Wettbewerbsfähige Löhne zeichnen den italienischen Standort aus. Investitionen in die Elektromobilität laufen, besonders von Ferrari, Stellantis und dem chinesischen Hersteller HongQi.
Produktion blieb zuletzt stabil
In den Jahren 2021 und 2022 blieb die italienische Kfz-Produktion stabil bei knapp 800.000 Stück. Einem Anstieg bei Pkw (+ 6,6 Prozent) stand dabei jedoch ein Rückgang bei Nfz (-8,6 Prozent) gegenüber. Insgesamt hat die Stückzahl in den letzten Jahrzehnten erheblich abgenommen. Im Rekordjahr 1989 waren in Italien 2,2 Millionen Fahrzeuge vom Band gerollt.
Neben der Fertigung von Kfz ist auch diejenige von Motorrollern und -rädern mit Herstellern wie Piaggio sehr bedeutend. Deren Stückzahl ist 2022 um 13,3 Prozent auf 381.210 Einheiten gestiegen. Ohne Bedeutung waren dabei jedoch noch Zweikrafträder auf Elektrobasis, deren Anteil lediglich 1,5 Prozent betrug.
Deutschland ist wichtigster Handelspartner
Im Jahr 2020 gingen zwei von drei in Italien gefertigten Pkw und Nfz in den Export (66,8 Prozent). Der wichtigste Zielmarkt ist dabei die USA, gefolgt von Frankreich und Deutschland. Konkret gingen 2022 insgesamt 252.452 Pkw, 225.638 leichte Nfz, 41.185 schwere Nfz und 27 Busse aus italienischen Produktionsstätten ins Ausland.
Auch bei Kfz-Teilen erwirtschaften die italienischen Hersteller hohe Ausfuhrüberschüsse, weltweit und auch im Austausch mit Deutschland. Insgesamt hat Italien 2022 im Außenhandel mit wichtigen Komponenten einen positiven Saldo von 5,8 Milliarden Euro erzielt. Im Warenverkehr mit Deutschland betrug das Plus 833 Millionen Euro. Dabei ist Deutschland Italiens mit Abstand wichtigster Lieferant von Kfz-Teilen, 24,6 Prozent der Gesamteinfuhr kamen 2022 von dort. Es folgten Frankreich mit einem Anteil von 10,8 Prozent sowie Polen (10,4 Prozent).
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Italien 2022 (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent) | 2022 | Veränderung 2022/21 | davon aus Deutschland 2022 |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.266 | 22,9 | 208 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 8.986 | 18,4 | 2.586 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 820 | 16,6 | 20 |
SITC 713.2 Motoren | 1.044 | -10,1 | 166 |
Summe | 12.116 | 15,6 | 2.980 |
Quelle: ISTAT 2023
Wettbewerbsfähige Löhne, teure Energiekosten
Der durchschnittliche Jahresbruttolohn in der italienischen Fahrzeugindustrie lag 2022 bei 28.136 Euro. Der Bruttostundenlohn im verarbeitenden Gewerbe betrug 2022 im Mittel 20,80 Euro. Das war weniger als etwa in Deutschland (33,80 Euro) und Frankreich (29,40 Euro) und auch als im EU-Mittel (23 Euro). Die Verfügbarkeit von Fachkräften variiert regional stark. So lag die Beschäftigungsquote in den nördlichen Regionen Piemont, Lombardei, Emilia Romagna und Venetien 2022 bei 66 Prozent bis 70 Prozent, während sie in den südlichen Regionen Apulien, Kalabrien, Kampanien und Sizilien unter 50 Prozent ausmachte.
Zu einem erheblichen Standortnachteil haben sich jedoch in Italien die seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stark gestiegenen Energiekosten entwickelt. Im 2. Halbjahr 2022 mussten italienische Unternehmen 20,5 Prozent mehr für eine Kilowattstunde Strom und 54,2 Prozent mehr für eine Kilowattstunde Gas als im EU-Schnitt bezahlen.
Wettbewerbsfähige Standortkosten in Verbindung mit hoher Innovationskraft werden in den kommenden Jahren beim Übergang zur Elektromobilität weiter an Bedeutung gewinnen. Seit 2021 gehören die italienischen Traditionsmarken Fiat, Alfa Romeo, Maserati und Lancia zur internationalen Stellantis-Gruppe, zu der auch die französischen Hersteller Peugeot und Citroën mit DS, Opel und Vauxhall sowie amerikanische Anbieter wie Chrysler, Jeep und Dodge gehören. In diesem Portfolio sind Maserati, Alfa Romeo, Lancia und DS Premiummarken und Fiat, Peugeot, Citroen, Opel und Vauxhall europäische, vormals stark konkurrierende Hersteller von Mittelklassewagen.
Stellantis betreibt weltweit 49 Produktionsstätten in 20 Ländern. Wie bei anderen Autobauern auch ist nicht auszuschließen, dass Standorte bei der Fertigung künftiger Modelle auf den Prüfstand kommen. Insgesamt erwartet Stellantis durch die Fusion Synergieeffekte von 5 Milliarden Euro in den ersten drei Jahren bis 2024. Andererseits bietet Stellantis auch die Chance hochwertiger Kooperationen bei Innovationen. In den letzten Jahren liefen in Italien bereits große Investitionsprogramme.
Tradition im Norden, Batteriefertigung im Süden
Kfz-Betriebe sind in allen Landesteilen anzutreffen. Die mit Abstand bedeutendsten Regionen liegen jedoch im Norden: Dies ist zum einen Piemont, in dessen Hauptstadt Turin Fiat, Alfa Romeo und Lancia ihren Stammsitz haben, und zum anderen die Emilia Romagna, wo Ferrari, Laborghini und Maserati ansässig sind. Aus der Lombardei kommt zudem der Nfz-Hersteller Iveco.
In der Emilia Romagna existiert auch das Cluster Motor Valley, wo der chinesische Hersteller von E-Autos HongQi 1,4 Milliarden Euro in die Entwicklung und Produktion von Sportwagen investiert. Auch Lamborghini wendet 1,5 Milliarden Euro auf, um ab 2024 ausschließlich Hybridautos auf den Markt zu bringen. Ferrari investiert sogar 6,7 Milliarden Euro in 15 neue Modelle. In Turin fließen 2 Milliarden Euro in den Stellantis Manufacturing District, um Elektroautos von Fiat und Maserati zu fertigen. Auch in Süditalien gibt es Automobilfabriken: In Melfi in der Region Potenza werden Jeeps und im molisischen Macchia d’Isernia Dodgeautos gefertigt. Im Großraum Neapel entstehen ebenfalls Pkw von Dodge sowie Alfa Romeos für den US-Markt.
In Süditalien laufen auch die derzeit teuersten italienischen Projekte in der Kfz-Industrie. Hierbei handelt es sich um zwei Produktionsstätten für Batteriezellen in der molisischen Hafenstadt Termoli und im sizilianischen Palermo. In Süditalien sind die Bedingungen zur Erzeugung von günstigem Strom aus Offshore-Windparks und Photovoltaik besonders gut. Daher entstehen dort große Erzeugungskapazitäten, auch in Verbindung mit Wasserstoff. Zudem ist die Verfügbarkeit von Fachkräften besser als in Norditalien.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in ItalienVorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Batteriewerk für Elektrofahrzeuge von Stellantis in Termoli | 7.500 | Planung | Umwandlung des bisherigen Getriebe- und Motorenwerks, Produktion ab 2026 geplant, Kooperation mit Mercedes und TotalEnergies |
Produktionsumstellung von Ferrari in Maranello | 5.600 | Realisierung | Bis 2026 sollen 15 neue Elektromodelle auf den Markt kommen |
Batteriewerk für Elektrofahrzeuge von Italvolt in Palermo | 2.000 | Planung, tw. Bau | Produktion ab 2025 geplant |
Stellantis Manufacturing District in Turin | 2.000 | Bau | Produktionsumstellung Elektroautos von Fiat und Maserati, Zentrum für Batterien, Produktion ab 2024 geplant |
Produktionsumstellung von Lamborghini in S. Agata Bolognese | 1.500 | Realisierung | Ende 2024 will Lamborghini alle Modelle als Hybridfahrzeuge anbieten |
Smart-Roads-Programm von ANAS | 1.000 | Planung, tw. Bau | Ausrüstung von 3.000 Straßenkilometern mit digitaler Verkehrstechnik; Realisierung bis 2030 geplant |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen 2023
Italiens Kfz-Industrie hat 2021 insgesamt 2.329 Unternehmen gezählt. Diese haben mit 168.581 Beschäftigten einen Nettoumsatz von 68,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Branche ist der fünftgrößte italienische Industriezweig und hat 2021 etwa 8,3 Prozent der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe erbracht. Noch bedeutender sind Maschinenbauer (14,2 Prozent), Metallverarbeiter (13,1 Prozent), die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie (11,1 Prozent) und die Textil- und Bekleidungsproduktion (8,8 Prozent).
Von Torsten Pauly
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Mailand