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Recycling von E-Autobatterien in Kanada braucht stärkeren Anschub
Recyclinganlagen werden deutlich geringer gefördert als Batteriewerke. Dennoch: Immer mehr Firmen entwickeln Technologien zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Schwarzmasse.
06.09.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Das Start-up Lithion Technologies hat im Juni 2024 seine erste kommerzielle Anlage zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien in Kanada in Betrieb genommen. Sie kann bis zu 10.000 Tonnen Batteriematerial pro Jahr zu "schwarzer Masse" verarbeiten; ein Gemisch, das Nickel, Kobalt und Lithium enthält. Künftig sollen es sogar 20.000 Tonnen werden.
Mit Li-Cycle verfügt noch ein weiterer kanadischer Batterierecycler über ein innovatives, patentiertes Verfahren, mit dem sich bis zu 95 Prozent der wichtigen Materialien aus Lithium-Ionen-Batterien zurückgewinnen lassen – und das jeweils in einer Qualität, die sich von frisch abgebauten Mineralien nicht unterscheidet. Die zurzeit entstehenden Batteriefabriken dürften daher die Hauptkunden der beiden Unternehmen werden. Li-Cycle betreibt mehrere Anlagen in Kanada und den USA sowie seit September 2023 auch eine in Magdeburg. Wenige Wochen später hat das Unternehmen jedoch den Bau seiner Anlage im US-Bundesstaat New York vorerst gestoppt, nachdem die Kosten zu stark gestiegen waren.
Steigender Bedarf an Recyclingkapazitäten
Lithion Technologies hat seine Anlage in der Nähe von Montreal gebaut – aus gutem Grund: Denn General Motors (GM), Ford und Northvolt wollen dort ihre Fertigungsstandorte auf E-Mobile umrüsten oder Fabriken für Batteriematerialien hochziehen. Dadurch fallen große Mengen an potenziellen Rohstoffen an. Auch im Nordosten der USA will Lithion Technologies bald tätig werden.
Rohstoffe wollen die Recycler vor allem aus E-Autobatterien zurückgewinnen. Daher haben sie strategische Vereinbarungen mit E-Fahrzeugbauern unterzeichnet: Lithion Technologies unter anderem mit GM, Li-Cycle mit Daimler Trucks North America.
Aus Altbatterien wiedergewonnene Metalle lassen sich zwar auch für die Produktion von Kathoden nutzen, die in neuen Batteriezellen eingesetzt werden. Inwieweit Kathodenfabriken aber in näherer Zukunft als Großkunden in Frage kommen, ist noch offen. BASF und Umicore hatten jeweils eine solche Fabrik in Kanada geplant, diese Pläne aber vorerst auf Eis gelegt. Beide Konzerne prüfen angesichts der schleppenden Entwicklung in der Elektromobilität derzeit das weitere Vorgehen auf dem nordamerikanischen Markt.
Längerfristig wird aber ein höherer Bedarf an Recyclingkapazitäten erwartet. So plant Kanada – ebenso wie Deutschland – ab 2035 das Verbrenner-Aus: Alle ab dann verkauften Pkw, SUVs und leichten Nutzfahrzeuge sollen emissionsfrei sein. Zudem dürften die ersten E-Fahrzeug-Batterien schon bis 2030 das Ende ihres Lebenszyklus erreichen.
Recycling bisher nicht im Fokus bei Fördermitteln
Um dem zu erwartenden Bedarf an Recyclingkapazitäten gerecht zu werden, muss Kanada noch einen Zahn zulegen. Die Regierung in Ottawa hat zwar, zusammen mit den Provinzregierungen in Ontario und Québec, insgesamt fast 30 Milliarden US-Dollar (US$) an Fördergeld für Investitionen in die Batterielieferkette zugesagt, damit global agierende Unternehmen Produktionsstätten in Kanada errichten. Diese konzentrieren sich bislang aber weitgehend auf die Herstellung oder Montage von Autobatterien.
Im Gegensatz dazu erhalten Unternehmen, die sich mit der Wiederverwendung oder dem Recycling von Batterien beschäftigen, nur kleinere Beträge. Den größten erhielt bisher Lithion Technologies im Jahr 2022 von der Provinzregierung in Québec: 22,5 Millionen US$. Im Juni 2024 kündigte die Bundesregierung an, jeweils 3,7 Millionen US$ an Electra Battery Materials und Mining Innovation Rehabilitation and Applied Research (MIRARCO) auszuschütten. Die beiden Unternehmen aus Sudbury, Ontario, entwickeln ebenfalls Technologien zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Schwarzmasse.
Einen wichtigen Anreiz dürften künftig die rückzahlbaren Steuergutschriften (Investment Tax Credits; ITCs) bieten, die Kanada für Investitionen in eine saubere Wirtschaft beschlossen hat. So könnte zum Beispiel der Clean Technology Manufacturing ITC die Produktion, Verarbeitung und das Recycling kritischer Mineralien ankurbeln.
Batterierecycling bislang kaum verbindlich geregelt
Doch für einen Durchbruch im Recycling von Autobatterien mangelt es nicht nur an Geld. Es gibt in Nordamerika bislang keine umfassenden rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit ausgedienten Lithium-Ionen-Batterien. Zu dem Ergebnis kam eine im Oktober 2023 veröffentlichte Studie der Initiative für nachhaltige Energie der York University in Toronto. Danach sind in Nordamerika bisher nur die kanadische Provinz British Columbia und der US-Bundesstaat Kalifornien dabei, erste regulatorische Strukturen zu schaffen.
British Columbia hat Anstrengungen in Richtung einer erweiterten Herstellerverantwortung unternommen und verlangt seit 2021 von den Produzenten, die Sammlung und das Recycling zu organisieren. Québec hat im Juni 2023 ein freiwilliges Rücknahmesystem eingeführt. Andere Provinzen, darunter Ontario, lehnen Regelungen zum Post-Consumer-Recycling von Lithium-Ionen-Batterien bisher ab.
Wiederverwertung von Kleinbatterien lohnt sich
Lithion Technologies nimmt auch kleinere Batterien der Unterhaltungselektronik an. Dabei kooperiert das Unternehmen mit Call2Recycle Canada: Die Non-Profit-Organisation aus Toronto hat sich mit mehr als 400 Partnern, darunter Herstellern von Einweg- und wiederaufladbaren Batterien, zusammengetan, damit diese ihre Verpflichtungen zur Produktverantwortung erfüllen können. Auf diese Weise sichert sich der Batterierecycler einen beständigen Zustrom an kleineren Altbatterien, unter anderem für elektronische Geräte und Werkzeuge sowie E-Bikes.
Erst im Juli 2024 haben Call2Recycle Canada und EVSX eine Anlage in der Region Niagara, Ontario, in Betrieb genommen. Dort werden Wertstoffe aus alkalischen Batterien zurückgewonnen. EVSX ist die Batterierecycling-Tochter des Unternehmens St-Georges Eco-Mining.