Branche kompakt | Ghana | Kfz-Industrie
Automobilbranche hofft auf bessere Rahmenbedingungen
Unternehmen blicken nach einem schwierigen Jahr verhalten optimistisch in die Zukunft. Positive Auswirkungen für Hersteller werden geplante Änderungen im Zollrecht haben.
19.06.2024
Von Corinna Päffgen | Accra
Ausblick der Kfz-Branche in Ghana
Bewertung:
- Der Markt kämpft mit hoher Abhängigkeit von Importen und Gebrauchtwagen sowie mit schleppender Nachfrage für Neuwagen.
- Der Zugang zu Finanzierung und die Finanzierungsbedingungen werden entscheidend für die Nachfrageentwicklung sein.
- Die geplante Einführung höherer Einfuhrabgaben für Pkw und Nutzfahrzeuge könnte die Nachfrage nach lokal gefertigten Fahrzeugen ankurbeln.
Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juni 2024
Markttrends
Die Aussichten für das laufende Jahr 2024 sind wieder besser. So erwartet Volkswagen eine Steigerung der Produktion um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, von 800 im Jahr 2023 auf etwa 1.200 Einheiten 2024.
Importierte Gebrauchtwagen dominieren den Automarkt in Ghana. Nach Schätzungen von Branchenkennern sind 90 Prozent der verkauften Fahrzeuge importiert, der Anteil von Gebrauchtwagen liegt bei rund 70 Prozent. Erst etwa 10 Prozent der verkauften Fahrzeuge werden lokal gefertigt.
Nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2022 brachen die Importe von Pkw und Nutzfahrzeugen 2023 um 22 Prozent erneut ein. Nach Angaben der Automobile Assemblers Association of Ghana (AAAG) verringerte sich im Jahr 2023 ebenfalls die Anzahl der lokal gefertigten Fahrzeuge um etwa 4.000 Einheiten.
Seit dem Jahr 2020 produzieren sechs Unternehmen in Ghana in eigenen Montagewerken: Volkswagen, Toyota, Rana Motors, Sinotruck, Japan Motors und Kantanka. Dafür sind insgesamt 54 Millionen US$ an Investitionen geflossen. Kantanka betreibt als einzige ghanaische Firma ein Montagewerk.
Nachfrage leidet unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
Die Gesamtkapazitäten der Montagewerke der OEMs (Original Equipment Manufacturer) belaufen sich auf rund 140.000 Fahrzeuge pro Jahr. Derzeit werden aufgrund der schwachen Nachfrage nur etwa 5.000 bis 8.000 produziert, so die Angaben der AAAG.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Vor allem die angespannte Wirtschaftslage mit hohen Zinsen (Leitzins: 29 Prozent) und hoher Inflation (22,3 Prozent) hemmen die Konsumlaune. Hohe Kosten nicht nur bei der Anschaffung, sondern auch bei der Unterhaltung wie Kraftstoff, Versicherung und Reparaturen lassen viele Verbraucher vor dem Kauf eines (Neu-)Wagens zurückschrecken.
Aussichten sind vielversprechend
Mehrere Faktoren eröffnen ein hohes Wachstumspotenzial für den ghanaischen Markt. Zum einen unterstützt Ghana die Branche mit einer im Jahr 2019 verabschiedeten Förderstrategie (Ghana Automotive Development Policy – GADP) gezielt mit zahlreichen Anreizen. Weiterer Faktor ist der im internationalen Vergleich noch geringe Motorisierungsgrad. Auf 1.000 Einwohner kommen rund 70 Fahrzeuge, so eine Studie zur Mobilität der Weltbank (Stand 2021). Insgesamt beläuft sich der Bestand auf etwa 1,9 Millionen Fahrzeuge. Das Durchschnittsalter der Autos beträgt 14 Jahre.
Auch Volkswagen schätzt das Potenzial als hoch ein. "Ghana importiert pro Jahr etwa 120.000 Neu- und Gebrauchtwagen. Davon werden 80 Prozent ohne Finanzierung direkt bezahlt", sagt Jeffrey Oppong Peprah, CEO von Ghana Volkswagen und Präsident der AAAG. "Viele Ghanaer können sich aufgrund des schweren Zugangs zu Finanzierung und der hohen Zinsen den Kauf eines Autos nicht leisten. Hier können erschwingliche Autokredite ein echter Game-changer werden", so Peprah. "Derzeit arbeiten wir mit unseren Partnern an neuen Finanzierungsmöglichkeiten mit sehr attraktiven Zinsen zwischen 14 und 16 Prozent. Wir gehen davon aus, dass wir diese noch in diesem Jahr anbieten können."
Weichen für Elektromobilität sind gestellt - Verbrennerverbot ab 2045 geplant
Ghana bemüht sich seit Längerem, Elektromobilität zu fördern. Zwar befindet sich diese noch in den Kinderschuhen, jedoch hat die ghanaische Regierung auf der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai einen detaillierten Fahrplan für die Transformation zur Elektromobilität präsentiert. Danach soll die Penetrationsrate für Elektrofahrzeuge bis 2035 mindestens 35 Prozent betragen. Ein Verbrenner-Verbot, nach dem keine neuen Diesel und Benziner verkauft werden dürfen, ist für 2045 geplant.
Bis dahin ist der Weg noch weit: Weniger als 1.000 Elektroautos gibt es derzeit in Ghana, allerdings bereits rund 17.000 E-Zwei- und Dreiräder. Auch bei der Ladeinfrastruktur besteht Nachholbedarf, bislang gibt es sechs Ladestationen in der Hauptstadt Accra.
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Mit der Verabschiedung der Auto-Policy im Jahr 2019 hat Ghana den Weg zum Aufbau einer Kfz-Industrie geebnet. Dank zahlreicher Anreize, wie der Befreiung von Körperschaftsteuern für mehrere Jahre sowie der Befreiung von der Umsatzsteuer auf Verkäufe lokal gefertigter Fahrzeuge, haben sich eine Reihe von OEMs in Ghana angesiedelt. Sie produzieren für insgesamt elf Automarken, darunter Volkswagen, Toyota, Suzuki, Nissan, KIA und Hyundai. Diese montieren bislang vor Ort zollfrei importierte SKD- (semi knocked down) und CKD-(completely knocked down) Bausätze.
Um den Markt weiter anzukurbeln, ist neben der Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten die vollständige Umsetzung der Auto-Policy erforderlich. Dazu gehört vor allem das Einfuhrverbot von Gebrauchtwagen, die älter als zehn Jahre sind und die Erhöhung des Einfuhrzolls auf gebrauchte Pkw und Nutzfahrzeuge. Bislang beträgt der Zollsatz zwischen 5 und 20 Prozent.
Die rechtlichen Voraussetzungen wurden dazu bereits 2020 mit der Änderung (Customs Amendmend Act 2020; Act 1014) des Zollgesetzes von 2015 (Customs Act 891) geschaffen. Wann das Importverbot in Kraft tritt und der Importzollsatz steigt, steht noch nicht fest. Dazu muss das Land noch die Rechtsvorschrift erlassen.
Volkswagen Ghana und andere OEM erwarten zeitnah eine Steigerung des Importzolls für Fahrzeuge mit einem Alter zwischen einem und fünf Jahren auf 35 Prozent. "Die Regierung hat hierzu ihre Zustimmung signalisiert und will die Anhebung des Zollsatzes noch in diesem Jahr vor den Wahlen umsetzen", sagt Jeffrey Oppong Peprah.
Die Umsetzung des Importverbots für gebrauchte Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, halten Branchenkenner allerdings aus politischen Gründen für unrealistisch. Zu groß ist der Gegenwind der lokalen Gebrauchtwagenhändler, die zu große Einbußen befürchten.