Branche kompakt | Kanada | Energiewirtschaft
Markttrends
Eine klare Technologiepräferenz gibt es im Hinblick auf Erneuerbare nicht. Für Projektentwickler rücken neben Alberta verstärkt Québec, Ontario und Saskatchewan in den Fokus.
18.03.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Kanada verzeichnet im Bereich der erneuerbaren Energien ein rasantes Wachstum. Kanadas Wind-, Solar- und Energiespeicherkapazitäten sind von 2020 bis 2024 pro Jahr im Schnitt um knapp 10 Prozent gewachsen. Von den bis Ende 2024 installierten gut 24 Gigawatt entfallen knapp zwei Drittel auf Windkraft. Diese erreicht in Kanada einen Anteil von gut 6 Prozent an der gesamten Stromerzeugung.
Der Ausbau dürfte in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Die Canadian Renewable Energy Association prognostiziert, dass Kanada jährlich etwa 5 Gigawatt an erneuerbaren Energien hinzufügen muss, um seine Klimaziele zu erreichen.
Wind- und Solarenergie haben großes Ausbaupotenzial
Wasserkraft dürfte bei der Energiewende in dem nordamerikanischen Land zwar die Hauptrolle spielen. Wind- und Solarenergie gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung, da sie größere Ausbaupotenziale bieten. Vor allem in Regionen mit hohem Kohlestromanteil sind mittelfristig die Chancen für Windkraft am höchsten. Dabei gibt es zwischen den Provinzen große Unterschiede: Während Ontario auf einen Mix aus Kernkraft, Wind- und Solarenergie setzt, wird in British Columbia, Manitoba, Québec sowie Neufundland und Labrador Strom hauptsächlich aus Wasserkraft gewonnen. British Columbia erkundet auch das Potenzial von Gezeiten- und Erdwärmeenergie.
Viele Wind- und Solarprojektentwickler richteten ihr Augenmerk in den letzten Jahren stark auf Alberta. Im Dezember 2024 veröffentlichte die Provinz allerdings neue Richtlinien, wie Wind- und Solarprojekte künftig umgesetzt werden können. Diese enthalten erhebliche Beschränkungen für die Entwicklung solcher Vorhaben, wie zum Beispiel ein Verbot von Projekten auf bestimmten landwirtschaftlichen Nutzflächen und innerhalb von Pufferzonen um Naturschutzgebiete. In den letzten Monaten wurden in Alberta daher deutlich weniger Wind- und Solarprojekte angekündigt als in den Vorjahren.
Alberta bleibt zwar ein wichtiger Akteur auf dem Windenergiemarkt. Die Provinz hat mehrere Großprojekte in der Pipeline, darunter Buffalo Plains in Vulcan County, den bisher größten in Kanada geplanten Onshore-Windpark, der bei Fertigstellung eine Leistung von 495 Megawatt erreichen wird. Dennoch rücken andere kanadische Provinzen nun stärker in den Fokus. Ontario zum Beispiel plant, in den nächsten fünf Jahren 2 Gigawatt Strom aus emissionsfreien Quellen auszuschreiben, darunter Sonne, Wind und Wasser. Das staatliche Unternehmen Hydro-Québec will in der östlichen Nachbarprovinz bis 2035 bis zu 10 Gigawatt erneuerbare Energie ans Netz bringen, hauptsächlich Windkraft-, aber auch Solaranlagen.
Atlantikprovinzen wollen grünen Wasserstoff aus Windkraft produzieren
Nova Scotia ist Vorreiter bei der Entwicklung der Offshore-Windenergie in Kanada. Die Provinz will bereits im Jahr 2025 Auktionen für Pachtverträge von Offshore-Windprojekten mit einer Kapazität von 5 Gigawatt anbieten. Das Projekt Nova East Wind, ein Joint Venture zwischen DP Energy und SBM Offshore, soll den ersten Offshore-Windpark Kanadas mit einer Erzeugungskapazität von 400 Megawatt entwickeln.
In den Atlantikprovinzen Nova Scotia sowie Neufundland und Labrador soll Windenergie aber nicht primär der heimischen Energieversorgung dienen, sondern zur Produktion von grünem Wasserstoff, der dann später in Form von Ammoniak nach Deutschland verschifft werden soll. In Nova Scotia eignet sich dafür vor allem Offshore-Wind, während an manchen Orten in Neufundland auch Onshore-Windkraftanlagen ähnlich stark ausgelastet wären wie auf See. Die Chancen, dort Offshore-Windgebiete wirtschaftlich zu erschließen, haben sich Ende 2024 verbessert: Denn dank neuer Gesetze agieren die Offshore-Erdölbehörden beider Provinzen nun als vollständige Offshore-Energieregulierungsbehörden, was auch Erneuerbare-Energie-Projekte einschließt.
Kanada investiert auch in Kernkraft und Erdgasinfrastruktur
Doch Kanada plant bei emissionsfreiem Strom ebenso mit dem Ausbau der Kernkraft. Das Land will seine Reaktoren umfassend modernisieren. In Ontario ist Atomkraft der wichtigste Stromlieferant (60 Prozent Anteil an der Stromerzeugung der Provinz), in New Brunswick beträgt der Anteil etwa 30 Prozent.
Darüber hinaus investiert Kanada erhebliche Summen in die Erdgasinfrastruktur. Im Mai 2024 wurde die ausgebaute Trans Mountain Pipeline in Betrieb genommen. Die Coastal GasLink-Pipeline, die Erdgas an das Terminal von LNG Canada in Kitimat, British Columbia, liefert, war bereits ein paar Monate früher fertig. Die Bauarbeiten an diesem ersten großen LNG-Exportterminal sind zu über 95 Prozent abgeschlossen, und die erste Lieferung wird Mitte 2025 erwartet. Diese Projekte unterstreichen die anhaltend große Bedeutung von Erdgas im kanadischen Energiemix.
Deutschen Unternehmen bieten sich vielfältige Geschäftschancen
Der Bedarf an Technologien und Know-how im Bereich erneuerbare Energien und Netzmodernisierung ist groß. Denn um erneuerbare Energien in das Stromnetz zu integrieren, investiert Kanada massiv in die Modernisierung und den Ausbau seiner Netze. Allein die Regionalversorger in British Columbia und Québec haben für den Ausbau ihrer Stromnetze Anfang 2024 Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe angekündigt.
Das bietet deutschen Unternehmen zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten. RWE hat bereits vor vier Jahren einen langfristigen Stromabnahmevertrag für sein Solarkraftwerk in Alberta abgeschlossen. Das baden-württembergische Unternehmen hep solar baut im Süden Albertas einen großen Solarpark. Die Nordex Group erhielt seit Herbst 2024 in Kanada mehrere Aufträge über Windkraftanlagen. Auch Siemens Gamesa und Enercon liefern Windturbinen nach Kanada. Und der Wiesbadener Projektentwickler ABO Energy bekam 2023 auf staatlichem Land in Neufundland und Labrador den Zuschlag für ein Fünf-Gigawatt-Wind- und Wasserstoffprojekt.
Projektbezeichnung (Standort/Provinz) | Leistung | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen |
---|---|---|---|---|
Des Neiges Wind Projects (Québec) | 1.200 | Boralex/Énergir/Hydro Québec | in der Entwicklung | 2.189 |
Luna Solar Project Phase I & II (Alberta) | 930 | Greengate Power | in der Entwicklung; Phase I soll bis Ende 2025 abgeschlossen werden, Phase II bis Ende 2026 | k.A. |
Pe-na-koyim Wind Project (Alberta)
| 497 | EDF Renewables Canada und Kainai/Blood Tribe | in der Entwicklungs- und Genehmigungsphase; Baubeginn voraussichtlich im 3. Quartal 2025; kommerzieller Betrieb voraussichtlich im Jahr 2028 | k.A. |
Oyen Wind Power Project (Alberta) | 466 | Renewable Energy Systems | in der Entwicklungs- und Genehmigungsphase; Fertigstellung voraussichtlich Ende 2028 | 255 |
Rainier Solar Farm (Alberta) | 450 | Solar Kraft und Kinbrook Solar | in Bau; kommerzieller Betrieb soll Mitte 2025 starten | 510 |
Aira Solar Project (Alberta) | 450 | Horizon New Energy | Fertigstellung voraussichtlich im Laufe des Jahres 2025 | 510 |
South Central Wind Project (Saskatchewan) | 450 | SaskPower | Planungs- und Beratungsphase | k.A. |
Nova East Wind Offshore Wind Project (Nova Scotia) | 400 | DP Energy Canada | in der Entwicklungs- und Genehmigungsphase; der Bau soll 2028 beginnen und 2030 abgeschlossen sein | k.A. |
Nicolet-Yamaska Wind Farm (Quebec) | 400 | Innergex | in der Entwicklungsphase; Baubeginn voraussichtlich im Frühjahr 2026, Inbetriebnahme 2027 | 875 |
Homestead Solar Project (Alberta)
| 400 | Kiwetinohk Energy | in der Entwicklung; Fertigstellung voraussichtlich im Laufe des Jahres 2026 | 438 |