahrenmüll | 645.731 | 3,3 |
Klärschlämme | 310.217 | 1,6 |
Gesamt | 19.641.990 | 100 |
Quelle: Octavo Reporte del Estado Medio Ambiente 2023 auf der Webseite des Sistema Nacional de Información Ambiental 2024
Großes Potenzial im Recycling-Sektor
Generell gibt es eine große Diskrepanz zwischen der zum Teil deutlich höheren zur Verwertung verfügbaren Abfallmenge und dem Teil, der tatsächlich recycelt wird. An fehlenden Recycling-Kapazitäten liegt es nicht. Diese sind oft nur zu einem Drittel oder der Hälfte ausgelastet. Gründe, erklärt Biggs von ANIR, sind vor allem logistische Defizite – etwa das Transportproblem, es lohnt sich oft nicht, die gesammelten Güter über Hunderte oder gar Tausende von Kilometern dorthin zu transportieren, wo die Recylingfirmen angesiedelt sind. Darüber hinaus, so Nesko Kuzmicic, Projektleiter von RIGK Chile, gibt es ein großes Defizit an modernen Sortier- und Waschanlagen. Da es keine Müllverbrennungsanlagen gibt und die Deponieverbringung so preiswert ist, fehlt es an finanziellen Investitionsanreizen. Dies gilt speziell für den sehr durchmischten Siedlungsmüll. Tatsächlich fehlt bisher vielfach ein Markt für recycelte Wertstoffe.
Chiles Recyclingwirtschaft ist unausgelastet, baut aber trotzdem ausStand und Entwicklung der Branche im Jahr 2022Kategorie | Verfügbares Müllaufkommen (in t) | Installierte Kapazität (in t) | Verwertete Müllmenge (in t) | Wiederverwertungsquote (in %) |
---|
Aluminium | 53.268 | 49.180 | 10.557 | 19,8 |
Weißblech | 58.213 | 120.000 | 34.556 | 59,4 |
Batterien | 33.404 | 50.677 | 25.180 | 75,4 |
Glas | 451.376 | 278.650 | 148.752 | 33,0 |
Reifen | 178.647 | 96.740 | 23.471 | 13,1 |
PE | 102.751 | 66.735 | 49.689 | 48,4 |
PET | 118.205 | 40.947 | 22.014 | 18,6 |
PP | 97.902 | 48.788 | 18.836 | 19,2 |
Schmier-/Altöl | 134.692 | 134.500 | 81.595 | 60,6 |
Trinkkarton | 25.800 | 22.850 | 647 | 2,5 |
Karton | 856.061 | 470.529 | 409.080 | 47,8 |
Quelle: Asociación de la Industría del Reciclaje (ANIR) 2023
Von Stefanie Schmitt
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Santiago de Chile