Kolumbiens Abfallwirtschaft steht privaten Unternehmen offen. Europäische Firmen sind bedeutend. Die Regulatorik ist ein großes Hindernis für Verwertungstechnologien.
In Kolumbien fielen im Jahr 2021 rund 30,3 Millionen Tonnen Müll und Abfallprodukte an, so Zahlen des Statistikamts DANE. Davon entfallen 56 Prozent auf Industrieabfälle sowie Importe und 44 Prozent auf Hausmüll. Der Großteil der Abfälle ist organisch. Laut Zahlen der Weltbank lag das Land 2018 in Lateinamerika mit einer Abfallrate von täglich 0,76 Kilogramm pro Einwohner im unteren Drittel. Allerdings schwankt die Zahl innerhalb des Landes stark. So wird in Bogotá über 1 Kilogramm pro Einwohner erzeugt, in Cali sind es dagegen nur 0,4 Kilogramm, so eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Auch die Abfallverwertung im Land ist ungleich verteilt (Bogotá: 30 Prozent, Cali: 6 Prozent).
Öffentliche und private Unternehmen sorgen für Abfallmanagement
In Kolumbien ist das Management von Hausabfällen, einschließlich Deponierung und Verwertung, seit 1994 ein öffentlicher Entsorgungsdienst (Servicio Público de Aseo, SPA). Daneben besteht ein freier Markt der Abfallwirtschaft. So hat der Müllerzeuger auch die Möglichkeit, für das Abfallmanagement ein Unternehmen zu beauftragen, das außerhalb des SPA agiert. Unternehmen und formalisierte oder informelle Müllsammler (recicladores) führen die Abholung, den Transport und die Trennung des Abfalls durch. Abseits des SPA werden die Abfälle durch den Betreiber der Verwertungs- oder Entsorgungsanlage, durch spezialisierte private Unternehmen oder durch den Erzeuger gesammelt und transportiert. Die Abdeckung von Sammlung und Transport des Abfalls in Kolumbien liegt bei nahezu 100 Prozent. Damit sind kolumbianische Städte in Lateinamerika führend. Allerdings ist die Sammlung nur in wenigen Städten mechanisiert und wenn, dann nur zu einem geringen Anteil.
Abfallbehandlung ist noch rar
Nur ein kleiner Teil der Städte und Gemeinden verfügt über Abfallbehandlungsanlagen. Der Großteil des Hausmülls in Kolumbien landet auf Deponien. Abfallbehandlungsanlagen im und außerhalb des SPA dienen meist zur Verwertung biologischer Abfälle für Düngemittel, Hummus und dergleichen. Kompostierung ist eine beliebte Methode, da Investition und Betrieb deutlich kostengünstiger sind als Technologien wie Biogasproduktion. Der Modernisierungsgrad der Anlagen schwankt enorm. Langfristig bieten sich Chancen bei automatisierter Trennung, Trocknung und effizienter Kompostierungstechnik.
Anreize in größeren Städten
Bei der Abfallentsorgung herrscht in den meisten Gemeinden eine monopolistische Marktstruktur, so eine Studie der German RETech Partnership. In größeren Gemeinden bestehen eher Anreize für private Anbieter. In Kolumbiens Abfallwirtschaft dominieren wichtige Abfallunternehmen wie Veolia (Frankreich) und Interaseo (Kolumbien). Veolia ist auch Marktführer bei der Sammlung und Behandlung von gefährlichem Abfall in Kolumbien und betreibt ein Werk bei Mosquera im Bundesstaat Cundinamarca. Bogotá arbeitet mit fünf Abfallunternehmen zusammen: Área Limpia, Bogotá Limpia, Ciudad Limpia, LIME und Promoambiental Distrito. Emvarias ist in Medellín ein bedeutender Akteur. Enka ist bei PET-Recycling führend und weihte Anfang 2023 eine neue Fabrik in Girardota im Bundesstaat Antioquia ein.
Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl wichtiger Unternehmen in unterschiedlichen Abfallsegmenten:
Wichtige Branchenunternehmen in KolumbienUnternehmen | Sparte |
---|
Interaseo | Abfallentsorgung |
Veolia | Abfallentsorgung |
Grupo EPM | Abfallentsorgung |
Tecniamsa (Veolia) | Sonderabfalldienstleister |
Lito | Sonderabfalldienstleister |
Kimberly Clark | Altpapierverwerter |
Enka | Kunststoffverwerter |
Gaia Vitare | Elektroaltgeräteverwerter |
Inerco | Umwelttechnik- und Beratungsunternehmen |
Quelle: German RETech Partnership 2021, Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Europäische Firmen spielen wichtige Rolle
Im Jahr 2020 importierte Kolumbien Umwelttechnik für 139 Millionen US-Dollar (US$). Neben den USA gehören China, Deutschland, Spanien, Frankreich, Brasilien, Mexiko und Italien zu wichtigen Lieferanten. Branchenkenner raten zu lokalen Partnern, die politisch gut vernetzt sind. Zudem sollten deutsche Firmen sich gut mit dem regulatorischen Rahmen auskennen, der mitunter kompliziert sein kann.
Regulatorischer Rahmen steht Abfallverwertung im Wege
Die tarifären Rahmenbedingungen im Land sind ausschlaggebend für die Rentabilität von Projekten in Kolumbiens öffentlicher Abfallwirtschaft. Diese Rahmenbedingungen sorgen für Anreize zugunsten der Abfalldeponierung anstatt Verwertungstechnologien. Die Resolution CRA 720 von 2015 etabliert die Berechnung der Entsorgungsgebühren. Bei der Berechnung darf ein bestimmter Höchstsatz nicht überschritten werden und die Deponierung gilt als Referenztechnologie für die Vergütung der Abfallversorgung.
Laut Berechnungen vom Branchenverband Andesco, liegt der benötigte Tarif, damit Projekte rentabel sind, für Kompostierung bei umgerechnet 14 US$, für Vergärung bei 22 US$, für mechanische Behandlung bei 34 US$ und für Verbrennung bei 55 US$ pro Tonne. Die durchschnittlichen Kosten für Deponierung liegen allerdings nur bei etwa 7 US$ pro Tonne. Dadurch benötigen moderne Alternativen zur Deponierung mehr Geld, um finanziell tragfähig zu sein. Dementsprechend entscheiden sich Betreiber für die Deponierung und gegen die teurere Abfallbehandlung. Hinzukommt, dass Waste-to-Energy aufgrund der günstigen herkömmlichen Energieerzeugung im Land oft nicht rentabel ist.
"In Kolumbien ist die große Hürde für neue Technologien die Finanzierung und Rentabilität von Projekten. Ein neuer Tarifrahmen soll eingeführt werden. Derzeit befindet sich die Branche in einer Abwartehaltung",
sagt Ángela Escarria, Leiterin für Abfallwirtschaft beim Branchenverband Andesco
Das Problem ist in Wirtschaft und Politik bekannt. Die staatliche Politik für nationale Reindustrialisierung aus Dezember 2023 (CONPES 4129) plant 2024 eine Studie zu Hindernissen bei Normen, Tarifregulierung und Marktstruktur, die der Abfallverwertung im Wege stehen. Zusätzlich wird der Tarifrahmen derzeit aktualisiert, sowohl bezüglich Abfallverwertung als auch -aufbereitung. Dabei erfahre die zuständige Regulierungsbehörde Unterstützung durch die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB) und die GIZ. Künftig könnte sich der regulatorische Rahmen daher zugunsten von Kreislaufwirtschaft modernisieren.
Von Janosch Siepen
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Bogotá