Special | China | Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz | Umsetzungshilfe Risikoanalyse
Verstoß gegen das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse China unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
15.09.2023
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 8 LkSG)
Kurzbeschreibung: Der angemessene Lohn ist mindestens der nach dem anwendbaren Recht festgelegte Mindestlohn und bemisst sich ansonsten nach dem Recht des Beschäftigtenortes. Die örtlichen Lebenshaltungskosten des Arbeitnehmers und der Familienangehörigen sowie die örtlichen Leistungen der sozialen Sicherheit sind dabei zu berücksichtigen.
Gesetzliche Grundlagen
China ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat das hier relevante Übereinkommen über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen (ILO-Übereinkommen Nr. 26) ratifiziert. Bislang existieren keine internationalen Übereinkommen über existenzsichernde Löhne oder die Berechnung existenzsichernder Löhne. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country. Einen Überblick zu den chinesischen Bestimmungen zum Mindestlohn bietet eine Übersicht der ILO.
China verfügt über einen umfassenden Rechtsrahmen, der die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festlegt. Dazu gehören vor allem das Arbeitsgesetz (中华人民共和国劳动法 chinesische Fassung von 1995) und das Arbeitsvertragsgesetz von 2008 (中华人民国劳动合同法 chinesische Fassung von 2013), die eindeutige Bestimmungen zu Arbeitsverträgen, Arbeitszeiten und Lohnzahlungen, Leistungen und Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten. China hat seit 2004 gemäß Art. 48 und 49 Arbeitsgesetz ein Mindestlohnsystem, die Festsetzung erfolgt auf Provinzebene.
Zum Bruttogrundgehalt kommen vergleichsweise hohe Lohnnebenkosten, vor allem Sozialabgaben. Gesetzliche Grundlage ist das Social Insurance Law (englische Fassung von 2011). Dabei wird nach den fünf Komponenten Kranken-, Arbeitslosen-, Mutterschafts-, Arbeitsunfall- und Rentenversicherung unterschieden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beiträge zur Wohnbaurücklage (Housing Fund) zu entrichten, die in China eine große Bedeutung besitzt. Das Geld können Arbeitnehmer verwenden, um Wohneigentum zu erwerben. Weitere Zuwendungen sind in gehobenen Positionen und Branchen mit Bedarf an Fachpersonal üblich, etwa Zuschüsse zu privaten Kranken- und Lebensversicherungen, variable Boni, Leistungsprämien, Überstundenvergütung, Kinderzulagen oder Verpflegungs- und Fahrtkostenzuschüsse. Immer wichtiger werden zusätzlich Gesellschaftsanteile an dem Unternehmen, insbesondere bei Firmen, bei denen sich eine Börsennotierung abzeichnet. Demgegenüber stehen Beschäftigte im informellen Sektor, die häufig nicht über einen schriftlichen Arbeitsvertrag verfügen und ihre Lohnansprüche nur schwer umsetzen können. Weitere Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Rechtlichen Instrumenten bezüglich existenzsichernder Löhne bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
Der monatliche Mindestlohn ist in den Regionen unterschiedlich und beträgt zwischen 220 bis 402 US-Dollar (US$) im Monat (Stand: Juli 2023). Der Mindestlohn beinhaltet keine Überstundenvergütung, Zulagen oder Sozialleistungen und wird regelmäßig angepasst. In der Praxis stehen Fälle, die unter das Verbot der Vorenthaltung eines angemessenen Lohns fallen, oft in engem Zusammenhang mit subsidiären und informellen Beschäftigungsverhältnissen mit unzureichender Dokumentation des Arbeitsvertrages und der Arbeitszeiten, insbesondere Überstunden. Häufig betreffen ausbleibende Lohnzahlungen nicht das Grundgehalt, sondern Zahlungen in das Sozialversicherungssystem oder zur Wohnbaurücklage. Die Überprüfung und Einhaltung durch Zulieferunternehmen ist, ausgehend vom vielschichtigen chinesischen Sozialversicherungssystem, für Kundenfirmen komplex, denn die Höhe und Aufteilung der Beiträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer variiert nach Regionen erheblich.
Provinz/Stadt | In Renminbi Yuan | In US-Dollar 2) | Zuletzt festgesetzt am |
---|---|---|---|
Shanghai | 2.590 | 402 | 1. Juli 2021 |
Shenzhen | 2.360 | 360 | 1. Juli 2021 |
Beijing | 2.320 | 360 | 1. August 2021 |
Guangdong | 1.620 bis 2.300 | 251 bis 357 | 1. Dezember 2021 |
Jiangsu | 1.840 bis 2.280 | 285 bis 353 | 1. August 2021 |
Zhejiang | 1.840 bis 2.280 | 285 bis 353 | 1. August 2021 |
Tianjin | 2.180 | 316 | 1. Juli 2021 |
Chongqing | 2.000 bis 2.100 | 310 bis 326 | 1. April 2022 |
Sichuan | 1.870 bis 2.100 | 290 bis 326 | 1. April 2022 |
Shandong | 1.700 bis 2.100 | 264 bis 326 | 1. Oktober 2021 |
Fujian | 1.660 bis 2.030 | 257 bis 315 | 1. April 2022 |
Hubei | 1.520 bis 2.010 | 236 bis 312 | 1. September 2021 |
Innere Mongolei | 1.850 bis 1.980 | 287 bis 307 | 1. Dezember 2021 |
Liaoning | 1.420 bis 1.910 | 220 bis 296 | 1. November 2021 |
Xinjiang | 1.540 bis 1.900 | 239 bis 295 | 1. April 2021 |
Was spezifische Branchen betrifft, so kommt es in Chinas Baugewerbe aufgrund der gängigen Praxis komplizierter und undurchsichtiger Beziehungen zu Subunternehmern häufig zu Lohnrückständen. Diese atypischen Beschäftigungsverhältnisse bestehen häufig auch bei Plattformdiensten und Leiharbeitern in Produktionsbetrieben. Eine besondere Benachteiligung kann sich für Wanderarbeiter ergeben, wonach Sozialleistungen in vielen Städten außerhalb ihres ursprünglichen Verwaltungsbezirkes eingeschränkt sind, ausgehend von dem Haushaltsregistrierungssystem (Hukou). Dieses bindet den Zugang von Sozialleistungen zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung und Bildung für Kinder an den Aufenthaltsstatus in der jeweiligen Stadt und verpflichtet den Arbeitgeber zu Zahlungen in das Sozialversicherungssystem. Neben ausbleibenden Lohnrückständen bestehen Vertragsbrüche wie unrechtmäßige Kündigungen, Verlagerungen von Betriebsstätten und Abgruppierungen.
Die Durchsetzung der Gesetze und Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, welche ein angemessenes Gehalt sichern sollen, ist stark abhängig von der Stellung des Angestellten. Für Arbeitnehmer in größeren Städten werden diese als gut und vergleichsweise deutlich höher als für Arbeiter in ländlichen Regionen oder temporären Beschäftigungsverhältnissen eingeschätzt. Vor einem Gerichtsverfahren soll eine Einigung vor einem Schiedsgericht, Local Dispute Arbitration Committee (LDAC), versucht werden zu erzielen.
Weiterführende Informationen zum Thema existenzsichernde Löhne können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Existenzsichernde Löhne eingesehen werden.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die Deutsche Auslandshandelskammer in China (AHK) unterstützt deutsche Unternehmen den Anforderungen des LkSG vor Ort nachkommen zu können. Diese beinhalten den AHK Background Check mit grundlegenden Informationen zu in China registrierten Unternehmen, Website: Market Entry & Expansion (ahk.de). Darüber hinaus bietet die AHK eine Vorlage für einen Verhaltenskodex nach dem Prinzip des Ehrbaren Kaufmanns. Dieses historisch gewachsene Leitbild für ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt und erstreckt sich über das eigene Unternehmen hinaus auf die gesamte Lieferkette.
Amfori BSCI (Business Social Compliance Initiative) bietet ein Protokoll an, welches die wesentlichen Risiken der in dieser Publikation behandelten Risiken umfasst. Der Code of Conduct Guide für das System der BSCI wird neben Englisch unter anderem auf Chinesisch zu Verfügung gestellt. Ausgehend von dem BSCI-Protokoll können Due Dilligence Dienstleister Audits durchführen, dieses Angebot bieten in China zum Beispiel TÜV und QIMA an. Das China Labour Bulletin stellt eine Übersicht zu Risikoeinschätzungen zur Verfügung und kann als Ansprechpartner zum Austausch mit Arbeitnehmerinteressenorganisationen in China dienen.
Für Gewerkschaftseinheiten der einzigen in China zugelassenen Gewerkschaft All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) bestehen grundsätzlich Möglichkeiten mit dem Arbeitgeber Verletzungen von Arbeitsschutzbestimmungen zu thematisieren und bessere Gehaltsbedingungen zu verhandeln. Die Ernennung der Ziele der Gewerkschaftseinheiten und ihrer Vertreter stehen dem Arbeitgeber zu. Deutsche Unternehmen können in Zusammenarbeit mit ihren lokalen Geschäftspartnern grundlegende Kenntnisse von internationalen Rahmenbedingungen und die Verpflichtung der Einhaltung der nationalen Standards wie dem Mindestlohn einbringen und die Umsetzung einfordern. Dies kann die Möglichkeit der Belegschaft zu Lohnverhandlungen beinhalten.
In der Umsetzung können deutsche Unternehmen insbesondere darauf achten, dass chinesische Zulieferer die für die Arbeitnehmer vereinbarten Konditionen einhalten und dies durch Dokumentation mit den Aufsichtsbehörden nachweisen. Ein vergleichsweise häufig auftretender Fall zur Benachteiligung der Arbeitnehmer ist, dass der Arbeitgeber nicht den tatsächlich vereinbarten und ausbezahlten Lohn, sondern nur den gesetzlichen Mindestlohn an die Behörden mitteilt. Dadurch reduzieren sich die für den Arbeitgeber zu entrichtenden Sozialabgaben sowie die Wohnbaurücklage und der Arbeitnehmer erhält im Endeffekt geringere Sozialleistungen.
Bei Uneinigkeiten mit dem Arbeitgeber sind lokale Organisationen zur Streitbelegung, wie die Labor Dispute Arbitration Committees, Ansprechpartner. Diese sind auf unterschiedlichen Ebenen eingerichtet (Bezirken, Städten Provinzen etc.). Zu den Mitgliedern gehören Vertreter der Arbeitsverwaltungsbehörden (lokale Vertretung des Ministeriums of Human Resources and Social Security), Vertreter der Gewerkschaften auf gleicher Verwaltungsebene und Vertreter von Arbeitgebern. Die Vermittlung von arbeitsbedingten Konflikten ist gemäß Labor Dispute Mediation and Arbitration Law kostenlos. Sollten Betreffende mit dem Vermittlungsergebnis unzufrieden sein, können diese eine Klage innerhalb von 15 Tagen nach dem Erhalt des Vermittlungsbescheids bei einem zivilen Gericht einreichen. Der Prozess erfolgt innerhalb der Vorgaben der ACFTU.
Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Existenzsichernde Löhne im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.