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Digital Health
China setzt auf beschleunigte Digitalisierung, wobei die Fragmentierung von Hard- und Software im Gesundheitswesen abbremst. Der Schutz von Patientendaten steigt.
03.02.2023
Von Corinne Abele | Shanghai
Digitalisierung formt Gesundheitssektor
Die Digitalisierung von Patienten- und Krankenhaus-Management sowie deren Einsatz zur Qualitäts- und Effizienzverbesserungen von Gesundheitsdienstleistungen jenseits der Top-Zentren ist fester Bestandteil des langfristigen Entwicklungsprogramms "Healthy China 2030". Auch im 14. Fünfjahresprogramm für die Medizintechnik 2021 bis 2025 spielt sie eine wichtige Rolle, nachdem bereits im April 2018 das Entwicklungsprogramm "Internet plus Medizin und Gesundheit" vorlag.
Allgemein zählt zu Digital Health die digitale Verbreitung von Gesundheitswissen sowie die Implementierung digitaler Technologien wie Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz (KI) und Big Data im Gesundheitsbereich. Zum Einsatz kommen diese bei Patientenbehandlung, klinischer Forschung, Medikamentenentwicklung, diagnostischer Auswertung von Aufnahmen verschiedener bildgebender Verfahren sowie im Gesundheitsmanagement. Gemäß der Informationsplattform International Comparative Legal Guides (ICLG) dürfte Chinas Digital Health-Markt bis 2030 jährlich um knapp über 30 Prozent wachsen; andere Analysten gehen von 10 bis 20 Prozent aus.
Starkes Wachstum
Der E-Health-Markt (Digital Fitness und Well-Being mit einem Anteil von 58 Prozent eingeschlossen) könnte laut Statista 2023 bereits rund 55 Milliarden US$ erreichen und bis 2027 auf knapp 85 Milliarden US$ steigen. Schon 2022 sollen laut dem zu Reuters gehörenden Marktinformationsanbieter ZAWYA knapp 30 Prozent des weltweiten E-Health-Umsatzes auf China entfallen sein. Je nach Quelle fallen die Zahlen, auch aufgrund abweichender Marktdefinitionen, sehr unterschiedlich aus.
Schon vor Ausbruch der Covid-Pandemie setzte China auf die Verbindung von Off- und Online-Dienstleistungen im Gesundheitssektor. Covid wirkte als Katalysator: Inzwischen gibt es einen soliden rechtlichen Rahmen für Online-Krankenhäuser. Erste Arztkonsultationen können online stattfinden, Medikamentenbestellung ist per App auf dem Handy möglich. Im August 2019 führte die National Healthcare Security Administration (NHSA) das elektronische Krankenversicherungssystem ein, das erstmal auch internetbasierte Gesundheitsdienstleistungen einschloss und deren (teilweise) Abrechnung im Rahmen der Krankenversicherung ermöglichte. Der Zugang kann via WeChat oder Alipay App erfolgen.
Versicherer sowie Krankenhäuser buhlen um die Begleitung ihrer Patienten mit attraktiven privaten Versicherungs- und Behandlungspaketen – von der Geburtshilfe über Vorsorgeuntersuchungen bis hin zur Krebsbehandlung. Ende 2021 gab es Experten zufolge landesweit über 1.900 Internet-Krankenhäuser – fünfmal so viel wie noch Ende 2019. Internet-Krankenhäuser können nur verbunden mit einem Offline-Krankenhaus agieren.
Internetkonzerne dominieren Angebot
Chinas große Internetgiganten wie Alibaba, Tencent, Baidu, aber auch JD.com (Online-Medikamentenverkauf) sind früh in den Markt eingestiegen. So hatte Alibaba Health 2022 über 15.000 medizinische Einrichtungen unter Vertrag, davon allein 400 Klasse III Krankenhäuser in 17 Provinzen, so das China-Briefing vom 7.6.22 von Dezan Shira & Associates. Auch Ping An Good Doctor des großen staatlichen Versicherers Ping An, der als "KI-Riese" gilt, zählt zu den Branchenführern. Ebenfalls zu den führenden Unternehmen gehört die von Tencent unterstützte Plattform WeDoctor.
IT-Infrastruktur bislang fragmentiert
Trotz rasanter E-Health-Entwicklungen hinkt die Digitalisierung des Krankenhausmanagements in der Breite – vor allem auf dem Land – hinterher. Viele Krankenhäuser befinden sich aufgrund der Covid-Pandemie in den roten Zahlen. Eingesetzte Systeme bleiben inkompatibel, was eine stärkere Zusammenführung von Gesundheitsdaten bislang behindert. Andererseits erhalten so auch ausländische Spezialsoftware-Anbieter Zugangsmöglichkeiten vor allem im privaten Krankenhaussektor (was bei stärkerer Zentralisierung schwieriger sein dürfte).
Komplexer Rechtsrahmen zu beachten
Trotz geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Herausforderungen gilt aufgrund schneller Überalterung der Bevölkerung und hohem Bedarf gerade Digital Health als wichtiges Segment für Risikokapital in China. Die Tech-Plattform Tracxn zählte Anfang Januar 2023 knapp 1.800 HealthTech-Startups in China. Zwar wurde in den letzten Jahren der Zugang zu einigen Segmenten von Chinas digitalem Gesundheitsmarkt für ausländische Firmen und Investoren möglich. Gleichzeitig ist der rechtliche Rahmen hochkomplex – derzeit sind um die 20 Gesetze und Vorschriften für digitale Produkte und Dienstleistungen zu beachten (plus spezifische Registrierungs- und Genehmigungsvorschriften für Gesundheitsprodukte und medizinische Geräte allgemein). Grundlegend sind unter anderem das Cybersecurity Law, seit dem 1. Juni 2017 gültig, das Data Security Law, das zum 1. September 2021 in Kraft trat und das seit dem 1. November 2021 gültige Personal Information Protection Law (PIPL).
So gelten gemäß Artikel 28 des PIPL personenbezogene Gesundheitsdaten als "sensitive Daten", deren unrechtmäßige Sammlung, Übertragung und Verarbeitung verhindert werden soll. Die Daten müssen im Land gespeichert werden und Unternehmen, die mit diesen Daten arbeiten, müssen ein den entsprechenden Vorschriften genügendes Sicherheitsmanagementsystem für diese Daten etablieren. In Abhängigkeit der vom Unternehmen verarbeiteten Datensatzgröße unterliegt der Transfer derartiger Daten außer Landes zusätzlich zur Zustimmung des jeweiligen Patienten einer jeweils erforderlichen Sicherheitsprüfung. Grundsätzlich sieht bereits das Cybersecurity-Gesetz einen Genehmigungsvorbehalt für den Transfer personenbezogener und sogenannter "wichtiger" Daten außer Landes einen Genehmigungsvorbehalt vor. Bei Missachtung drohen nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den jeweils im Unternehmen Verantwortlichen hohe Strafzahlungen. Generell sind laut Michael Tan von der Rechtsanwaltskanzlei Taylor Wessing in Shanghai die Risiken für Firmen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.