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China muss sich auf stärkere Konfrontation einstellen
Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl 2024 ist kein Richtungswechsel im Chinakurs der USA. Der geopolitische Konflikt zwischen beiden Supermächten dürfte sich weiter zuspitzen.
14.11.2024
Von Corinne Abele, Robert Herzner, Christina Otte | Shanghai, Hongkong, Bonn
Unter der neuen Präsidentschaft von Donald Trump zeichnet sich keine Verbesserung der bilateralen Beziehungen ab, denn zum geopolitischen und technologischen Konflikt mit China gibt es einen parteiübergreifenden Konsens. Allerdings muss sich die Volksrepublik auf eine strengere US-Handelspolitik unter Trump einstellen, die höhere Zölle und Investitionsbeschränkungen in den USA umfasst. Auch Europa wird betroffen sein. Fallen die USA als Absatzmarkt weg, werden chinesische Exporte in Richtung Europa zunehmen.
China hat sich vorbereitet
China hat sich unabhängig vom Wahlausgang auf die wachsende geopolitische Rivalität eingestellt und wird seine "China first"-Politik vorantreiben. Das Land wird versuchen, sich selbst noch souveräner aufzustellen. Manch ein chinesischer Unternehmer hatte sogar auf einen Sieg Trumps gehofft. Denn seine Unberechenbarkeit bietet auch die Möglichkeit für Angriffspunkte und "Deals". Der vorgesehene Beraterjob von Elon Musk für die US-Regierung könnte ebenfalls im chinesischen Interesse sein. Denn das größte Tesla-Werk steht in Schanghai.
Die als Sprachrohr der Regierung geltende Global Times gab sich kurz nach der Wahl zurückhaltend: "Wir respektieren die Wahl des amerikanischen Volkes und gratulieren Herrn Trump zu seiner Wahl zum Präsidenten der USA.“ Das Außenministerium zitierte Präsident Xi: "Die Geschichte lehrt uns, dass sowohl China als auch die USA von der Zusammenarbeit profitieren und von der Konfrontation verlieren werden."
Es drohen höhere Zölle
Trump hat im Wahlkampf mit Zöllen in Höhe von 60 Prozent pauschal auf alle chinesischen Einfuhren in die USA gedroht. Dies dürfte auch deutsche Unternehmen betreffen, die zum Beispiel in den USA Vorleistungen aus China beziehen. In seiner ersten Amtszeit hat Trump 2018 mit umfangreichen Zöllen auf chinesische Waren einen Handelskrieg angezettelt. Die Nachfolgeregierung unter Biden schaffte die Zölle nicht ab, sondern weitete Importbeschränkungen sogar aus.
Massive Zollerhöhungen treffen laut Ökonomen vor allem amerikanische Verbraucher. Sie dürften daher gezielter oder in geringerem Umfang umgesetzt werden. Um Waren noch vor eventuellen Zöllen auszuliefern, ist auch mit einem Exportboom von China in die USA zu rechnen.
Mehr Decoupling, weniger Allianzen
"China bleibt die größte geopolitische Bedrohung, der die Vereinigten Staaten ausgesetzt sind, vielleicht seit der Amerikanischen Revolution.“
Dies schreibt Robert Lighthizer in seinem Buch "No Trade is Free" aus dem Jahr 2023. Lighthizer, Handelsbeauftragter in Trumps erster Amtszeit, gilt als Architekt des Handelskonflikts und drängt auf eine Entkopplung von China. Er dürfte auch in der neuen Administration eine führende Rolle einnehmen.
Wie Trumps künftige Chinapolitik aussehen könnte, skizziert das Strategiepapier "Project 2025". Die konservative Heritage Foundation hat es für eine zweite Amtszeit Trumps entworfen. Es enthält eine Liste mit Maßnahmen zum Umgang mit China, darunter den Ausschluss chinesischer Firmen von öffentlichen Ausschreibungen und Investitionen in Hochtechnologie in den USA. In der Legislaturperiode Bidens wurden bereits über 700 Gesetzesänderungen im Kongress zum Umgang mit China eingereicht, aber nur im begrenzten Umfang umgesetzt. Das prominenteste Beispiel ist das TikTok-Verbot. Mit einer republikanischen Mehrheit im Kongress könnte Trump weitere Maßnahmen durchbringen.
China-Maßnahmen laut "Project 2025"
Mit "Projekt 2025" veröffentlichte die konservative US-Denkfabrik Heritage Foundation im April 2023 ein Konzept für eine zweite Amtszeit von Trump.
- Strategisches Ausweiten oder Anheben von Zollsätzen auf alle chinesischen Produkte mit dem Ziel “made in China”-Produkte vom US-Markt fernzuhalten. Dabei sollten die USA nicht von existenziellen Waren wie ausgewählten Arzneimitteln abgeschnitten werden.
- Finanzielle und steuerliche Anreize für US-Unternehmen, die ihre Fertigungen aus China zurück in die USA verlagern.
- Aufheben der Geringfügigkeitsschwelle von 800 US-Dollar für chinesische Waren bei der Einfuhr.
- Ausschluss staatlicher chinesischer Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen in den USA.
- Verbot aller chinesischer Social-Media-Apps wie TikTok und WeChat, da sie ein hohes Risiko für die nationale Sicherheit der USA wegen des Abflusses von Daten bergen.
- Verbot chinesischer Investitionen in Hochtechnologie in den USA.
- Verbot für US-Pensionsfonds, in chinesische Aktien zu investieren.
- Systematisches Verringern und dauerhaftes Beseitigen jedweder Abhängigkeit der USA von chinesischen Lieferungen, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen können, wie etwa Medikamente, Halbleiter, Seltene Erden, Hauptplatinen, Flachbildschirme oder militärische Bauteile.
- Reduktion oder Aussetzen der Visa-Vergabe an chinesische Studenten und Forscher, um Informationsgewinnung vorzubeugen.
Trumps erste Amtszeit deutet darauf hin, dass er auf wenige Allianzen setzen wird, deren Fokus im Indopazifik liegt. Sein Umgang mit Taiwan bleibt offen, könnte aber zu erhöhtem militärischen Druck Chinas führen. Die Länder Ostasiens haben während der Biden-Administration ihre Kooperation mit den USA verstärkt und betreiben ihrerseits De-Risking von China.
China stärkster Verlierer der US-Politik
Langfristig wird Trumps Handelspolitik China wirtschaftlich stark schaden. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft schätzt, dass Chinas Exporte um bis zu 10 Prozent sinken könnten. Ökonomen der Schweizer Bank UBS kalkulieren, dass sich das chinesische Wirtschaftswachstum mehr als halbieren könnte. Der Exportkreditversicherer Atradius geht davon aus, dass Chinas Bruttoinlandsprodukt bis 2028 unter Trump um 1,5 Prozent niedriger ausfallen dürfte als unter Harris.
Da Chinas Exporte in die USA aufgrund der Zölle massiv zurückgehen werden, werden auch weniger Vorleistungen aus Deutschland benötigt. Deutsche Exporte nach China könnten um 10 Prozent einbrechen, so das ifo-Institut.
Tatsächlich ist es seit Beginn des Handelskonflikts zwischen China und den USA zu Handelsverschiebungen gekommen. Chinas Anteil an den US-Importen ist von 22 Prozent auf 14 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Im gleichen Zeitraum konnten Mexiko sowie Süd- und Südostasien ihre Anteile deutlich steigern. Diese Länder haben von Handelsverschiebungen profitiert und Investitionen aus China angezogen, um von dort aus in die USA zu liefern.
Deutsche Firmen reagieren mit Diversifizierung
Deutsche Unternehmen müssen diversifizieren, um den Entwicklungen zwischen den USA und China zu begegnen. "Knapp 80 Prozent unserer Mitglieder sagen, dass ihr Geschäft von den Spannungen in der Handelspolitik zwischen den USA und China beeinträchtigt wird. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft braucht offene Märkte, und genau dafür macht sich leider keiner der beiden Kandidaten stark", sagte Maximilian Butek, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Schanghai. Unabhängig davon, wer in den USA die Präsidentschaft innehat, werde der Hegemoniekonflikt zwischen China und den USA weitergehen.
Ein Fact Sheet der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) China gibt Hinweise, was Unternehmen in China beachten müssen, vor allem wenn sie auch in den USA engagiert sind. Stark exportorientierte Firmen werden sich nach weiteren Standbeinen umschauen müssen.