Japanische Entwicklungshilfemittel finanzieren Transportinfrastruktur in Vietnam. Unternehmen sind stark in der Fertigung engagiert. Im Energiesektor hat Japan ein Imageproblem.
Auf den ersten Blick sah alles gut aus, als Japans Premierminister Kishida Fumio am 1. Mai 2022 Hanoi verließ. Nach Daten der japanischen Außenwirtschaftsorganisation JETRO und der Agentur für ausländische Direktinvestitionen in Vietnam hatte sein Land bis April 2022 die stolze Zahl von insgesamt 4.935 Projekten realisiert. Dazu gehörten Investitionen der Privatwirtschaft genauso wie Entwicklungshilfeprojekte der Agentur für internationale Zusammenarbeit (JICA).
Seit 2021 steigen Investitionen stark
Vietnamesische Medien berichteten, dass Japans Investitionen von Januar bis Oktober 2021 um 90 Prozent angestiegen seien. In diesem Zeitraum wurden 150 neue Erstinvestitionen mit einem Gesamtkapital von 2,4 Milliarden US-Dollar (US$) genehmigt. Damit war 2021 ein kräftiger Rebound zu beobachten: Mit insgesamt knapp 3,8 Milliarden US$ erreichten Japans ausländische Direktinvestitionen (FDI) den höchsten Stand in den letzten 10 Jahren.
In der Fertigungsindustrie zeigen japanische Firmen verstärktes Interesse an Vietnam, weil sie eine Alternative für den von Covid-19 und anderen Restriktionen betroffenen Produktionsstandort China suchen.
Japan fällt im internationalen Ranking zurück
Trotzdem könnten sich Sorgenfalten auf der Stirn des japanischen Premiers gezeigt haben, als er Vietnam verließ: In den ersten vier Monaten des Jahres 2022 fiel sein Land auf den fünften Platz der Investoren zurück: Mit 3,1 Milliarden US$ an FDI liegt Singapur an der Spitze, dahinter folgen Südkorea mit 1,8 Milliarden US$ und Dänemark mit 1,3 Milliarden US$ vor China mit 1,1 Milliarden US$ und Japan mit nur 750 Millionen US$.
Damit ist der Inselstaat nicht nur Schlusslicht unter den großen ostasiatischen Investoren, sondern musste auch Dänemark an sich vorbeiziehen lassen. Das skandinavische Land hat massiv in Vietnams Windindustrie investiert. Noch im Jahr 2018 entfiel auf Japan hinter Singapur der zweitgrößte Anteil aller ausländischen Direktinvestitionen.
Transport: Japan finanziert Großteil von Vietnams Nationalstraßen
Japan führt bei Ausbau und Entwicklung von wichtiger Transportinfrastruktur. In einem Bericht von JICA von Oktober 2021 heißt es, dass 70 Prozent aller vietnamesischer Nationalstraßen mit ODA aus Japan gebaut oder ausgebaut werden. Im Jahr 2021 wurden 61 japanische Projekte im Straßenbau durch Entwicklungshilfe finanziert.
Ein aktuelles Vorhaben ist die dritte Ringstraße von Hanoi. Hinzu kommt der weitere Ausbau der Nord-Süd-Autobahn mit japanischer Entwicklungshilfe. Die Autobahn verbindet die Hauptstadtregion um Hanoi mit der Wirtschaftsmetropole Ho-Chi-Minh-City im Süden. Weiteres Engagement der JICA findet sich beim Bau der Stadtbahnen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-City.
Ein Großprojekt mit starker japanischer Beteiligung ist der neue Tiefenwasserhafen Lach Huyen nahe der Küstenstadt Haiphong unweit Hanois. Dort sollen künftig Containerschiffe mit Kapazitäten zwischen 4.000 und 6.000 Zwanzig-Fuß-Standardcontainern (TEU) abgefertigt werden.
Vietnam veranschlagt in seinem Masterplan für Transportinfrastruktur 2021 bis zu 65 Milliarden US$ an Neuinvestitionen. Diese sollen in mehr als 5.000 Kilometer Straßennetz, den Bau zweier Nord-Süd-Hochgeschwindigkeitsbahntrassen und mindestens drei große Flughafenprojekte fließen. Darunter ist auch der Bau des neuen Long Tanh-Flughafens vierzig Kilometer östlich von Hanoi.
Energie: Große Projekte bleiben schmutzig
Rund 70 Prozent der insgesamt 9 Milliarden US$ an Investitionen für die Ölraffinerie Nghi Son stellte die Japanische Entwicklungsbank für Internationale Zusammenarbeit (JBIC) zur Verfügung. Die größte Ölraffinerie Vietnams produziert unter anderem Kraftstoffe. Japanische Bauunternehmen wie JCG und Chiyoda sind Auftragnehmer des Projekts. Doch auch Südkoreas GS Engineering und die französische Technip-Gruppe sind Teil des internationalen Konsortiums zum Bau der Raffinerie.
Im Kreuzfeuer der Kritik stehen Japans umstrittene Investitionen in das Kohlekraftwerk Vung Anh 2. Mit der Korea Electric Power Corporation (KEPCO) hat auch ein südkoreanisches Energieunternehmen in das Werk investiert. Ähnlich wie China haben Japan und Südkorea auf größeren internationalen Druck hin erst 2021 erklärt, dass sie nicht weiter in Kohlekraft im Auslandsbau investieren wollen.
Auch bei erneuerbaren Energie zeigten sich japanische Firmen erst 2021 aktiv. Marubeni Green Power war eines der ersten Unternehmen, die seitdem in kommerzielle beziehungsweise industrielle Solarprojekte in Vietnam einsteigen. Auch Japans Entwicklungshilfe-Dienstleister JICA ist nun dabei: Bis zu 25 Millionen US$ sollen im Rahmen eines Infrastrukturabkommens für den Ausbau der Windenergie in Vietnam bereitgestellt werden. Europäische Unternehmen wie Vestas aus Dänemark sind bisher führend.
Digitalisierung: Neue Technologien konzentrieren sich in Industrieparks
Mit 364 Industrieparks im Jahr 2020 zeigt Vietnam, welche Bedeutung der Fertigungsindustrie zukommt. Japans Wirtschaft bringt Expertise ein, so verfügt beispielsweise der Bauriese Sumitomo über 20 Jahre Erfahrung im Bau von Industrieparks. Seit 1997 baut das Unternehmen den Industrieparkkomplex Thang Long im Norden Vietnams aus. Japanische Firmen verfügen in diesem Bereich somit über die längste Erfahrung in Vietnam.
Sonderwirtschaftszonen und Industrieparks in Vietnam sind von großer Bedeutung für Japans Engagement im Land. Denn die eigenen Unternehmen ziehen japanisch gemanagte Service- und Produktionsumgebungen anderen vor. Die japanische Regierung unterstützt die Verlagerung aus China nach Vietnam mit Fördermitteln und sorgt für weiteres Interesse an dem Standort.
Damit konzentrieren sich viele japanische Unternehmen einschließlich modernster Technologien in den Industrieparks. Digitale Infrastruktur wie künstliche Intelligenz, 5G, Blockchain-Technologien oder auch der Einsatz des Internet of Things finden sich in den vietnamesischen Fabriken japanischer Firmen wie Daikin.
Von Marcus Hernig
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Bonn