Special | China | CO2-Grenzausgleich
CBAM und China: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Der CO2-Grenzausgleichmechanismus der EU ist in China nur wenigen bekannt. Doch seit 1. Oktober 2024 müssen transparent CO2-Daten geliefert werden. Wie soll das gehen?
18.10.2024
Von Corinne Abele | Shanghai
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU ist ein Klimaschutzinstrument, das Importe mit einem CO2-Preis belegt. Ab dem 3. Quartal 2024 müssen Importeure von CBAM-relevanten Produkten in ihren Quartalsberichten erstmals die tatsächlichen CO2-Emissionen ausweisen, die mit der Herstellung der Ware verbunden sind. Doch bislang liefern die wenigsten Hersteller und Zulieferer entsprechende Zahlen. Das gilt auch für China, obwohl das Land die Dekarbonisierung seiner Wirtschaft vorantreibt.
Wie relevant ist CBAM für Importe aus China?
Obwohl China das größte Lieferland Deutschlands ist – 2023 kamen 12 Prozent der Importe von dort – dürften die direkten Auswirkungen von CBAM auf die Importe zunächst gering sein. Denn bisher sind nur sechs Produktsegmente CBAM-relevant: Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Betroffen sind laut UN Comtrade etwa 1,7 Prozent der Gesamtimporte Deutschlands und 2,1 Prozent der Gesamteinfuhr der EU (Stand: 2023).
Der indirekte Einfluss entlang verschiedener Wertschöpfungsketten ist jedoch deutlich größer. Dies wird daran deutlich, dass China in den sechs Produktsegmenten zwar einen Anteil von "nur" rund 10 Prozent an den deutschen Importen erreicht. Hingegen an den EU-Importen liegt der Anteil bei über 40 Prozent. Davon wird ein nicht unerheblicher Teil letztlich in Deutschland verarbeitet.
Lieferungen in die EU stehen unter Druck
Inwieweit die Umsetzung von CBAM zu Handelsumlenkungen führen wird, hängt stark von der Höhe des CO2-Preises in der EU ab. Ab 2026 müssen Importeure einen CO2-Preis für CBAM-pflichtige Waren in Form von Zertifikaten entrichten, deren Preis auf dem CO2-Preis basiert.
Das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) hat das Ziel, durch die Bepreisung von Emissionen klimafreundliche Produktionsprozesse zu fördern und so Emissionen zu reduzieren. Energieintensive Branchen müssen für einen steigenden Anteil ihrer Produktion ETS-Zertifikate erwerben. Die Einführung des CBAMs soll für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen EU-Produzenten und Importeuren sorgen.
Simulationen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) zeigen, wie sich CBAM auf die Lieferungen wichtiger asiatischer Länder in die EU auswirkt. So erwartet die ADB, dass asiatische Exporte in die EU ohne CBAM in unmittelbar vom EU-ETS betroffenen Sektoren steigen dürften, da Produktion durch Substitutionseffekte nach Asien verlagert wird. Demgegenüber sollen die Exporte mit CBAM bei einem CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne CO2 sinken, da die Nachfrage nach Vorleistungen durch den höheren CO2-Preis in die EU gelenkt wird. Insgesamt könnte CBAM also zu einem Rückgang der Exporte aus Asien in die EU führen. China und Indien wären demnach etwa gleich stark betroffen.
Bereitet sich China auf CBAM vor?
China verfolgt eigene CO2-Ziele mit Hilfe von Industriestandards, einer Energiewende "made in China" sowie einem eigenen Emissions Trading Schme (ETS). Darüber hinaus hat es im März 2024 eine "unmittelbar bevorstehende" Einbeziehung der Aluminiumbranche in das nationale ETS angekündigt. Bis Ende 2024 soll laut Umweltministerium das nationale ETS ebenfalls um die Eisen- und Stahlindustrie sowie die Zementbranche erweitert werden. Ursprünglich sollten bis 2025 acht Industriesegmente hinzukommen, unter anderem die petrochemische und chemische Industrie und die Zellstoff- sowie Papierproduktion.
Während einige Beobachter darin eine erste Reaktion Chinas auf CBAM sehen, bleiben andere bezüglich der tatsächlichen Umsetzung zurückhaltend. Neben dem umstrittenen Allokationsmechanismus der CO2-Emissionensberechtigungen (unter anderem: wer bekommt kostenlose Berechtigungen) bleibt eine transparente und konsistente Datenerhebung das größte Problem. Am 4. Februar 2024 veröffentlichte die Regierung daher die Interim Regulations for the Management of Carbon Emissions Trading. Unter anderem sehen sie deutlich höhere Strafen für Falschangaben bei CO2-Emissionen sowie für Betrug durch Drittparteien wie technische und zertifizierende Berater vor.
Echtzeitdaten stehen kaum zur Verfügung
Die jüngsten Maßnahmen Chinas machen deutlich, vor welchen Herausforderungen europäische Einkäufer bei der Umsetzung der CBAM-Anforderungen stehen. Nicht nur für ausländische, sondern auch für kleinere private chinesische Unternehmen ist es kaum möglich, Transparenz über die tatsächlichen CO2-Emissionen der großen Staatsunternehmen zu erhalten, die den Rohstoffsektor und die Schwerindustrie dominieren, so die Erfahrung von TÜV Rheinland in China.
Dabei müssen die knapp 2.300 größten energieintensiven Unternehmen (Key Emission Companies) bereits seit einigen Jahren ihre CO2-Emissionen gegenüber der jeweiligen Provinzregierung berichten. Laut dem chinesischen Umweltministerium sind sie allein für über 40 Prozent der CO2-Emissionen Chinas verantwortlich. CBAM-Experten von TÜV Rheinland in China haben daher die Hoffnung, dass eine Ausweitung des ETS in China auf neue Sektoren mehr Datentransparenz bedingt.
"Allerdings befürchten angesichts marginaler Gewinnspannen zumeist kleinere Firmen durch Offenlegung ihrer Rohstoffquellen Wettbewerbseinbußen gegenüber der Konkurrenz."
Dies gibt Sustainable & Business Development Manager Kun Zhang vom TÜV Rheinland zu bedenken. Und werde der Stahl über einen Stahlmarkt erworben, sei der Stahlhersteller sowieso nicht bekannt.
Mehr Verständnis bei Zulieferern nötig
Noch geht es im Rahmen von CBAM "nur" um die Erhebung tatsächlicher CO2-Emissionswerte. Aber schon in ein paar Jahren, wenn CBAM-Zertifikate gekauft werden müssen, geht es um viel Geld. "Wer soll das dann auditieren?", fragt Moritz Köhler, Geschäftsführer von Melchers Components in China, das Teil der Unternehmensgruppe Melchers ist. Das traditionelle Handelshaus sieht sich als Sourcing-Partner des Mittelstands und überlegt, künftig stärker CBAM-Compliance-Dienstleistungen anzubieten. "Wir sind vor Ort, sprechen die Landessprache und stellen uns auf neue Dienstleistungen ein."
Mit ihrem kompakten Practical Guide zu CBAM möchte die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) dazu beitragen, dass chinesische Lieferanten besser verstehen, welche Daten im Rahmen von CBAM von Lieferanten verlangt werden. Das erläuterte Constanze Wang, Leiterin Government Affairs & Advocacy der AHK China im GTAI-Webinar am 6. Juni 2024. Der Guide liegt in in englischer und chinesischer Sprache vor.