Aufgrund bestehender Aufträge sind viele italienische Baufirmen im Herbst 2023 noch gut ausgelastet. Die Anzahl neuer Bauanträge sinkt jedoch. Viele Baustoffpreise fielen zuletzt.
Teure Finanzierungskosten bremsen Baukonjunktur
Die italienische Bauwirtschaft konnte ihre Produktion 2022 gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent steigern (2021: +25,1 Prozent). Damit hat sie den Coronaeinbruch von 2020 (-7,8 Prozent) bei weitem kompensiert. Zuletzt hat sich diese Entwicklung jedoch stark abgeschwächt, denn zwischen Januar und März 2023 stagnierte die Bauproduktion gegenüber demselben Zeitraum 2022.
177
Milliarden Euro
war der Wert der Gebäudeinvestitionen 2022.
Hochbauinvestitionen steigen 2023 noch
Der italienische Bauverband ANCE hat im August 2023 prognostiziert, dass der Wert der landesweiten Gebäudeinvestitionen im Gesamtjahr um 5,4 Prozent steigen wird. Dabei entwickeln sich einzelne Segmente unterschiedlich. So sollen die Ausgaben für Wohnungen bei Neubauten um 3 Prozent zulegen, in Altbauten jedoch um 3,5 Prozent sinken. Bei allen anderen Gebäudetypen erwartet ANCE für 2023 ein Plus von 6,5 Prozent bei privaten und sogar von 25 Prozent bei öffentlichen Bauträgern.
Im August 2023 haben 18,2 Prozent aller Hoch- und 16,1 Prozent aller Tiefbaufirmen ihre Auftragslage noch als überdurchschnittlich gut bewertet. Dagegen sahen 10,2 Prozent aller Hoch- und 10,6 Prozent aller Tiefbauunternehmen diesen Bestand als schlecht an. Das Ausbaugewerbe und weitere Betriebe mit spezialisierten Bautätigkeiten hatten im August 2023 allerdings öfter schlecht (12,2 Prozent) als gut (10,9 Prozent) gefüllte Auftragsbücher. Dies vermeldet das italienische Statistikamt Istat.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in Italien (in Millionen Euro; reale Veränderung in Prozent)Kennziffer | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 153.051 | 176.614 | 15,4 |
Wohnungsbau | 71.869 | 87.446 | 21,7 |
Neubau | 15.894 | 17.108 | 7,6 |
Sanierung, Renovierung | 55.975 | 70.338 | 25,7 |
Nichtwohnungsbau | 81.182 | 89.168 | 9,8 |
privat | 50.999 | 56.836 | 11,4 |
öffentlich | 30.183 | 32.332 | 7,1 |
Quelle: Branchenverband ANCE (Oktober 2022)
Baukredite brechen ein
Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen in Italien und den anderen Ländern der Eurozone seit 2022 in mehreren Schritten kräftig angehoben. Dies hat auch die Baudarlehen und damit die Finanzierungskosten stark verteuert. Die Folge ist, dass viele italienische Bauherren geplante Projekte verschieben oder sogar ganz überdenken.
So hat der Wert der neuen Baukredite im 1. Quartal 2023 nur 2,9 Milliarden Euro erreicht. Das waren 4,7 Prozent weniger als im selben Vorjahreszeitraum. Dabei war der Rückgang bei Wohnungskrediten (-2,5 Prozent) geringer als bei anderen Immobiliensegmenten (-7,6 Prozent). Bereits 2022 war der Wert der neu erteilten Baudarlehen um 18,1 Prozent eingebrochen.
Die teure Finanzierung wirkt sich direkt auf die zukünftigen Bauaufträge aus. Im Jahr 2022 war die Gesamtfläche aller neu genehmigten Nicht-Wohngebäude zwar noch um 2,7 Prozent gestiegen, im Wohnsegment jedoch bereits um 1,1 Prozent gesunken.
Dieser Trend hat sich im 1. Quartal 2023 noch verstärkt. In diesen ersten drei Monaten des Jahres wurde eine um 9,8 Prozent geringere neue Wohnfläche bewilligt als zwischen Januar und März 2022. Bei sonstigen Immobilien betrug das Minus im selben Zeitvergleich 6,2 Prozent.
Baumaterialien sind wieder erschwinglich geworden
In Italien hatten sich die Preise für Baumaterialien 2021 und 2022 stark verteuert. Bei vielen Produkten überstieg die Nachfrage das Angebot, weil die Lieferketten seit Ausbruch der Coronakrise nicht mehr reibungslos funktionierten. Hinzu kamen stark steigende Energiepreise.
Im 1. Halbjahr 2023 hat sich die Marktlage laut ANCE jedoch wieder etwas entspannt. So kostete etwa Stahl für Beton 23,3 Prozent, Bau-Polyethylen 27 Prozent und Bau-PVC 40 Prozent weniger als in den ersten sechs Monaten 2022.
Der Umsatz von Ausbaugewerken hat sich 2020 südlich des Brenners laut neuester amtlicher Statistik auf 73 Milliarden Euro summiert. Unter anderem entfielen 45,2 Milliarden Euro auf Bauinstallationen und jeweils 2,3 Milliarden Euro auf Bautischler und -schlosser sowie auf Maler und Glaser. Fußboden-, Fliesen- und Plattenleger sowie Tapezierer haben 2020 zusammen 2,1 Milliarden Euro umgesetzt. In Deutschland weist die Statistik allerdings einen noch weit höheren Umsatz von Ausbaugewerken aus. Dieser hat 2020 trotz Coronakrise 163,5 Milliarden Euro ausgemacht.
Handwerker aus Deutschland - aber auch aus Südtirol und Österreich - punkten mit dualer Ausbildung und einem hohen Qualitätsrenommee. Im Jahr 2019 gab es in Italien 337.500 Bauhandwerksbetriebe. Davon entfielen 60 Prozent auf die nordöstlichen und nordwestlichen italienischen Regionen.
Tiefbauprojekte und EU-Fonds stabilisieren die Auftragslage
Italien erhält aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Union (EU) hohe Fördergelder. Diese summieren sich von 2021 bis 2027 auf 191,5 Milliarden Euro. Viel davon fließt in Baumaßnahmen.
Konkret stehen 70 Milliarden Euro für Projekte innerhalb der grünen Transformation zur Verfügung, darunter auch für Wasser- und Abfallsysteme. Weitere 31,5 Milliarden Euro sind für die nachhaltige Mobilität und den Ausbau der Schieneninfrastruktur vorgesehen. Auch das Gesundheitswesen kann Fördermittel von 20,2 Milliarden Euro ausgeben.
Mailand plant den neuen Bezirk UpTown Milano für 12.000 Einwohner. Dieser bezieht nachhaltige Mobilität und ein Drittel des Areals als Grünfläche ein. UpTown Milano wird auch das erste durchgängig als SmartCity konzipierte italienische Stadtviertel sein. Im Turiner Stadtteil Cenisia soll von 2024 bis 2027 die Umwandlung des ehemaligen Industriegeländes von Westinghouse stattfinden. Dort entstehen ein großes Kongresszentrum, ein Hotel und ein Einzelhandelskomplex.
Mehrere Milliarden Euro werden auch drei neue Fußballstadien kosten, die sich alle noch im Planungsstadium befinden. Hierbei handelt es sich um eigene Arenen der Traditionsvereine AC Mailand, Inter Mailand und AS Rom.
Nicht zuletzt mit EU-Mitteln baut Italien sein bereits weitläufiges Gleisnetz für Hochgeschwindigkeit und hohe Kapazität (l’Alta Velocità/l’Alta Capacità) weiter aus. Es entstehen insgesamt vier neue Trassen in Nord- und Süditalien sowie auf Sizilien. Italien investiert zudem in Gleise in Richtung Österreich und Frankreich. Dazu entwickeln Großstädte ihr U-Bahnnetz weiter. Dies betrifft in Rom die Linie C, in Turin die Linie 1 und in Neapel die Linien 1 und 6.
Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in ItalienAkteur/Projekt | Investitionssumme (in Mrd. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Meeresbrücke Sizilien-Festland bei Messina | k. A. | Planung | Stretto di Messina Spa |
Autobahn Salerno - Reggio Calabria (A2) | 9,4 | Bau, tw. Planung, Fertigstellung bis 2028 geplant | ANAS SpA |
Zugstrecke *) Palermo- Catania | 11,3 | Bau, tw. Planung, Fertigstellung bis 2028 geplant | RFI SpA |
Zugstrecke *) Neapel- Bari | 6,9 | Bau, tw. Planung, Fertigstellung bis 2027 geplant | RFI SpA |
Brenner Basistunnel Zugang | 4,9 | Planung | RFI SpA |
Brenner Basistunnel | 4,2 | Bau, tw. Planung, Fertigstellung bis 2032 geplant | BBT SE |
Hafenausbau Genua | 2,5 | Planung | Autorità Portuale di Genova |
* für Hochgeschwindigkeit und hohe Kapazität (Alta Velicità/Alta Capacità)Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023
Von Torsten Pauly
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