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Irische Pharmaindustrie weiter im Aufwind
Ungeachtet der mäßigen Wirtschaftsentwicklung in Irland bleiben die Aussichten auf dem Pharmamarkt sehr gut. Herausforderungen gibt es trotzdem.
06.06.2024
Von Charlotte Hoffmann | Bonn
Ausblick der Pharmaindustrie in Irland
Bewertung:
- Demografischer Wandel und Sparkurs der Regierung kurbeln Absatz von Generika an.
- Umsatzaussichten von Arzneimitteln bleiben trotz schwächelnder Binnennachfrage sehr gut.
- Irischer Biopharmaindustrie wird ihre Bedeutung in den kommenden Jahren weiter ausbauen.
- Starker F&E-Sektor und gute Standortfaktoren fördern Irlands Position als globaler Pharmahub.
Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2024
Markttrends
Die Zeichen auf dem irischen Pharmamarkt stehen weiter auf Wachstum: Laut der Marktforschungsgruppe Fitch Solutions wird der Umsatz von Arzneimitteln im Jahr 2024 voraussichtlich um 4 Prozent steigen. Und das, obwohl die irische Wirtschaft nur moderat wächst. Laut EU-Kommission steigt die modifizierte Binnennachfrage nur um etwa 1,7 Prozent. Der irische Privatkonsum hat sich in den ersten Monaten 2024 hingegen leicht belebt. Nachlassende Inflation, ein robuster Arbeitsmarkt und eine Erholung der Realeinkommen unterstützen diese Entwicklung ebenfalls.
Anteil an Generika noch unter EU-Durchschnitt
Die irische Regierung fährt bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine zunehmend aggressive Preispolitik. Grund hierfür ist der Versuch, die Gesundheitsausgaben zu reduzieren, die gemessen an der Ausgabe pro Kopf deutlich über dem EU-Durchschnitt liegen. Der Druck, die Gesundheitsausgaben weiter zu verringern, bleibt laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auch in den kommenden Jahrzehnten hoch. Bereits heute leiden drei von zehn Iren an einer chronischen Krankheit. Dieser Anteil wird voraussichtlich durch den zunehmenden demografischen Wandel weiter steigen.
Diese Entwicklung dürfte den verstärkten Einsatz von Generika begünstigen, der in Irland immer noch verhältnismäßig niedrig ist. Seit 2011 hat sich der Anteil von Generika an verschreibungspflichtigen Medikamenten in Irland zwar von 32 auf 58 Prozent erhöht. Das ist im europäischen Vergleich jedoch niedrig, in der EU liegt er bei rund 70 Prozent.
Branchenexperten erwarten, dass die irische Regierung mit den Verhandlungen über ein neues National Pricing and Supply of Medicine Framework Agreement ab 2026 weitere Einsparungen und den Zugang zu günstigeren, biosimilaren Medikamenten forcieren könnte.
Rahmenvereinbarung zwischen Regierung und Pharmaindustrie läuft 2025 aus
Das National Pricing and Supply of Medicine Framework Agreement in Irland ist ein Abkommen, das die Preisgestaltung und Bereitstellung von Medikamenten im irischen Gesundheitssystem regelt. Das Abkommen wird zwischen der irischen Gesundheitsbehörde Health Service Executive und der Pharmaindustrie geschlossen, um den Zugang zu Medikamenten zu sichern und die Kosten für das Gesundheitssystem zu kontrollieren. Das seit 2021 geltende Abkommen läuft noch bis 2025.
Zuletzt beschloss die irische Regierung im Haushaltsplan 2024, Mittel für neue Medikamente aus Einsparungen an anderer Stelle zu beziehen, vor allem durch den verstärkten Einsatz von Generika. Zuvor wurden eigene Mittel bereitgestellt, um die Markteinführung neuer Medikamente zu unterstützen. Allein in den letzten drei Jahren hat die Regierung dafür 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Branchenexperten äußern jedoch Bedenken, dass das neue System zu Verzögerungen beim Zugang zu innovativen neuen Medikamenten für die irische Bevölkerung führen könnte.
Hohe Verbreitung nicht lizensierter Medikamente bleibt ein Problem
Im irischen Gesundheitssektor ringt man außerdem mit der hohen Verbreitung nicht zugelassener Medikamente. Dieser Trend lässt sich zum einen auf kontinuierliche Lieferengpässe aufgrund von Brexit und Coronapandemie zurückführen, zum anderen auf strenge Preiskontrollen für Generika sowie die begrenzte Marktgröße Irlands. Letzteres macht den komplexen Zulassungsprozess für viele Pharmaunternehmen unattraktiv. Aktuell sind über 300 Medikamente auf der Medicines Shortages List der Health Products Regulatory Authority verzeichnet. Dies führt dazu, dass Apotheken auf nicht lizensierte Alternativen zurückgreifen müssen, um den Bedarf zu decken. Aufgrund der fehlenden Zulassung in Irland fallen diese nicht unter das National Pricing and Supply of Medicine Framework Agreement. Pharmakonzerne können dadurch höhere Preise für die Bereitstellung verlangen.
Akteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Pfizer; Biotechnology Campus, Grange Castle, Clondalkin | 1.200 | Geplante Inbetriebnahme: 2027 | Neue Einrichtung soll Produktionskapazität für Biopharmazeutika verdoppeln |
Eli Lilly; IDA Business Park, Raheen, Limerick | 458 | Geplante Inbetriebnahme: 2026 | Neue Produktionsstätte für Biopharmazeutika |
Bristol Myers Squibb; Cruiserath Campus, Dublin | 366 | Geplante Inbetriebnahme: 2026 | Neue Einrichtung unter anderem für die Produktion steriler Arzneimittel |
Astellas Pharma; Technology Park, Kerry | 330 | Geplante Inbetriebnahme: 2028 | Neue Produktionsstätte für Medikamente mit Antikörpern |
Alexion Pharma Operations International Ltd.; Tochterunternehmen von AstraZeneca, Biopharmaceutical Campus, Blanchardstown | 326 | Geplante Inbetriebnahme: 2026 | Neue Produktionsstätte für aktive Pharmawirkstoffe der "nächsten Generation" |
APC Ltd. und Subunternehmen VLE Therapeutics Ltd.; Medicine Accelerator Campus, Cherrywood, Dublin | 100 | In Planung | Bestehende F&E Einrichtung zur Beschleunigung der Arzneimittelentwicklung soll erweitert werden |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
"Irland ist eines der führenden globalen Zentren für die Entwicklung, Herstellung und Lieferung von Arzneimitteln und deren Inhaltsstoffen", erklärt Brian Killen, Vorsitzender des Branchenverbands BiopharmaChem. In den letzten 50 Jahren hat die irische Pharmaindustrie dank eines günstigen Steuerumfelds und einer starken Forschungs- und Entwicklungslandschaft ein herausragendes Wachstum erlebt. Trotz kleinem Markt mit nur 5 Millionen Einwohnern ist Irland laut OECD der fünftgrößte Exporteur von pharmazeutischen Produkten und der Pharmasektor eine der wichtigsten Säulen der irischen Wirtschaft.
Top Ten mit Niederlassung vor Ort
Die zehn weltweit größten Pharmaunternehmen haben bedeutende Niederlassungen im ganzen Land, mit großen Clustern in Dublin und Cork sowie wachsenden Hotspots in Limerick, Mayo und Sligo im Westen und Nordwesten sowie in Waterford, im Südosten der Insel. Nicht erst seit dem Brexit gilt der irische Markt als Tor nach Europa. Als globaler Hub produzieren multinationale Unternehmen in Irland für den Weltmarkt. Über 50.000 Personen waren 2022 direkt oder indirekt in der Pharmaindustrie beschäftigt.
Laut einem aktuellen Bericht der Expert Group on Future Skills Needs (EGFSN), welche die Regierung in Industriefragen berät, müssen in der schnell wachsenden Biopharmabranche bis 2027 weitere 21.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, um den wachsenden Sektor zu unterstützen. Wirtschaftsminister Peter Burke der liberalen Volkspartei Fine Gael betont: "Das erwartete Wachstum erfordert einen anhaltenden Zustrom qualifizierter Arbeitskräfte." Das dürfte allerdings problematisch werden: Laut EGFSN könnten jährlich rund 3.000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Über die von der Expertengruppe vorgeschlagenen Empfehlungen zur Fachkräftesicherungen diskutiert in den kommenden Monaten eine Gruppe aus Branchenvertretern, Industrie, Politik und Hochschulen.
Gerade für die nächste Generation von Biopharmazeutika, sogenannter Advanced Therapies wie etwa Gen- oder Zelltherapien, bietet Irland als Standort hervorragende Voraussetzungen: eine funktionierende Wertschöpfungskette, staatliche Förderprogramme, sehr gute Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, hochqualifizierte Fachkräfte, Produktionsstätten sowie eine enge Vernetzung zwischen Industrie und Politik. Dass Irland trotz geplanter Anhebung der Unternehmenssteuer von 12,5 auf 15 Prozent weiterhin attraktiv bleibt, zeigen die anhaltenden Investitionen.