Branchen | Hongkong und Macau | Automobilsektor
Autofirmen hoffen auf baldige Besserung
Lieferengpässe und eine heftige Coronawelle drücken auf die Autokonjunktur in Hongkong und Macau. Doch es zeichnet sich eine Trendwende ab.
24.03.2022
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Autokonjunktur in Hongkong hat sich spürbar abgekühlt. Die Entwicklung begann bereits im 2. Halbjahr 2021. Wie überall auf der Welt führte der Chipmangel dazu, dass bestimmte Pkw-Modelle im Handel nicht erhältlich waren. Zudem machten sich die Steuererhöhungen auf Kraftfahrzeuge (Kfz) bemerkbar, welche seit Februar 2021 gelten. Das zeigen auch die Zahlen: Auf das Jahr hochgerechnet stiegen die Neuzulassungen von Personenkraftwagen (Pkw) laut Angaben des Transport Department um gut 6 Prozent auf über 39.000 Einheiten. Dennoch wurde das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2018 um 7 Prozent verfehlt.
Omikronwelle hemmt Konsumlaune
In guten Jahren werden in der Sonderverwaltungsregion (SVR) deutlich mehr als 40.000 Pkw zugelassen. Diese Marke dürfte man 2022 abermals verfehlen. Nachdem Hongkong zwei Jahre lang so gut wie keine Coronafälle zu verzeichnen hatte, hat sich seit Ende Januar die Omikronvariante explosionsartig ausgebreitet. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in der ersten Märzwoche bei über 3.000. Immerhin hat sich seitdem ein rückläufiger Trend eingestellt. Da die Regierung im Februar 2022 umfangreiche Einschränkungen verhängte, hat sich die Konsumlaune stark eingetrübt.
Nachholeffekt beim Autoabsatz erwartet
Für den Automarkt gibt es jedoch auch einen gegenläufigen Trend: Der Wunsch nach Individualmobilität ist stark gestiegen. Bislang waren die Alternativkosten bei der Anschaffung eines fahrbaren Untersatzes einfach zu hoch. Der öffentliche Personennahverkehr ist hervorragend ausgebaut und sehr preiswert. Selbst Taxis sind um ein Vielfaches billiger als in Deutschland. Durch Corona kommen jetzt andere Aspekte beim Autokauf zum Tragen.
Nur ein kleiner Bruchteil aller Hongkonger Haushalte hat ein eigenes Auto. Doch Covid verstärkt den Wunsch nach mehr Individualmobilität.
Zumindest für die ersten Monate 2022 ist mit einem spürbaren Rückgang der Zahlen bei den Neuzulassungen zu rechnen. Ab dem Frühsommer könnte es dann zu einem Nachholeffekt kommen. Die Regierung hat für den 21. April umfangreiche Lockerungen in Aussicht gestellt. Zudem will sie die Einreisebeschränkungen bereits zum 1. April lockern. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um eine historische Trendwende. Über zwei Jahre lang waren die Grenzen nahezu hermetisch geschlossen. In der Wirtschaft hat sich infolge der Ankündigungen die Stimmung spürbar aufgehellt.
Deutsche Anbieter dominieren das Premiumsegment
Diese Entwicklungen werden auch die deutschen Autobauer spüren. Sie dominieren in Hongkong das relativ große Premiumsegment, während die japanischen Konkurrenten den Massenmarkt bedienen. Dort spielen andere Marken aus Europa oder Südkorea kaum eine Nebenrolle. Chinesische Fahrzeuge werden praktisch gar nicht zugelassen. Tesla ist immer noch der Vorreiter bei Elektroautos. Deutsche Anbieter konnten 2021 ihren Marktanteil insgesamt betrachtet leicht ausbauen. Branchenprimus Toyota musste hingegen herbe Verluste einfahren.
Marke | 2021 | Veränderung 2021/20 |
---|---|---|
Tesla | 7.987 | 129,7 |
Toyota | 7.469 | -20,1 |
Honda | 4.545 | -10,8 |
Mercedes-Benz | 4.450 | -4,3 |
BMW/Mini | 4.310 | 0,2 |
Kleinere japanische Marken2 | 2.963 | 25,1 |
Audi, Porsche, Volkswagen | 2.510 | 16,5 |
Nissan | 1.852 | 15,3 |
Hyundai/Kia | 866 | -25,4 |
Jaguar/Landrover, Volvo | 639 | -29,8 |
Der Elektromobilität gehört in Hongkong eindeutig die Zukunft. Die Reichweitenproblematik spielt keine Rolle. Niemand fährt am Tag mehr als 150 Kilometer. In allen großen Parkhäusern gibt es inzwischen Auflademöglichkeiten. Die Regierung hat einen Plan zur "Popularisierung von E-Autos" aufgelegt. Demzufolge sollen bis spätestens 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Dieselfahrzeuge haben sich derweil zu keinem Zeitpunkt in der SVR durchsetzen können. Flüssiggasbetriebene Fahrzeuge (LPG) dominieren den Taxi- und öffentlichen Kleinbusbetrieb. Wasserstofftechnik dürfte angesichts der Regierungspläne keine Zukunft haben.
Auf anderen technischen Gebieten ist Hongkong weniger wegweisend. Aufgrund veralteter Gesetze dürfen viele Assistenzsysteme, die im Rest der Welt bereits Standard sind, in der ehemaligen britischen Kolonie nicht verwendet werden. Sie werden vor der Zulassung abgeschaltet. Auf diesem Gebiet sei gegenüber der Verwaltung noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten, heißt es seit längerem aus der Branche. Über autonomes Fahren wird bislang wenig diskutiert.
Pkw-Einfuhr hat 2021 zugelegt
Die Importe von Kfz und Pkw (einschließlich Teilen) sind 2021 laut Hongkonger Zollstatistik kräftig gestiegen. Dahinter dürfte aber ein Sondereffekt stecken: So waren die südchinesischen Häfen Shenzhen und Guangzhou aufgrund von Corona vorübergehend beziehungsweise teilweise geschlossen. Ein Teil der chinesischen Branchenexporte wurde daher alternativ über den Freihafen der SVR abgewickelt.
Auch Hongkongs Pkw-Einfuhren aus Japan und Europa sind 2021 angestiegen. Sie lagen aber alle noch deutlich unterhalb des Niveaus von 2019 beziehungsweise 2018. Die Importe aus dem Vereinigten Königreich und Italien decken den hohen einheimischen Bedarf nach Limousinen und Geländewagen der Spitzenklasse beziehungsweise Supersportwagen ab. In Hongkong soll es die höchste Rolls-Royce-Dichte der Welt geben.
Autokonjunktur in Macau entwickelt sich ähnlich wie in Hongkong
Ein Teil der Brancheneinfuhren ist für den Automarkt in der benachbarten SVR Macau bestimmt. Die dortige Branchenkonjunktur hat sich ähnlich wie in Hongkong entwickelt: Auf ein starkes 1. Halbjahr 2021 folgte eine deutliche Abkühlung. Jahresbezogen stiegen die Pkw-Neuzulassungen aber um 7 Prozent auf rund 5.000 Einheiten. Offiziell wurden 540 Kraftfahrzeuge aus Deutschland (einschließlich Motorrädern) zugelassen. Insgesamt importierte Macau 2021 Kraftfahrzeuge im Wert von umgerechnet gut 300 Millionen US-Dollar (US$), ein Plus von 16 Prozent zum Vorjahr. Die entsprechenden Importe "made in Germany" summierten sich auf rund 29 Millionen US$. Sie hatten sich damit gegenüber 2020 praktisch nicht verändert.