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Der neue Staatshaushalt bringt weitere Investitionen
Das neue Budget wurde allgemein wohlwollend aufgenommen. Bei den Investitionen ist ein klarer Schwerpunkt zu erkennen.
21.02.2023
Von Florian Wenke | Mumbai
Am 1. Februar 2023 hat Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman den Haushalt für das Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) im Parlament präsentiert. Es ist die letzte Vorstellung des Budgets vor den Parlamentswahlen im nächsten Jahr. Demzufolge schauten viele Beobachter mit Spannung auf die vorgelegten Zahlen.
Wie fast immer gab es im Vorfeld den Wunsch nach staatlicher Unterstützung und finanzieller Entlastung aus unterschiedlichsten Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft. Nach der Vorstellung des Staatshaushaltes war sich die Mehrzahl der Volkswirte einig, dass der Haushalt solide sei und weitgehend die Erwartungen erfüllt. Das dürfte die gut laufende Konjunktur in Indien weiter stützen.
Position | 2022/2023 geplant | 2022/2023 Prognose | 2023/2024 geplant |
---|---|---|---|
Ausgaben (in Mrd. US$) | 482,7 | 512,3 | 551,0 |
Einnahmen* (Revenue Receipts; in Mrd. US$) | 269,7 | 287,3 | 322,1 |
Investitionen (Capital Expenditure; in Mrd. US$) | 91,8 | 89,1 | 122,5 |
Zinszahlungen (in Mrd. US$) | 115,1 | 115,1 | 132,1 |
Fiskaldefizit (in Prozent des Bruttoinlandsproduktes) | 6,4 | 6,4 | 5,9 |
Infrastrukturausbau hat oberste Priorität
Im neuen Haushalt steigert Indiens Regierung die Investitionen noch einmal deutlich. Im Vergleich mit dem Budget des letzten Jahres legen sie um 33 Prozent auf über 122 Milliarden US-Dollar (US$) zu. Die Mittel fließen überwiegend in neue Infrastruktur, so wie bereits in den vergangenen Jahren. Dem "Ministry of Road Transport and Highways" stehen dafür allein 31,6 Milliarden US$ zur Verfügung. Die indische Eisenbahn erhält über 29,4 Milliarden US$ an Investitionsmitteln, die höchste Summe in ihrer Geschichte. Außerdem sollen 50 neue Flughäfen, Flug- und Hubschrauberlandeplätze entstehen.
Von dem großen Schub profitieren nicht nur Branchen wie der Hoch- und Tiefbau. Wo gebaut wird, da werden auch Materialien wie Stahl, Zement und dergleichen benötigt. Gleichzeitig wirkt sich eine bessere Infrastruktur nach Fertigstellung auf das verarbeitende Gewerbe aus. Durch bessere Straßen und Schienen dürften die hohen Logistikkosten in Indien sinken.
Um kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) ebenfalls bei Investitionen zu unterstützen, hat die Regierung zudem ihr Programm für Kreditgarantien überarbeitet. Ab dem 1. April 2023 stehen nun 1,1 Milliarden US$ dafür bereit. Diese Summe soll ausreichen, um den KMU zusätzliche günstige Kredite im Umfang von 24,5 Milliarden US$ zu ermöglichen.
Indien meint es ernst mit grünen Investitionen
Indien strebt an, bis 2070 Klimaneutralität zu erreichen. Die Finanzministerin hob dies in ihrer Rede noch einmal hervor. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass der Subkontinent dies auch als Chance für seine Wirtschaft begreift. Demzufolge stand ein bedeutender Abschnitt ihrer Ansprache unter dem Schlagwort "Green Growth" – also grünem Wachstum. Rund 4,3 Milliarden US$ stehen laut Regierungsangaben als Investitionssumme für die Energiewende bereit. Allerdings fehlt es bisher an einem konkreten Zeitraum, auf den sich die Summe bezieht.
Umso konkreter ist allerdings das Ziel, bis 2030 eine jährliche Produktion von 5 Millionen Tonnen an grünem Wasserstoff zu erreichen. Für die dafür kürzlich ins Leben gerufene "National Green Hydrogen Mission" stehen insgesamt Mittel in Höhe von 2,4 Milliarden US$ zur Verfügung. Weitere 1,1 Milliarden US$ gibt es als Unterstützung für den Bau von Energieleitungen. Durch diese sollen in der Himalaya-Region Ladakh Anlagen für erneuerbare Energien mit einer Leistung von 13 Gigawatt an das Energienetz angeschlossen werden. Für den Bau von 500 Anlagen zur Energiegewinnung aus Abfall sind 1,2 Milliarden US$ vorgesehen. Darunter befinden sich 200 Anlagen zur Energieerzeugung aus komprimiertem Biogas.
Einkommensteuersenkungen geben Raum für mehr Konsum
Der private Konsum ist eine wichtige Stütze der indischen Wirtschaft. Der Weltbank zufolge trugen die Konsumausgaben der Endverbraucher 2021 etwa 71 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Laut Angaben des Finanzministeriums gab es im Veranlagungsjahr 2020/2021 rund 81,3 Millionen Steuerzahler. Auf die 1,4 Milliarden Einwohner Indiens gerechnet ist das nur ein kleiner Teil, als Kundengruppe ist die Zahl jedoch fast so groß wie die Population Deutschlands. Durch Änderungen bei der Einkommensteuer soll künftig mehr Geld im Portemonnaie der Verbraucher bleiben. Das dürfte dem Konsum zusätzlichen Schwung geben.
Hohe Zinszahlungen für Schulden
Beobachter loben, dass Indien den Pfad der Fiskalkonsolidierung fortsetzt. Für das kommende Finanzjahr plant die Zentralregierung in New Delhi mit einem Defizit in Höhe von 5,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Bedingt durch die Coronapandemie war dieser Wert 2020/2021 auf 9,2 Prozent nach oben geschnellt, seitdem sinkt er aber wieder. Von den 4,6 Prozent Defizit im Jahr 2019/2020 ist aber auch das neue Ziel noch ein Stück weit entfernt.
Die Regierung gibt seit Jahren mehr Geld aus, als sie einnimmt. Der Schuldenstand hat dem Internationalen Währungsfonds zufolge bereits rund 83 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht. Die Zinszahlungen für Schulden sind mittlerweile der größte Ausgabenposten und 2023/2024 werden rund 132 Milliarden US$ dafür benötigt. Allerdings ist Indiens Auslandsverschuldung mit knapp unter 20 Prozent des BIP nicht besorgniserregend und das Land verfügt über ausreichend Devisenreserven. Eine Schuldenkrise, wie sie derzeit Sri Lanka zu schaffen macht, ist daher kein Thema.