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Branchen | Indien | Stahl

Indiens Stahlindustrie expandiert weiter

Die Branche investiert in zusätzliche Kapazitäten, um ambitionierte Ausbauziele zu erreichen. Die Voraussetzungen dafür sind gut, trotz Billigimportstahl aus China. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Die Stahlkocher in Indien befinden sich auf Expansionskurs. Im Jahr 2024 wuchs die Stahlproduktion hochgerechnet um gut 5 Prozent. Bereits seit einigen Jahren verzeichnet die Branche hohe Wachstumszahlen, gestützt durch eine solide Inlandsnachfrage.

 

Im Jahr 2024 lag Indien weltweit auf Rang 2 der wichtigsten Erzeugerländer für Rohstahl – wenn auch deutlich hinter China mit über 1 Milliarde Tonnen, aber klar vor Japan (84 Millionen) und den USA (80 Millionen). Wenige Großunternehmen wie Tata Steel, JSW Steel oder Jindal Steel and Power (JSP) dominieren die Branche. Auch Staatskonzerne wie Steel Authority of India (SAIL) zählen zu den wichtigen Marktakteuren. 

Schwerpunkte der Produktion befinden sich in den Bundesstaaten Westbengalen, Chhattisgarh und Odisha. Im letztgenannten befinden sich wichtige Minen für Eisenerz. Allerdings gibt es auch in anderen Gebieten Anlagen zur Stahlherstellung.

Unternehmen investieren in höhere Kapazitäten

Im Rahmen ihrer "National Steel Policy" möchte die Regierung die Kapazitäten der Stahlproduktion bis 2031 auf jährlich 300 Millionen Tonnen steigern. Momentan liegen sie bei rund 180 Millionen Tonnen pro Jahr. 

Die Investmentbank Nomura geht davon aus, dass zwischen den Finanzjahren 2023/2024 (1. April bis 31. März) und 2026/2027 Produktionskapazitäten im Umfang von 23 Millionen Tonnen alleine für Rohstahl neu in Betrieb gehen. Die großen Stahlkonzerne wie JSW, JSP, Tata Steel und ArcelorMittal & Nippon Steel (AMNS) sind für 87 Prozent der Investitionen verantwortlich

Ende 2024 kündigte AMNS an, in Anakapalli ein Stahlwerk mit einer jährlichen Kapazität von 7,3 Millionen Tonnen errichten zu wollen. Phase 1 soll im Jahr 2025 starten und bis 2029 abgeschlossen sein. In einer zweiten Phase soll das Werk auf 17,8 Millionen Tonnen ausgebaut werden. Die Investitionen belaufen sich auf insgesamt 16,5 Milliarden US-Dollar (US$). Auch JSW will in Paradip eine neue Anlage bauen, mit einer Kapazität von 13,2 Millionen Tonnen jährlich und Kosten in Höhe von geschätzt 7,8 Milliarden US$. 

Die Investitionen machen Indien für deutsche Zulieferer der Stahlbranche interessant. So eröffnete Wienstroth Wärmebehandlungstechnik Ende 2024 ein Niederlassung in Indien. Die Firma will in einigen Jahren lokal produzieren. 

Stahlhersteller suchen Zollschutz

Derzeit bereiten ausländische Konkurrenten den Unternehmen Sorge. Allen voran sorgen Importe aus China für sinkende Preise und eine geringere Nachfrage nach lokal produziertem Stahl. Zusammen mit höheren Kosten für Eisenerz setzt diese Entwicklung die Stahlfirmen unter Druck, den die gesunkenen Kosten für Kokskohle nur teilweise ausgleichen können. Die Ratingagentur ICRA geht davon aus, dass die Kapazitätsauslastung der Stahlbranche 2024/2025 erstmals seit vier Jahren unter 80 Prozent sinken könnte. 

Die indische Regierung prüft nun die Einführung von Schutzzöllen von bis zu 25 Prozent. Die Entscheidung darüber soll im 1. Quartal 2025 verkündet werden.

Neue Subventionen für Spezialstahl

Indiens Regierung unterstützt die Herstellung von Spezialstahl im Rahmen sogenannter "Production Linked Incentives" (PLI), wobei die Subventionen zumeist an wachsende Produktionsmengen gekoppelt sind. Bereits 2021 hatte sie einen ersten Versuch in dieser Form unternommen und dafür schätzungsweise 737 Millionen US$ bereitgestellt. Dadurch wurden Investitionen in Höhe von rund 3,6 Milliarden US$ ausgelöst. Allerdings schöpften die Unternehmen die Subventionen nicht vollständig aus. Experten machen dies auch an den hohen Mindestinvestitionen fest. 

Die neuen PLI mit Änderungen an den Förderrichtlinien gelten vom laufenden Finanzjahr bis 2030/2031. Das Volumen ist nicht genau bekannt. Sie umfassen beschichteten und hochfesten Stahl, Spezialschienen, legierte Stahlprodukte, Stahlseile und Elektroblech. Auch Erweiterungsinvestitionen sind förderfähig. Ende Januar 2025 soll die Bewerbungsfrist für die neue Runde der PLI enden.

Interessenten gibt es bereits: So kündigte SAIL gemeinsam mit John Cockerill India Anfang 2025 eine Investition in Höhe von 692 Millionen US$ in eine Anlage zur Produktion von 1,5 Millionen Tonnen Elektroblech jährlich an.

Die Nachfrage nach Stahl wird weiter wachsen

Für 2025 geht die Ratingagentur CRISIL von einem Wachstum der Stahlnachfrage in Indien zwischen 8 und 9 Prozent aus. Nomura rechnet für das laufende und das kommende Finanzjahr mit Zuwächsen von 6,5 bis 7 Prozent. 

Dazu dürfte auch die Regierung beitragen. Im Staatshaushalt setzt sie Impulse für den Ausbau der Infrastruktur. Zudem sorgt die robuste konjunkturelle Lage für Nachfrage, zum Beispiel aus der Automobilbranche. Die Bauaktivitäten im Land sind laut Experten ebenfalls eine wichtige Stütze der Stahlnachfrage.

Grüner Stahl ist noch Zukunftsmusik 

Mit 10 bis 12 Prozent Anteil an den indischen CO2-Emissionen ist die Stahlproduktion bei der Erreichung der Klimaneutralität bis 2070 ein Schlüsselfaktor. Zudem erhöht das 2026 startende CO₂-Grenzausgleichssystem der EU den Druck auf die Stahlhersteller. 

Auch die Regierung stellt sich darauf ein und präsentierte 2024 einen Fahrplan für grünen Stahl. Die darin gemachten Vorschläge sind nicht verbindlich. Sie bedürfen konkreter Ausgestaltung, wie einer grünen Beschaffungspolitik für öffentliche Aufträge. Laut indischer Regierung ist Stahl "grün", wenn er mit weniger als 2,2 Tonnen CO2-Äquivalent pro Tonne Stahl hergestellt wird. 

Die Nutzung von grünem Wasserstoff in der Stahlindustrie ist derzeit für Unternehmen zu teuer. Gleiches gilt für Speicherlösungen für CO2. Der Brancheriese JSW gibt an, diese Technologien erst ab 2030 großflächig nutzen zu wollen. Derzeit laufen lediglich Studien oder kleine Testprojekte. Bis dahin setzt das Unternehmen beispielsweise auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Eigenversorgung. 

Auch Überlegungen zum vermehrten Einsatz von Schrott sind vorhanden. Dadurch entstehen Chancen für Unternehmen, die entsprechende Verwertungsanlagen vor Ort aufbauen. Zudem wird Indien zum Teil auf Schrottimporte angewiesen sein. 

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