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Wirtschaftsumfeld | Indien | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Obwohl das Arbeitskräfteangebot in Indien noch Jahrzehnte weiter wachsen wird, fehlen Fachkräfte. Deutschland interessiert sich derweil für indische Talente. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Indien ist mit voraussichtlich rund 1,5 Milliarden Einwohnern im Jahr 2025 das bevölkerungsreichste Land der Erde. Laut den Vereinten Nationen sind 50 Prozent davon jünger als 28,8 Jahre. Das Land verfügt über ein wachsendes Angebot an Personen im arbeitsfähigen Alter. Bis Mitte des Jahrhunderts wird diese Entwicklung anhalten. Sofern es Indien gelingt, die demografische Dividende zu nutzen, sind große Wohlstandsgewinne möglich. 

Die Wirtschaft wächst derzeit robust und die Prognosen für die kommenden Jahre sind positiv. Allerdings gibt es Zweifel, ob das Wachstum ausreicht, um genügend Jobs bereitzustellen. In den vergangenen Jahren konnte Indien trotz der guten Konjunktur nicht ausreichend neue Stellen schaffen, was zu Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung führt. Zu letzterer kommt es, wenn Menschen unproduktiv eingesetzt werden und weniger arbeiten, als sie gerne möchten.

Fachkräftemangel ist ein großes Problem

Schätzungen zufolge muss der indische Arbeitsmarkt derzeit jährlich zwischen 7 und 9 Millionen Personen neu aufnehmen. Hinzu kommen Millionen Menschen, die unterbeschäftigt sind. Arbeitskraft ist also reichlich vorhanden. Einer Umfrage der Auslandshandelskammer (AHK) Indien aus dem Jahr 2024 zufolge sahen 47 Prozent der befragten Unternehmen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften als Vorteil an. Damit war dieser Punkt der drittwichtigste positive Standortfaktor nach den Lohnkosten und der politischen Stabilität. 

Trotzdem bleibt der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Die Qualität der Ausbildung, sowohl im akademischen als auch im nicht akademischen Bereich, unterscheidet sich stark. Die 23 Indian Institutes of Technology und 21 Indian Institutes of Management genießen weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Die meisten der fast 1.300 Universitäten und über 45.000 Hochschulen (Colleges) des Landes bleiben aber weit hinter diesem Niveau zurück. Wichtiger als die Noten der Absolventinnen und Absolventen sind daher oft die Namen der besuchten Bildungseinrichtungen. Unternehmen bemängeln zudem den geringen Praxisbezug der Einrichtungen. So sind Praktika während der Studienzeit nach wie vor die Ausnahme. 

Im India Skills Report 2025 wird der Anteil der direkt beschäftigbaren Absolventen mit durchschnittlich 54,8 Prozent der Graduierten angegeben. Somit braucht knapp jeder zweite Absolvent weiteres Training, ehe der neue Mitarbeitende voll eingesetzt werden kann.  

Bei den nicht akademischen Berufen ist das Problem noch ausgeprägter. Eine mit dem deutschen dualen System vergleichbare Ausbildung gibt es nicht. Die Kurse an den Industrial Training Institutes (ITI) und Polytechnika bringen kaum qualifizierte Arbeitskräfte hervor. Der Anteil an direkt beschäftigbaren Absolventen liegt laut India Skills Report 2025 bei lediglich 41 Prozent für ITI beziehungsweise 29 Prozent für Polytechnika. Eine bedarfsorientierte Berufsausbildung geht bislang vor allem auf Einzelengagements von Unternehmen zurück, die sich mit privaten oder staatlichen Ausbildungseinrichtungen zusammengetan haben. Das sorgt für Bedarf an Lösungen im Bereich Aus- und Weiterbildung.

Aufgrund des Mangels an qualitativ hochwertigen Ausbildungsangeboten haben viele deutsche Unternehmen eigene Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Auch die Deutsch-Indische Handelskammer versucht seit einigen Jahren, die Berufsausbildung nach deutschem Vorbild zu etablieren. 

Die Regierung möchte das Qualifikationsniveau anheben

Eine mangelhaft ausgebildete Bevölkerung ist ein Entwicklungshindernis. Das hat die indische Regierung erkannt. Insbesondere bei nicht akademischen Berufen soll das Fähigkeitslevel gehoben werden. Durch diverse Programme fördert das Ministry of Skill Development and Entrepreneurship das Ausbildungsniveau von Arbeitskräften, darunter mit dem bis 2026 laufenden Bildungsprogramm "Skill India".

Durch das Teilprogramm "Pradhan Mantri Kaushal Vikas Yojana" (PMKVY) wurden von 2016 bis Anfang 2023 knapp 13,7 Millionen Menschen ausgebildet. Der Erfolg ist allerdings steigerungsfähig. Nach offiziellen Angaben erhielten nur rund 20 Prozent der abschließend zertifizierten 11 Millionen Teilnehmenden im Anschluss eine Stelle. Seit 2023 läuft die 4. Phase von PMKVY, in der bis Ende Februar 2025 rund 2,5 Millionen Personen geschult wurden. 

Zudem gibt es mit "National Apprenticeship Promotion Scheme" ein Programm, das Firmen dabei unterstützen soll, Plätze für eine praxisorientierte Ausbildung anzubieten. Die "National Skill Development Corporation" ist eine zentrale Anlaufstelle rund um das Thema Aus- und Weiterbildung. Die Organisation hat zudem einen Ableger, der sich mit der Fachkräftemigration aus Indien befasst. 

Fachkräftemigration nach Deutschland nimmt zu

Immer häufiger interessieren sich deutsche Unternehmen für das Anwerben von Fachkräften aus Indien für den deutschen Arbeitsmarkt. Die Regierung in New Delhi begrüßt dies. Neben dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz verfügt Deutschland seit Herbst 2024 über eine eigene Fachkräftestrategie für Indien. Damit soll die Erwerbsmigration aus dem Land für Akademiker und Nicht-Akademiker gefördert werden. 

Die Anzahl der indischen Fachkräfte hat bereits stark zugenommen: Waren Mitte 2020 erst 70.190 Personen aus Indien in Deutschland sozialversicherpflichtig beschäftigt, so kletterte diese Zahl bis Mitte 2024 auf 155.310. Ein weiteres Wachstum ist wahrscheinlich. 

Für deutsche Firmen bietet die AHK Indien mit "Hand in Hand for International Talents" eine Anlaufstelle für Firmen aus Deutschland mit entsprechendem Bedarf. Hinzu kommen zahlreiche private Unternehmen in Deutschland und auf dem Subkontinent, die Fachkräfte anwerben und vermitteln, genauso wie staatliche Förderprogramme für einzelne Berufe, wie beispielsweise "Triple-Win". Durch dieses Programm sollen gezielt Pflegekräfte aus Indien vermitteln werden, unterstützt durch die Bundesagentur für Arbeit und mit Hilfe der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. 

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