Special | Chile | Wasser - Die knappe Ressource
Chile braucht rentable, robuste und innovative Wassertechnik
Chile ist ein Land im Wasserstress. Bedarf an Technologien für besseres Wassermanagement und effizientere Wassernutzung gibt es auf allen Ebenen. Gekauft wird, was sich rechnet.
06.05.2024
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
- Wasserver- und Abwasserentsorgung weitgehend in privater Hand
- Trinkwasserversorgung muss modernisiert werden
- Abwasserentsorgung vor Modernisierungsschub
- Landwirtschaft auf Bewässerung angewiesen
- Industrie und Bergbau mit hohem Eigeninteresse an Wassereffizienz
- Charakteristika des chilenischen Wasserrechts
Wasser ist in vielen Teilen Chiles ein knappes Gut. Etwa drei Viertel des Landes sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Das zeigen Zahlen des Centro de Recursos Hídricos para la Agricultura y la Minería (CRHIAM). Der Klimawandel verschärft die Lage zusätzlich. Zwischen 2030 und 2060 könnte sich die Wasserverfügbarkeit im Norden und im Zentrum des Landes halbieren, schätzt die Dirección Meteorológica de Chile. Der Zugang zu ausreichend Trinkwasser und die Sicherung der notwendigen Bewässerung für die Landwirtschaft gehören damit zu den größten Herausforderungen des Andenstaates.
Allerdings ist Chile – nach internationalen Maßstäben – kein wasserarmes Land. Laut Angaben der Dirección General de Aguas lag die jährliche Verfügbarkeit von Süßwasser 2016 bei 51.281 Kubikmetern pro Kopf. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Der durchschnittliche Niederschlag ist mit 1.525 Millimetern zwei- bis dreimal so hoch wie in Deutschland.
Die Wasserressourcen sind jedoch sehr ungleich verteilt und konzentrieren sich vor allem auf den Süden. Dagegen leiden die dichter besiedelten Regionen im Zentrum unter Hitzesommern und Bränden. Neben dem weiteren Ausbau von Meerwasserentsalzungsanlagen sind gewaltige Großprojekte im Gespräch, um das Wasser vom Süden in den Norden zu transportieren. Zwar sind diese Vorhaben bisher nicht über das "Ideenstadium" hinausgekommen. Sollte jedoch eines in die Tat umgesetzt werden, wäre der Bedarf etwa an Röhren, Ventilen, Pumpen, Messtechnik etc. gigantisch.
Wasserver- und Abwasserentsorgung weitgehend in privater Hand
Chiles Wasserwirtschaft ist fast vollständig privatisiert. Die wichtigsten Player kommen aus Frankreich (Veolia-Tochter Aguas Andinas) und Kanada. Deutsche Investoren gibt es nicht.
In urbanen Gebieten versorgen die landesweit 56 Konzessionäre 99,9 Prozent der Bevölkerung mit Trinkwasser. Das geht aus Zahlen der Aufsichtsbehörde Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS) hervor. Rund 97,5 Prozent der städtischen Abwässer werden gesammelt, und davon 99,98 Prozent in 302 Kläranlagen gereinigt. Aktuell belegt Chile im Environmental Performance Index 2022 der Yale-Universität Platz 38 von 180 Ländern weltweit bei der Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser und Platz 24 bei der Abwasserbehandlung. Zum Vergleich: Deutschland kam in beiden Bereichen auf Platz 8.
Private Unternehmen schreiben Branchenangaben zufolge deutlich kompetitiver und weniger komplex aus als öffentliche Auftraggeber. Im Ergebnis kommen in der Regel lokal bekannte Unternehmen zum Zuge. Die Ausschreibungsanforderungen orientieren sich oft an deren technischen Spezifikationen. Chancen für deutsche Firmen bestehen, sofern sie durch Präsenz vor Ort Beziehungspflege betreiben. Dabei hilft ihnen nicht allein der gute Ruf von "Made in Germany". Sie profitieren auch davon, dass der chilenische Markt für Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung deutlich weiter entwickelt ist als in anderen Ländern der Region.
Ihre Exportchancen in mehr als 20 Ländern
Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.
Mit seinem offenen Markt bietet Chile ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld. Trotz der geringen Größe von knapp 20 Millionen Einwohnern begegnen sich vor Ort die gängigen Anbieter aus Europa, aber auch aus Asien und insbesondere China.
Kategorie | Betrag (in Mio. US$) *) | Anteil (in %) |
---|---|---|
Trinkwasserproduktion | 155,1 | 33 |
Trinkwasserverteilung | 145,8 | 31 |
Abwassersammlung | 107,5 | 23 |
Abwasserbehandlung | 61,4 | 13 |
Gesamt | 469,8 | 100 |
Trinkwasserversorgung muss modernisiert werden
Der Großteil der Wasseraufbereitungsanlagen in Chile wurde von Ende der 1990er bis etwa 2010 errichtet. Dadurch ergibt sich heute ein entsprechender Nachrüstungs- und Erweiterungsbedarf. Auch das Wassernetz müsste modernisiert werden. Aufgrund von Leckagen ging 2022 fast ein Drittel des Wassers verloren.
So gut die Trinkwasserversorgung in den chilenischen Städten geregelt ist, so groß sind die Defizite im ländlichen Raum. Problematisch ist hier vor allem die Finanzierung. Trotzdem sieht die AHK Chile Marktchancen für innovative Lösungen zur dezentralen Wasserversorgung und Abwasserbehandlung beziehungsweise für Technologien zur Wasseraufbereitung.
Abwasserentsorgung vor Modernisierungsschub
Zwar stehen im Abwassersegment derzeit keine neuen Großprojekte auf der Agenda. Chancen bieten sich aber dennoch, denn in den nächsten Jahren müssen viele der vorhandenen Kläranlagen modernisiert oder erweitert werden. Die meisten sind seit 15 bis 20 Jahren in Betrieb. Die großen Wasserversorger verfügen über eigene Ingenieurabteilungen, andere beauftragen entsprechende Dienstleister mit der Planung. Darauf folgt dann eine Ausschreibung für die benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen.
Landwirtschaft auf Bewässerung angewiesen
Chile hat eine starke Land- und Forstwirtschaft. Doch ohne zusätzliche künstliche Bewässerung sind diese Erfolge undenkbar. Tatsächlich entfallen mehr als 70 Prozent des Wasserverbrauchs auf den Sektor. Dabei besteht in puncto Effizienz noch viel Luft nach oben. Dies gilt speziell für die Kleinbauern, während die großen Agrarbetriebe schon heute mit Hightech das Maximum aus jedem Wassertropfen herausholen.
Erfolgreiches Pivot-Bewässerungsprojekt in der Atacama-Wüste
Wie sich selbst in der Atacama mit intelligenter Technologie dem Boden Ackerfrüchte abgewinnen lassen, zeigt die Agrarkooperative Cooprinsem. Sie installierte dort 2022 eine Pivot-Bewässerungsanlage der österreichischen Firma Bauer. Diese kreisrunde Beregnungsanlage deckt 42 Hektar ab. Das nötige Wasser kommt aus einem Tiefbrunnen, der durch Niederschläge aus den Anden gespeist wird. Den Ausschlag für die Investition gaben das Kosten-Nutzen-Verhältnis, die Zuverlässigkeit und die Anpassungsfähigkeit der Anlage an das widrige lokale Klima.
Lesetipp: Der Bedarf an effizienten Bewässerungssystemen nimmt in Chile weiter zu.
Industrie und Bergbau mit hohem Eigeninteresse an Wassereffizienz
Viele Minen befinden sich im wasserarmen Norden Chiles. Die Bergbaukonzerne setzen auf Meerwasserentsalzung. Auch Technologien zum Wassersparen sind gefragt. Eine Herausforderung bleibt die sachgerechte Entsorgung der giftigen Schlacke.
"Gewöhnliche" Industrie- und sonstige Gewerbeabwässer werden über die öffentliche Kanalisation sowie gegebenenfalls direkt bei den Kläranlagenbetreibern entsorgt. Gemäß Dekret MOP Nr. 609/1998 dürfen diese Abwässer weder radioaktiv sein noch ätzende, giftige, infektiöse oder entzündliche Stoffe enthalten. Ende 2022 leiteten laut SiSS 2.895 als industrielle Gewerbebetriebe eingestufte Unternehmen ihre Abwässer auf diese Weise in die Kanalisation ein. Hiervon wurde knapp die Hälfte kontrolliert, 769 erfüllten die Standards. Firmen mit höher belasteten Abwässern müssen selbst in Lösungen investieren. Dienstleistungen für die Behandlung von Industrieabwässern oder Labortests bieten etwa Töchter von Aguas Andinas, wie EcoRiles und Análisis Ambientales (ANAM), an.
Charakteristika des chilenischen Wasserrechts
Bis 2022 stützte sich die Nutzung und Verwaltung des Wassers im Wesentlichen auf drei rechtliche Grundpfeiler:
chilenische Verfassung aus dem Jahr 1980 (Art. 595)
Wassergesetzbuch (Código de Aguas) von 1981
Dekret Nr. 2.603 von 1979
Diese Rechtsdokumente definierten Wasser als "öffentliches Gut in privatem Gebrauch", über das jeder Nutzer Verfügungsrechte erwerben kann. Diese Wasserverfügungsrechte wurden – anders als zuvor – vom Eigentum am dazugehörenden Stück Boden getrennt und dadurch frei handelbar, was unter anderem deren Akkumulation in den Händen von Agrar- oder Bergbaukonzernen ermöglichte.
Seit 2022 werden neue Wasserrechte nur noch für 30 Jahre vergeben (Altrechte bleiben davon unberührt). Überdies muss nachgewiesen werden, dass das Wasser tatsächlich vorhanden ist. Eine Verlängerung ist möglich, wenn spezifische Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Insbesondere räumt die Reform des Wassergesetzbuches dem Gemeinwohl Vorrang vor privatwirtschaftlicher Nutzung ein. Grundlage dieser Bestimmungen ist das Gesetz 21435 von 2022.
Faktisch sind die meisten Wasserrechte jedoch bereits vergeben – und mitunter in größerem Umfang als heute lokal an Wasser zur Verfügung steht. Damit ist der Zugang zu Trinkwasser für viele ärmere Schichten und ländliche Bereiche nicht (mehr) gesichert. Oft haben Anwohner es zudem versäumt, sich ihre Wasserrechte eintragen zu lassen. Entweder aus Gewohnheit oder weil die damit verbundenen administrativen Prozesse als zu komplex oder teuer wahrgenommen wurden. Das Konfliktpotenzial ist offensichtlich.
Bezeichnung | Anmerkungen |
---|---|
Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS) | Aufsichtsbehörde der Wasserwirtschaft, erstellt jährlich einen ausführlichen Bericht |
Dirección General de Aguas (DGA) | Dem Ministerium für Öffentliche Arbeiten (Ministerio de Obras Públicas; MOP) zugeordnete Behörde für Wasser, zuständig für die Veröffentlichung von Normen und Standards im Wasserbereich; erstellt Statistiken. |
Centro de Recursos Hídricos para la Agricultura y la Minería (CRHIAM) | Das Zentrum für Wasserressourcen für Landwirtschaft und Bergbau forscht zu Best Practices im Wassermanagement, mit Schwerpunkt Landwirtschaft und Bergbau. |
Bergbau- und Rohstoffkompetenzzentrum an der AHK Chile | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen mit Interesse an der chilenischen Bergbau- und Rohstoffwirtschaft, Ansprechpartnerin: Iris Wunderlich |
Asociación Chilena de Desalinización (ACADES) | Verband für Meerwasserentsalzung, Informationen zu Meerwasserentsalzungsprojekten |
Asociación Interamericana de Ingeniería Sanitaria y Ambiental (AIDIS Chile) | Interamerikanischer Verband der Abwasserwirtschaft mit chilenischer Sektion |
Asociación Latinoamericana de Desalación y Reúso de Agua (ALADYR) | Interamerikanischer Verband für Meerwasserentsalzung und Wiederverwendung von Wasser |
Fundación Chile (FCh) | Die Stiftung agiert als Schnittstelle zwischen den lokalen Bedürfnissen und effizienten, nachhaltigen und für Chile neuen Technologielösungen, nicht nur im Wasserbereich. |
Comisión Nacional de Riego (CNR) | Staatliche Bewässungskommission, berät und unterstützt Bewässerungsprojekte finanziell |
Büro für Agrarstudien und -strategien, zuständig für die chilenische Landwirtschaftspolitik, Initiativen zum Wassersparen in der Landwirtschaft | |
Instituto de Desarollo Agropecuario (INDAP) | Institut für Agrarentwicklung, fördert Bewässerungsprojekte für Kleinbauern |
Instituto de Investigaciones Agropecuarias (INIA) | Institut für Agrarforschung, fördert Agrarforschung und Technologietransfer |