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Wasserstoffinvestitionen nehmen in Italien weiter zu
Immer mehr italienische Unternehmen beschäftigen sich mit Wasserstofftechnologien. Auch der durch das Land führende südliche europäische Transportkorridor konkretisiert sich.
30.01.2025
Von Torsten Pauly | Mailand
Der geplante europäische Transportkorridor für Wasserstoff soll auch Deutschland mit Wasserstoff aus Nordafrika versorgen. Um das Projekt zu realisieren, haben die Regierungen von Deutschland, Österreich, Italien, Tunesien und Algerien im Januar 2025 in Rom eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet.
Italien hat beim Bau strategische Bedeutung, denn durch dieses Land verlaufen sieben Zehntel der europäischen Strecke, die insgesamt 3.250 Kilometer lang ist. Zuständig für das italienische Wasserstoffnetz ist das Unternehmen Snam, das bereits die landesweiten Gaspipelines betreibt. Snam möchte die Wasserstoffleitung bis 2030 realisieren und kann dabei bestehende Gasröhren auf bis zu 70 Prozent der Trasse umwidmen.
Der südliche Wasserstoffkorridor ist auch unter dem Projekttitel SouthH2 bekannt und Teil der European Hydrogen Backbone Initiative. Bei der Unterzeichnung in Rom waren auch Vertreter der Schweiz zugegen, wohin ebenfalls ein Abzweig geplant ist.
Italien verabschiedet Nationale Wasserstoffstrategie
Ende 2024 hat Italiens Regierung als zwanzigstes Land in der Europäischen Union (EU) eine Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Den Plänen zufolge soll der Verbrauch von grünem Wasserstoff bis 2030 zunächst moderat auf 252 Kilotonnen im Jahr und danach deutlich stärker steigen. Bisher existieren in Italien nur kleine Pilotanlagen zur Elektrolyse mit Hilfe derer Wasserstoff gewonnen werden kann.
Für 2050 entwickelt die Strategie drei Szenarien. Diese sind von den Investitionen in Italien und in anderen Lieferländern abhängig. Der Verkehrssektor wird in jedem Fall Hauptabnehmer von Wasserstoff sein und 2050 zwischen 18 und 31 Prozent seines gesamten Energiebedarfs damit bestreiten. Insgesamt kommt Wasserstoff im Straßenverkehr und in der Luftfahrt in weitaus stärkerem Maße zum Einsatz als im Bahn- und Schiffstransport.
Im verarbeitenden Gewerbe dürften 2050 die Stahl- und Chemieindustrie einschließlich der Ölraffinerien den höchsten Wasserstoffeinsatz haben. Es folgen die Glas-, Keramik- und Zementproduktion sowie Gießereien. Insgesamt werden energieintensive Industrien 2050 je nach Szenario zwischen 7 und 18 Prozent ihres Energiedarfs mit Wasserstoff decken.
Neue Wasserstoffantriebe für den Verkehrssektor
Viele Italienische Unternehmen erforschen innovative Wasserstoffanwendungen. Die italienischen Nutzfahrzeughersteller Iveco und Menarini bringen Brennstoffzellenmodelle auf den Markt. Der französische Technologiekonzern Alstom projektiert in seiner italienischen Niederlassung Savigliano neue Zugtypen mit Wasserstoffantrieb. Der größte italienische Schiffbauer Fincantieri entwickelt in Bari entsprechende Schiffsmotoren. Jachtantriebe auf Wasserstoffbasis entwickeln zudem die Werften Sanlorenzo mit Siemens und Azimut mit Irem. Iveco, Alstom und Fincantieri erhalten auch Förderungen aus dem Hy2Tech-Programm der EU.
Damit der Verkehr zum wichtigsten Wasserstoffabnehmer werden kann, bedarf es auch eines dichten Tankstellennetzes. Ein solches existiert in Italien noch nicht. Die Betreibergesellschaften der Autobahnen am Brenner und zwischen Mailand und Serravalle projektieren erste Ladestationen und erhalten hierfür ebenfalls EU-Fördergelder. In Lamezia Terme realisiert der Investor Teca Gas für die dortige Autobahntankstelle eine eigene Elektrolyseanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff.
Industrie investiert in ihre Wasserstoffversorgung
Erste energieintensive Erzeuger bauen eine eigene Wasserstoffproduktion via Elektrolyse auf. Die Iris Ceramica Group entwickelt für ihr Keramikwerk in Castellarano zusammen mit dem Technologieunternehmen Edison Next eine Anlage, die Wasserstoff aus der firmeneigenen Photovoltaikerzeugung generiert. Mitte 2024 wurde hierfür zunächst eine kleine Pilotanlage installiert.
Für das Industriegebiet von Frosinone errichten die Investoren Engie und Società Gasdotti Italia (SGI) eine Elektrolyse auf Basis von Solarenergie. Diese wird ab 2026 eine Kapazität von 5 Megawatt haben.
Es bestehen auch Pläne für rosafarbenen, das heißt aus Atomstrom gewonnenen Wasserstoff. Der italienische Anlagenbauer Maire Tecnimont und der britische Technologieentwickler Newcleo haben 2024 angekündigt, hierfür kleine Nuklearrektoren für große Industrieanlagen zu entwickeln.
Maire Tecnimont entwickelt auch ein Verfahren zur Wasserstoffproduktion aus Abfall, das in Genua, in Gela und in Empoli zum Einsatz kommen soll. Der Energiekonzern Eni will im Laufe von 2025 in Livorno in Anbindung an seine Bioraffinerie eine Elektrolyse aus Biomethan hochfahren.
In Cernusco sul Naviglio will De Nora 2030 eine grüne Elektrolyse von 2 Gigawatt in Betrieb nehmen. In Sestu errichtet Italgas bis 2028 eine Elektrolyse durch Solarstrom mit einer Jahresproduktion von 55 Tonnen. Ebenfalls aus Photovoltaik wollen die Investoren Hera und Snam in Modena ab 2026 etwa 400 Tonnen jährlich generieren. Im gleichen Jahr will die Eneron-Gruppe in Belpasso die Erzeugung von 850 Tonnen grünen Wasserstoffs per annum aufnehmen. In La Spezia wird Enel 134 Tonnen erzeugen.
Enel und Eni errichten in Tarent ebenfalls eine Anlage für grünen Wasserstoff. Darüber hinaus ist die Hafenstadt einer von drei Standorten des Projektes Puglia Green Hydrogen Valley. Zusammen mit Anlagen in Brindisi und Cerignola bauen die Investoren Edison Next und Saipem eine Gesamtkapazität von 220 Megawatt auf.
Die italienischen Branchenunternehmen sind im Wasserstoffverband H2it zusammengeschlossen.
Regionale Cluster für Wasserstoff- und andere nachhaltige Energietechnologien gibt es außer in Friaul auch in den Städten Bari und Brindisi, in Bologna und in der Region Basilicata.
Import fossiler Brennstoffe ist noch hoch
Erdgas und Erdöl haben 2023 noch 71,5 Prozent des italienischen Energiedarfs gedeckt, erneuerbare Quellen nur 21 Prozent. Italien muss fossile Brennstoffe importieren und hat hierfür im ersten Dreivierteljahr 2024 etwa 46,4 Milliarden Euro ausgegeben. Erneuerbare Quellen befinden sich jedoch in starkem Ausbau. Italien will laut Nationalem Energie- und Klimaplan von 2022 bis 2030 regenerative Kapazitäten von 73 Gigawatt zubauen.