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Wasserwirtschaft in Lateinamerika auf Modernisierungskurs
Lateinamerika hat enorme Wasserressourcen. Doch ineffiziente Nutzung und der Klimawandel sorgen für Probleme. Viele Länder investieren in deutsche Technologie. (Stand: 04.11.2024)
Von Janosch Siepen | Bogotá
Lateinamerika beherbergt lediglich 8 Prozent der Weltbevölkerung, aber ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Trotzdem machen Trockenheit, veraltete Infrastruktur und Wasserverschwendung der Region zu schaffen. Weil viele Länder ihre Wasserwirtschaft modernisieren, ergeben sich zahlreiche Chancen für deutsche Anbieter in der ganzen Breite des Sektors.
Trockenheit stellt Wasserversorgung vor Herausforderungen
Amazonas und Atacama – Wasserreichtum und -knappheit liegen in Lateinamerika eng beieinander. Dabei stellen der Klimawandel, zunehmende Extremwetterereignisse und der steigende Wasserverbrauch viele Länder der Region vor große Herausforderungen. Hierzu zählt Chile: Rund drei Viertel des Landes sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Doch geht immer noch viel Wasser durch Lecks in Wasserleitungen verloren.
Auch viele Gebiete in Mexiko sind stark von Trockenheit und zunehmendem Wassermangel betroffen. In der Hauptstadt des Landes gingen die Menschen Ende Januar 2024 auf die Straße, um gegen die Trinkwasserknappheit zu protestieren. In den Wochen zuvor hatten die Behörden den Trinkwasserzufluss für Teile der Hauptstadt gedrosselt. Auch in anderen Regionen des Landes kommt es regelmäßig zu Wasserknappheit. Im Regierungsprogramm der seit Oktober 2024 amtierenden Präsidentin Claudia Sheinbaum wird dem Thema Wasser daher ein eigenes Kapitel gewidmet. In besonderem Fokus steht die Landwirtschaft. Ihr Wasserverbrauch soll effizienter werden. Zudem gilt das Ziel, im Jahr 2030 mindestens 70 Prozent des von den Gemeinden und der Industrie verbrauchten Wassers wieder aufzubereiten. Ende 2024 lag die Quote noch bei 49 Prozent (Gemeinden) beziehungsweise 33 Prozent (Industrie).
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Angespannte Situation eröffnet Geschäftschancen
Die zunehmende Wasserknappheit erfordert gewaltige Investitionen. Im Norden Mexikos entstehen neue Wasserleitungen und -speicher. In Brasilien fließen Milliarden in die Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung. Private Betreiber investieren verstärkt in Sensortechnik und innovative Lösungen, um Wasserverluste und -diebstahl zu reduzieren. Auch die Meerwasserentsalzung gewinnt an Bedeutung, allen voran in Chile und Peru, wo Projekte in den Startlöchern stehen.
Land | Projektname | Investitionssumme in Mio. US$ | Projektstand | Betreiber / Investor |
---|---|---|---|---|
Mexiko | Meerwasserentsalzungsanlage Mar de Cortés – Puerto Peñasco (1 Mio. m³/Tag) | 5.500 | Projekt ist Teil des Sonora-Wasserplans 2023-2053 | Konsortium Pierson Capital – IDE Technologies |
Chile | Meerwasserentsalzungsanlage Aguas Marítimas (700.000 m³/Tag) | 5.000 | Bau ab 2026 vorgesehen | Cramsa Infraestructura |
Brasilien | Pernambuco Saneamento (Wasserversorgung für 9,7 Mio. Menschen im Bundesstaat Pernambuco) | 4.800 | Konzession/PPP *) wird im 1. Halbjahr 2025 vergeben | Vergabe erfolgt im 2. Quartal 2025 |
Brasilien | Sanierung des Tietê-Flusses (3. Phase) | 2.000 | Voller Betrieb ab 2027 | Sabesp |
Panama | Wassermanagementsystem für den Panamakanal | 1.600 | Genehmigung vom Obersten Gerichtshof liegt vor, Vereinbarung mit lokalen Gemeinden wird gesucht | Autoridad del Canal de Panamá |
Kolumbien | Klärwerk Canoas | 1.544 | Vergabe und Baubeginn für 2025 vorgesehen | EAAB-ESP |
Brasilien | Ausbau der Wasserversorgung in Sergipe | 1.225 | Konzession vergeben | Deso, Iguá Saneamento |
Panama | Mehrzweckreservoir im Becken des Indio-Flusses | 1.200 | Soziallizenz steht aus, Betrieb ab 2030 | Autoridad del Canal de Panamá |
Argentinien | Unterirdische Wasserleitung von dem Klärwerk Juan Manuel de Rosas in die Metropolregion Buenos Aires | 1.200 | Frühkonzipierung, Finanzierung unklar | Secretaría de Infraestructura y Política Hídrica / AySA |
Chile | Meerwasserentsalzungsanlage Aconcagua (1.000 l/s) | 1.000 | Baufortschritt bei 40 Prozent, Betrieb ab 2025 | Aguas Pacífico / IDE Technologies |
Eine große Herausforderung ist die Trinkwasserversorgung auf dem Land. Hier sind dezentrale Lösungen gefragt. Kolumbien setzt auf Wasseraufbereitungsmodule. Ende 2023 weihte das kolumbianische Wohnungsministerium im Rahmen eines Notfallplans im dünn besiedelten Bundesstaat La Guajira die erste von 100 geplanten Anlagen ein. Abseits davon installierte das Kölner Unternehmen mft in La Guajira Minikläranlagen und Boreal Light aus Berlin liefert drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen.
Chile modernisiert Kläranlagen, Kolumbien setzt verstärkt auf Technologie
Der Stand der Abwasserreinigung in Lateinamerika ist sehr unterschiedlich. Aufgrund des erreichten hohen Standards setzt Chile auf die Modernisierung bestehender Klärwerke anstatt auf neue Großprojekte. Hiervon profitieren auch deutsche Unternehmen. "Die Kunden in Chile achten genau auf Effizienz und Return-on-Investment. Deshalb findet sich für gute deutsche Wertarbeit immer noch eine Nische", sagt Max von Igel, Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei Huber Technology in Bayern.
In Kolumbien steigt der Absatz moderner, effizienter Lösungen. Bei neuen Anlagen setzen die Betreiber unter anderem auf deutsche Technik: große Abwasserpumpen der pfälzischen Firma KSB sowie vollautomatisierte Zentrifugen von Flottweg aus Vilsbiburg. Zwar mangelt es in Kolumbien an neuen Großvorhaben des Staates, doch dürften deutsche Anbieter auch künftig gute Geschäfte machen. Auflagen für die Aufbereitung von Industriewasser, neue Qualitäts- und Effizienzstandards, hohe Energiekosten und ein Trend zu langlebigen Produkten sprechen für "made in Germany".
Privatisierung des Wassermarkts in Brasilien
Auch in Brasilien bieten sich wachsende Chancen. In den vergangenen Jahren hat Lateinamerikas größtes Land den Wassermarkt für private Betreiber geöffnet. Seitdem steigen die Investitionen zweistellig. Gut für Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte: Die privaten Betreiber orientieren sich bei ihren Investitionsentscheidungen deutlich stärker an Effizienz sowie langfristigen Betriebs- und Wartungskosten. Im Juli 2024 hat der Bundesstaat São Paulo die Privatisierung des weltweit größten Wasserversorgers Sabesp abgeschlossen. Sabesp muss das Ziel einer universellen Versorgung umsetzen. Die Investitionen belaufen sich auf rund 14 Milliarden US$ bis 2029.
In Peru bereitet die peruanische Investitionsförderungsagentur ProInversión die Vergabe von Wasserprojekten im Wert von 2,3 Milliarden US$ zwischen 2024 und 2026 vor. Zu den 21 Vorhaben zählen der Ausbau der Trinkwasserversorgung in Lima sowie Klärwerke in Huancayo und Trujillo.
Wasserintensive Landwirtschaft soll effizienter werden
Zunehmende Trockenheit trifft auch die Landwirtschaft, den größten Wasserverbraucher in den meisten Ländern Lateinamerikas. Auch hier fließen Investitionen in moderne Technik. Besonders fortschrittlich sind die großen Landwirte in Brasilien und Chile. Sie setzen auf Präzisionsbewässerung, die Nutzung von Luft- und Satellitenbildern und Monitoringsysteme.
Auch die Regierungen sind tätig. So entstehen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais neue Staudämme zur Bewässerung. Und die peruanische Regierung möchte mit dem Bewässerungssystem im Chancay-Tal die Wasserverluste in der Region verringern und neue landwirtschaftliche Flächen erschließen. In Kolumbien erleichtert das Programm "Incentivo a la capitalización rural" kapitalschwachen Kleinbauern die Finanzierung von Bewässerungsanlagen.
Nachhaltige Wassernutzung spielt größere Rolle in der lateinamerikanischen Industrie
Auch die Industrie in Lateinamerika steigert die Investitionen in moderne Wassertechnik, darunter das Recycling von Grauwasser. Dies gilt besonders für börsennotierte Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategien. So nutzt das brasilianische Unternehmen Tramontina Regenwasser, während die Firma Eldorado auf die Wiederaufbereitung von verwendetem Wasser setzt. Eldorado ist in der Papier- und Zellstoffbranche tätig. Zusammen mit der Zucker-Ethanol-Industrie gehört diese zu den größten industriellen Wasserverbrauchern in Brasilien.
Zudem setzen die Firmen vermehrt auf Meerwasserentsalzung, beispielsweise in Chiles durstigen Kupferminen. "2025 sollen 90 Prozent des Wassers, das in der chilenischen Bergbauindustrie genutzt wird, aus dem Meer kommen oder wiederverwendetes Wasser sein. Ein interessantes Szenario für die deutsche Industrie, die auf diesem Gebiet Technik und Know-how einbringen kann", sagt Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile.