Special | Zentralasien | Global Gateway
EU verspricht Zentralasien 10 Milliarden Euro für Transportsektor
Studien für bessere Transportwege in Zentralasien liegen bereits auf dem Tisch. Nun sucht die EU im Privatsektor nach Ideen, wie sich die Vorhaben umsetzen lassen. (Stand: 19.02.2024)
Von Edda Schlager | Berlin
Europäische und internationale Finanzinstitutionen werden 10 Milliarden Euro für nachhaltige Verkehrsnetze in Zentralasien bereitstellen. Das ist das Ergebnis des Investorenforums für Transportkonnektivität zwischen der EU und Zentralasien. Dieses fand im Rahmen der europäischen Infrastrukturinitiative Global Gateway am 29. und 30. Januar 2024 in Brüssel statt. Die Mittelzusagen setzen sich zusammen aus laufenden und geplanten Investitionen. Laut EU-Kommission sollen diese kurzfristig durch die EU und ihre Partner in Form von Zuschüssen und Investitionsgarantien mobilisiert werden.
Forum folgt Empfehlungen von EU-Transportstudie
Das Forum diente als Follow-up-Veranstaltung zur im Sommer 2023 vorgelegten Studie zu nachhaltigen Transportkorridoren in Zentralasien. Die EU-Kommission hatte sie bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) beauftragt.
Rund 500 Gäste waren der Einladung der EU zum Investorenforum für Transportkonnektivität in Zentralasien gefolgt. Laut Veranstalter so viel wie nie zuvor bei diesem Thema – ein Beleg für das gestiegene europäische Interesse an Zentralasien. Vertreten waren neben zahlreichen EU-Institutionen Regierungsmitglieder der fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, Repräsentanten von Regierungsinstitutionen aus Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Türkei und weiteren europäischen Ländern. Hinzu kamen internationale Finanzinstitutionen und Unternehmen aus allen vertretenen Ländern.
Die EBRD-Studie identifizierte 33 Infrastrukturprojekte und sieben weiche Konnektivitätsfaktoren, die eine bessere Vernetzung der zentralasiatischen Länder untereinander und der Region mit Europa durch den sogenannten Mittleren Korridor ermöglichen sollen. Wie werden diese Projekte nun realisiert und welche zuerst? Das waren die drängenden Fragen der Teilnehmenden des Forums.
EU plant umfangreiches Maßnahmenpaket
Die EU antwortet mit folgenden im Zuge des Forums getroffenen Vorhaben und Vereinbarungen:
- Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterzeichnete mit den Regierungen Kasachstans, Kirgisistans und Usbekistans sowie mit der Entwicklungsbank Kasachstans (KDB) vier Absichtserklärungen in Höhe von insgesamt 1,47 Milliarden Euro, um die Verkehrsinfrastruktur zu entwickeln. Dazu gehört unter anderem technische Hilfe für ein regionales Verkehrsprogramm für Zentralasien, das 2025 verabschiedet werden soll.
- Die EBRD unterzeichnete eine Absichtserklärung mit Kasachstan, die ein Bündel an Vorhaben im Wert von 1,5 Milliarden Euro vorsieht, wobei Projekte für bessere Verkehrskonnektivität in Zentralasien bereits vorbereitet werden.
- Eine Koordinierungsplattform, um die Zusammenarbeit zu überwachen und zu verbessern und die Entwicklung des transkaspischen Verkehrskorridors auf Kurs zu halten.
- Ein auf regionalen Wohlstand ausgerichtetes Programm, das 2024 anläuft, vom Internationalen Handelszentrum (ITC) und der OECD umgesetzt wird und auf die praktische Umsetzung und Nutzung der transkaspischen Verkehrsnetze abzielt.
- Die Einführung des Instruments hochrangiger Berater, sogenannter Twinning Advisors, die ab 2024 in den Verkehrsministerien aller fünf zentralasiatischen Länder eingesetzt werden sollen. In den kommenden Monaten wird mit der Organisation von Treffen zum Thema weiche Konnektivität begonnen.
Wie genau sich die Investitionssumme von 10 Milliarden Euro über die genannten Eckpunkte hinaus zusammensetzt, ist bislang unbekannt. Ausschreibungen von EIB, EBRD und anderen Gebern sowie Projektmeldungen finden Sie in der GTAI-Datenbank.
Interesse am Mittleren Korridor wächst – trotz Problemen
Die Schwächen des Mittleren Korridors wurden beim Forum offen diskutiert: Moderne Transportinfrastruktur fehlt stellenweise. Zollverfahren an den zahlreichen zu überquerenden Landesgrenzen sind rechtlich kaum synchronisiert und nicht digitalisiert. Die Schiffsflotte auf dem Kaspischen Meer ist veraltet und hat eingeschränkte Kapazitäten. Aufgrund dieser Mankos wird die Route als unzuverlässig und wenig berechenbar wahrgenommen. Anstatt Güter vom Westen Chinas bis nach Mitteleuropa in 14 Tagen zu transportieren, wie theoretisch möglich, sind diese teilweise bis zu 60 Tage unterwegs.
Dennoch wächst das Interesse am transkaspischen Korridor seitens der europäischen Privatwirtschaft. Beim Forum vertreten waren unter anderem die Logistikunternehmen Hellmann East Europe, die Hamburger Hafen und Logistik HHLA, die Reederei Maersk und ihre Tochter APM Terminals, die den georgischen Hafen Poti betreibt, die Hafenbehörde Antwerp-Bruges, die polnischen Häfen Gdansk und Gdynia und der türkische Energiekonzern Çalık Enerji. Aktuell sind die Warenströme jedoch noch zu klein, als dass deutsche Unternehmen in großem Stil investieren würden.
Zentralasien fordert EU mit neuem Selbstbewusstsein
Einerseits versicherten die zentralasiatischen Regierungsvertreter, wie wichtig die Zusammenarbeit ihrer Länder mit der EU im Bereich Konnektivität sei. Doch scheint diese zwischen den Ländern untereinander noch zu fehlen. Die beiden größten Volkswirtschaften, Kasachstan und Usbekistan, entwickeln unabhängig voneinander parallel verlaufende Transportstrukturen – den Ausbau der Eisenbahntrasse von der kasachisch-chinesischen Grenze zu den kasachischen Kaspi-Häfen Aktau und Kuryk und eine Trasse von China über Kirgisistan und Usbekistan zum turkmenischen Hafen Turkmenbaschi. Eine Abstimmung oder Verbindung der Großprojekte steht derzeit nicht im Raum.
Andererseits bemängeln die Vertreter Zentralasiens die oft langsamen EU-Entscheidungsprozesse. Die Länder Zentralasiens sind auch offen für Investoren aus Ostasien, insbesondere China und Südkorea, sowie dem Nahen Osten. Inoffiziell heißt es: "Wir können die Infrastruktur auch schneller und ohne die EU ausbauen." Die EU ihrerseits plant für 2025 ein weiteres Investorenforum mit Zentralasien. Die vereinbarte Koordinierungsplattform solle "im Laufe der nächsten zwei Jahre entstehen", so ein EU-Offizieller vor Ort in Brüssel.