Wirtschaftsausblick | China
Wirtschaft kommt nicht in Gang
Chinesische Konsumenten bleiben sparsam, der Immobiliensektor befindet sich weiter in der Krise. Gleichzeitig wachsen die Überkapazitäten in der Wirtschaft.
12.12.2024
Von Corinne Abele | Shanghai
Top-Thema: Kann China trotz Trump wachsen?
Chinas Wirtschaft ist 2024 nicht rund gelaufen. Im Jahr 2025 dürfte es noch schwieriger werden. Denn zusätzlich zu eigenen bislang ungelösten, strukturellen Problemen droht nach den US-Wahlen 2024 eine Ausweitung des Handels- und Technologiekriegs mit den USA. Gemäß einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Ökonomen nach dem Wahlsieg Donald Trumps im November 2024 könnte eine Erhöhung der US-Importzölle auf Waren aus China auf durchschnittlich 40 Prozent das Land 2025 rund ein Prozent Wirtschaftswachstum kosten. Trump hatte im Vorfeld Zölle in Höhe von 60 Prozent propagiert und nach der Wahl verkündet, einen pauschalen Zollsatz von 10 Prozent zuzüglich zu bestehenden Zöllen auf Waren aus China sowie jeweils 25 Prozent auf Einfuhren aus Mexiko und Kanada einführen zu wollen.
Einerseits hat die Schweizer Bank UBS ihre Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Chinas für das Jahr 2025 bereits von 4,5 Prozent vor den US-Wahlen auf etwa 4,0 Prozent nach den US-Wahlen gekürzt. Andererseits rechnen Analysten aber mit einem kurzfristigen Anstieg der chinesischen Exporte für das Jahresende 2024, um noch Ware vor der angekündigten Zollerhöhung zu verschiffen.
Handelspolitische Maßnahmen erhöhen Risiko für Unternehmen
Exportkontrollen und Sanktionslisten der USA und Chinas schränken die Handlungsmöglichkeiten exportorientierter Unternehmen ein. Außerdem zeichnen sich für deutsche Firmen auch 2025 weitere Gewinneinbußen in China ab, da die Konjunkturschwäche anhält und der Wettbewerb schärfer wird. Deutsche Unternehmen dürften daher 2025 ihre chinabezogenen Risiken neu bewerten. Auch Unternehmen und Regierungen anderer Länder betreiben De-Risking.
Wirtschaftsentwicklung: Mangelnder Konsum und regionale Verschuldung
Chinas Regierung hat in der 2. Jahreshälfte 2024 verschiedene Konjunkturmaßnahmen ergriffen. So hat beispielsweise der subventionierte Ersatz alter Kfz durch neue Elektroautos oder alter Haushaltselektronik das Konsumverhalten nur wenig ankurbeln können. Ein Indikator dafür ist der Einzelhandelsumsatz, der akkumuliert bis Oktober 2024 um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zulegte.
Konsumschwäche sitzt tief
Die Menschen in China konsumieren weiterhin zurückhaltend und sparen. So werden ausstehende Wohnungskredite vorfristig abbezahlt, um einer Überschuldung im weiteren Verlauf der Immobilienkrise zu entgehen. Das Vertrauen, dass die Regierung die Wirtschaft bald wieder ins Laufen bringen wird, ist gesunken. Das Sozial- und Gesundheitssystem befindet sich in China erst in den Kinderschuhen.
Investitionen ohne ausreichende Nachfrage
Die Unternehmen investieren trotz fehlender Nachfragesteigerungen. Die Investitionen der verarbeitenden Industrie stiegen in den ersten zehn Monaten 2024 um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In einigen Bereichen wie Solaranlagen, Elektroautos oder Akkus haben Subventionen zum Entstehen von Überkapazitäten beigetragen. Die industrielle Wertschöpfung legte bis Oktober 2024 bei anhaltend deflationären Preistendenzen um 5,8 Prozent zu.
Zwar sorgten Konjunkturmaßnahmen zum subventionierten Ersatz alter Großanlagen durchaus für Impulse. Sowohl die Herbstumfrage 2024 des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in China als auch die Geschäftsklimaumfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China vom Dezember 2024 ergaben jedoch bis dato keine Anzeichen auf Verbesserung des Geschäftsklimas.
Schuldenkrise in den Regionen noch gefährlicher als Immobilienkrise
Viele Hoffnungen sind mit dem im November 2024 erlassenen 10 Billionen Renminbi Yuan (RMB; rund 1,32 Billionen Euro) schweren Konjunkturprogramm verbunden, das eine Umschuldung und Schuldenreduzierung der Regionalregierungen zum Hauptziel hat. Deren Verschuldung inklusive sogenannter Finanzvehikel (LGFV) schätzen Experten auf rund 80 Prozent des BIP. Einige Experten sehen in der regionalen Verschuldung ein größeres Risiko für die Gesamtwirtschaft als in der Immobilienkrise. Tatsächlich hängen Verschuldung und Immobilienkrise miteinander zusammen, da Landverkäufe bislang eine wichtige Einnahmequelle für Lokalregierungen darstellen.
Deutsche Perspektive: Wieviel China ist notwendig und sinnvoll?
Deutschland dürfte im Jahr 2024 deutlich weniger Autos und Maschinen nach China geliefert haben als im Vorjahr. Insgesamt bezog China in den ersten drei Quartalen 2024 rund 13 Prozent weniger Waren aus Deutschland als im Vorjahreszeitraum. Während die einen darin eine Verringerung der Abhängigkeit vom chinesischen Absatzmarkt sehen, werten andere die Entwicklung als verringerte Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter auf dem chinesischen Markt.
Lokalisierung und Diversifizierung: Zwei Seiten einer Medaille
Diversifizierung und Lokalisierung sind mögliche Antworten auf die steigenden geopolitischen Risiken. Gemäß offizieller Zahlen des chinesischen Wirtschaftsministeriums erreichten im 1. Halbjahr 2024 deutsche realisierte Direktinvestitionen mit 7,3 Milliarden Euro bereits einen höheren Wert als im Gesamtjahr 2023. Gemäß der Rhodium Gruppe waren sie im selben Zeitraum allein für 57 Prozent aller EU-Direktinvestitionen in China verantwortlich. Vor allem deutsche Autobauer versuchen durch Investitionen vor Ort, ihren bislang marginalen Anteil am Elektroautoabsatz in China zu erhöhen.
Ende Oktober 2024 ging die Rhodium Gruppe auch für 2025 von weiteren EU-Investitionen in China aus. Allerdings könnten deutsche Unternehmen nach Abschluss der „derzeitigen Welle defensiver Investitionen“ beim weiteren Ausbau von Kapazitäten in China vorsichtiger sein, so Rhodium. Wer kann, versucht der Fragmentierung von Welthandel und globalen Lieferketten durch jeweilige Präsenz in den wichtigsten sich abzeichnenden Handels- und Wirtschaftsregion zu begegnen. Doch für manch einen deutschen Mittelständler dürfte eine derartige Aufstellung kaum machbar sein.