Branche kompakt | Frankreich | Ernährungswirtschaft
Branchenstruktur
Frankreichs Lebensmittelindustrie gehört zu den führenden der Welt. Branchenunternehmen müssen investieren, aber das Geld ist gerade bei kleineren Produzenten knapp.
23.08.2024
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
In Europa ist Frankreich nach Deutschland der bedeutendste Hersteller von Lebensmitteln. Bei den weltweiten Nahrungsmittelexporten lag Frankreich laut UN Comtrade im Jahr 2023 knapp hinter Spanien auf Rang 7. Dank seiner international renommierten Weine und Spirituosen ist Frankreich im Getränkebereich hingegen Exportweltmeister, gefolgt von Italien und Mexiko.
Im nationalen Wirtschaftsgefüge spielt der Sektor eine tragende Rolle. Die nahrungsmittelverarbeitende Industrie (inklusive Getränke) generierte im Jahr 2022 laut Ilec Umsätze in Höhe von 230 Milliarden Euro und trug laut Landwirtschaftsministerium 16 Prozent zur Wertschöpfung der herstellenden Industrie des Landes bei. Damit ist die Nahrungsmittelindustrie noch vor der Automobil- und Beförderungsmittelindustrie wichtigster Industriezweig des Landes. Zudem ist die Nahrungsmittelwirtschaft (inklusive Getränke) einer der wenigen Sektoren, die einen Außenhandelsüberschuss erwirtschaften.
Sparte | 2022 | Veränderung 2022/2021 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Fleisch und Fleischerzeugnisse | 30,1 | 11,0 | 19,4 |
Milch und Milcherzeugnisse | 25,0 | 10,9 | 16,1 |
Wein | 12,4 | 3,8 | 8,0 |
Back- und Teigwaren | 11,0 | 15,6 | 7,1 |
Obst und Gemüse (verarbeitet) | 6,8 | 10,6 | 4,4 |
Getreideprodukte | 6,8 | 22,1 | 4,4 |
Fertiggerichte | 6,6 | 12,2 | 4,3 |
Fischzubereitungen und Fischkonserven | 4,1 | 11,5 | 2,6 |
Die gut 21.000 Branchenunternehmen beschäftigen rund 500.000 Mitarbeiter. Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Branchenlandschaft, sie stellen einen Anteil von 98 Prozent der Gesamtunternehmenszahl. Umsatz- und Exportträger aber sind die verbleibenden 2 Prozent der Großunternehmen wie Danone, Savencia, FDC, Soviaal oder Avril. Diese international aufgestellten Konzerne beschäftigen nicht nur 59 Prozent aller Branchenmitarbeiter, sondern dominieren auch den Export. Mehr als 90 Prozent aller Nahrungsmittelausfuhren gehen auf das Konto der Branchengrößen.
Milchkonzerne haben internationale Reichweite
Wichtigster Lebensmittelproduzent des Landes ist der Milchproduktekonzern Lactalis. Der Inhaber von Marken wie Galbani oder Président erreichte 2023 einen Umsatz von 29,5 Milliarden Euro. Mit diesem Geschäftsergebnis hat sich Lactalis das zweite Jahr in Folge vor den langjährigen nationalen Champion Danone geschoben. Danone kämpft noch mit den Geschäftseinbußen, die dem Rückzug aus dem Russlandgeschäft geschuldet sind.
Gerade im Bereich Milchprodukte ist Frankreich internationale Weltklasse. Lactalis war 2022 laut Rabobank Weltmarktführer im Milchsektor. Mit Danone, Savencia und Sodiaal ist Frankreich noch mit drei weiteren Unternehmen in den Milch-Top-20 der Welt vertreten.
Führender Fleischwarenproduzent des Landes ist LDC. Mit seinen Geflügelprodukten hält der Konzern in Frankreich nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 40 Prozent. Moet Hennessy und Pernod Ricard hingegen dominieren auch im internationalen Vergleich im Champagner- und Spirituosengeschäft. Beide Konzerne aber mussten im Jahr 2023 Umsatzrückgänge hinnehmen, Moet Hennessy von 7 Prozent, Pernod Ricard sogar von 27 Prozent. Insbesondere eine sinkende Nachfrage in China und den USA belastet die Umsätze.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 |
---|---|---|
Lactalis | Milchprodukte | 29,5 |
Danone | Milchprodukte | 27,6 |
Pernod Ricard | Spiritouosen | 12,1
|
Avril | Pflanzliche Öle und Proteine | 7,9 |
Agrial | Obst, Gemüse, Fleisch, Milchprodukte | 7,4 |
Moet Hennessy (Bereich Wein und Spiritouosen) | Champagner, Sekt, Spiritouosen | 6.6 |
Tereos | Zucker | 7,1 |
Savencia | Milchprodukte | 6,8 |
LDC | Geflügelverarbeitung | 6,2 |
Frankreich ist attraktiver Produktionsstandort für ausländische Großkonzerne
Auch internationale Weltkonzerne wie Nestlé, Coca Cola oder Mondelez sind im Land mit eigenen Produktionen vor Ort. Trotz eines nicht immer einfachen wirtschaftlichen Branchenumfelds bleibt der Markt für ausländische Nahrungsmittelkonzerne attraktiv, nicht zuletzt geschuldet der aktiven Investitionsförderpolitik der Regierung Macron. So hat der amerikanische Konzern Mars im Mai 2024 angekündigt, 130 Millionen in seine 8 Produktionsstandorte investieren zu wollen. McCain produziert in Frankreich an drei Standorten und will seinerseits 300 Millionen Euro in die Modernisierung und Ausweitung seiner Produktion von Kartoffelprodukten investieren. Inwieweit diese Ankündigungen nach dem Regierungswechsel vom Juli 2024 umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Hoher Investitionsbedarf, aber Finanzierung bleibt schwierig
Auch französische Branchenunternehmen investieren in einen sich verändernden Markt. Digitalisierung und Automatisierung stehen bei den Investitionsankündigungen im Vordergrund. Investitionen in die effiziente Nutzung von Ressourcen wie Energie und Wasser gewinnen ebenfalls an Gewicht. Die Summen, die eingesetzt werden, sind beträchtlich. Agrial, mit 12.500 Mitarbeitern eine der größten Kooperativen des Landes, hat angekündigt, zwischen 2024 und 2030 eine Milliarde Euro investieren zu wollen. Damit will das Unternehmen seine strategische Geschäftsentwicklung vorantreiben und vor allem Anlagen und Ausstattung modernisieren.
Akteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Agromousquetaire | 500 | Projektankündigung Juni 2024 | Modernisierung von 52 seiner 54 Produktionsstätten |
Agristo (Belgien); Escaudoeuvres | 350 | Projektankündigung September 2023, Produktionsbeginn geplant 2027 | Aufbau Produktion von Kartoffelprodukten |
Mc Cain; Harnes | 300 | Projektankündigung Mai 2024, Fertigstellung erste Phase 2026, Fertigstellung zweite Phase 2027 | Ausbau der bestehenden Produktion von Kartoffelprodukten |
Mars | 130 | Projektankündigung Mai 2024 | Ausbau, Digitalisierung und Beschleunigung der ökologischen Transformation in vier von acht Produktionsstätten in Frankreich |
Danone; Steenvorde | 70 | Inbetriebnahme März 2026 | Aufbau Produktionslinie für medizinische Nahrung |
Kronenbourg / Brasseries du Pays Flamand; Merville | 25 | Projektankündigung Juli 2024, Ausbau bis 2030 | Erweiterung der Produktionskapazitäten von aktuell 70 auf dann 200 Hektoliter Bier |
Kampf gegen den Klimawandel nimmt Formen an
Eine der größten Herausforderungen, vor denen die Branche steht, ist die Eindämmung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Der Ende 2023 mit der Regierung ausgehandelte, aber nicht verpflichtende Routenplan zur Dekarbonisierung sieht vor, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent einzudämmen. Der Umbau der Branche soll durch staatliche Gelder gefördert werden. Der Investitionsbedarf ist immens und liegt Berechnungen des Branchenverbandes ANIA zufolge zwischen 360 Millionen und 650 Millionen Euro pro Jahr.
Danone hat als eines der ersten Branchenunternehmen einen Fahrplan zur Reduktion seiner CO2-Emissionen aufgelegt. Der Konzern plant, den Treibhausgasausstoß bei Produktion und Produkten bis 2030 um 30 Prozent abzusenken. Soodial, ebenfalls ein großer Milchproduktehersteller, hat angekündigt, bis 2030 seine Emissionen um 20 Prozent zu senken. Auch der Speiseölhersteller Avril oder der Fleischwarenproduzent Aoste haben Programme aufgelegt.
Gerade aber die Vielzahl der kleinen und mittleren Unternehmen haben Mühe, anfallende Umstrukturierungen strategisch und finanziell zu stemmen.