Branchen | Lateinamerika | Nahrungsmittel, Getränke
Keiner isst gleich
Die Nahrungsmittelindustrie expandiert und fragt deutsche Maschinen nach. Auch in Lateinamerika dominieren Großkonzerne. Doch jeder Markt hat seine Eigenarten.
14.02.2023
Von Gloria Rose | São Paulo
Im internationalen Vergleich wurde Lateinamerika besonders stark von Covid-19 getroffen. Zwar klingt die Pandemie ab, doch die hohe Inflation höhlt die Kaufkraft der Bevölkerung aus - und die bereits hohen Einkommensunterschiede verschärfen sich. Um zu sparen, setzen Verbraucher auf Billigprodukte und Sparverpackungen.
Gleichzeitig stieg in der Coronapandemie die Nachfrage nach verarbeiteten Produkten vorübergehend stark an. Doch frisch zubereitete Mahlzeiten genießen einen hohen Stellenwert in der Region. Das spricht für den Convenience-Trend zu Lieferdiensten und Gastronomiebetrieben, die nur Online-Bestellungen bedienen. Dadurch verändert sich die Nachfragestruktur der Verbrauchermärkte in den großen Metropolregionen.
Märkte sind unterschiedlich weit entwickelt
Lateinamerikaner konsumieren deutlich weniger industrielle Lebensmittel als US-Amerikaner oder Europäer. Den höchsten Anteil an hochverarbeiteten Nahrungsmitteln nehmen Menschen im US-amerikanisch geprägten Mexiko und in Chile zu sich.
Der unterschiedliche Entwicklungsstand der einzelnen Märkte verdeutlicht sich auch an den Verpackungslösungen für frische Nahrungsmittel. Chilenen und Mexikaner nutzen ausgiebig portionierte Frischhalteverpackungen. Argentinien weist bereits viele Qualitätsprodukte von Wurst und Käse vor. Dafür ist Kolumbien bei Fisch weiter. Im gigantischen Inlandsmarkt Brasiliens überwiegen günstige Massenwaren in Großverpackungen. Außerhalb der großen Metropolen der Region wird Fleisch oft noch an der Fleischtheke im örtlichen Supermarkt geschnitten und nicht in portionierten Verpackungen verkauft.
Auch beim Export beschränken sich die brasilianischen Hersteller bislang auf einfache Großverpackungen. Für Brasilien sieht Michael Teschner, Geschäftsführer von Multivac Brasil und Präsident des Verbindungsbüros des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in São Paulo, daher noch viel Raum für Wachstum. Trotz der Unsicherheit über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung seien die Aussichten für 2023 eher positiv.
Dagegen sei der Maschinenmarkt in Chile relativ gesättigt. In Argentinien kurbeln unvorhersehbare Sondereffekte die Nachfrage nach Verpackungsmaschinen an. Beispielsweise trieben im Jahr 2022 staatlich gewährte Wechselkursvorteile die Maschinenimporte in die Höhe. Die kolumbianische Nahrungsmittelindustrie dürfte von der Wiederaufnahme des Handels mit Venezuela profitieren.
Herausforderungen für deutsche Maschinenbauer
Deutsche Maschinenbauer beliefern den lateinamerikanischen Markt hauptsächlich über Importe aus Deutschland und lokale Vertriebs- und Serviceniederlassungen. Im After-Sales-Service für Betriebe, die verderbliche Waren verarbeiten, kommt den Herstellern eine besondere Verantwortung zu. Dieser gerecht zu werden, ist in Zeiten gestörter Lieferketten eine Herausforderung. Auslieferungen von Neumaschinen können sich dadurch erheblich verzögern. Zudem können die starken Schwankungen der Produktionskosten und Wechselkurse zu Liquiditätsengpässen führen.
Mexiko gehört zu den zehn größten Exportmärkten für deutsche Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen. Das deutlich größere Brasilien steht lateinamerikaweit an zweiter Stelle. Ein Grund hierfür ist die stärkere Abschottung des brasilianischen Inlandsmarkts. Um im Wettbewerb mit lokalen Herstellern mithalten zu können, produzieren Maschinenbauer wie Optima, Multivac und Krones in der größten Volkswirtschaft der Region. Aufgrund hoher Logistikkosten und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Industrie lohnt sich aber nur sehr vereinzelt die Produktion für Märkte in Nachbarländern.
Lokale Konkurrenz
Automatisierung und Industrie-4.0-Lösungen treiben nur kapitalstarke Konzerne voran. Auch in Lateinamerika dominieren multinationale Firmen wie Kraft Heinz, PepsiCo, Nestlé, Unilever, General Mill's und Danone die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie.
Aber gerade in den größten Märkten der Region - Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Argentinien - machen ihnen lokale Hersteller Konkurrenz. Bei Bier prägen beispielsweise die Großkonzerne Ambev (Brasilien) und Grupo Modelo (Mexiko) den Markt. Beide gehören zur weltweit größten Brauereigruppe AB InBev. In der Fleischindustrie verfügt Brasilien mit JBS, Marfrig, BRF und Minerva Foods über gewichtige Großkonzerne
Unternehmen | Geschäftsfeld | Umsatz 2021 1 |
---|---|---|
Grupo Bimbo (Mexiko) | Backwaren | 17,2 2 |
Marfrig (Brasilien) | Fleischproduzent | 16,0 3 |
Arca Continental (Mexiko) | Getränke und Snacks | 9,0 |
BRF (Brasilien) | Verarbeitete Lebensmittel, insbesondere Fleisch, Wurst, Fertiggerichte | 9,0 |
Sigma Alimentos (Mexiko) | Gekühlte Lebensmittel | 6,8 |
Leche Gloria (Peru) | Milchprodukte | 5,0 |
Arcor (Argentinien) | Lebensmittel, Süßigkeiten, Pralinen, Kekse, Eiscreme, Agrarindustrie und Verpackungen | 3,2 |
Alicorp (Peru) | Konsumgüter | 3,0 |
Grupo Nutresa (Kolumbien) | Lebensmittelverarbeitung; Aufschnitt, Kekse, Pralinen, Kaffee, Eiscreme und Teigwaren | 3,0 |
M. Dias Branco (Brasilien) | Nudeln und Backwaren | 1,4 |
Nachhaltigkeit in Lieferketten
Ob Fleisch, Obst, Kaffee oder Orangensaft - Lateinamerika ist ein bedeutender Lieferant für deutsche Supermarktketten. Bislang exportiert die Agrarwirtschaft hauptsächlich Rohwaren. Im Zuge der Einführung von Sorgfaltspflichten in Lieferketten kann sich dies ändern. Schließlich werden nicht alle Zulieferer investieren. Dadurch verknappt sich das Angebot. In der neuen Marktstruktur kann sich eine Verarbeitung vor Ort lohnen.
Der Druck aus dem Finanzsektor wächst - insbesondere auf die brasilianischen Fleischkonzerne, die somit in Nachhaltigkeit und in die Rückverfolgung ihrer Lieferketten investieren. Für Anbieter, die Nachhaltigkeitssiegel prüfen, ergeben sich somit aussichtsreiche Wachstumschancen.
Absatzmarkt für deutsche Spezialitäten
Als Markt für deutsche Nahrungsmittel und Getränke ist Lateinamerika relativ unbedeutend. Weniger als 1 Prozent der deutschen Exporte - meist Schokolade, Gebäck, Wurst- und Käsewaren, Bier und Wein - werden in die Region versandt. In der Regel handelt es sich um hochwertige Produkte für Haushalte mit einem höheren Einkommen. Zur Erschließung des Verbrauchermarkts fertigen große deutsche Hersteller vereinzelt auch vor Ort. Die Oetker-Gruppe produziert in Brasilien und Mexiko. Auch Haribo und Melitta verfügen über Werke in Brasilien.
In vielen Ländern Lateinamerikas verschärfen die Gesundheitsbehörden die Richtlinien zum Gehalt von Zucker, Fetten und Natrium. Nach Mexiko überholten in den jüngsten Jahren auch Brasilien, Argentinien und Kolumbien die Vorgaben zur Etikettierung.
Kontaktadresse | Anmerkungen |
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Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Internationale Messe, 7. bis 9.3.2023 in Guadalajara (Mexiko) | |
Internationale Messe, 11. bis 13.4.2023 in São Paulo (Brasilien) | |
Internationale Messe, 5. bis 7.6.2023 in Lima (Peru) | |
Verband der Nahrungsmittelindustrie in Brasilien | |
Verband der Nahrungsmittelindustrie in Chile | |
Verband der Nahrungsmittelindustrie in Kolumbien | |
Asociación Nacional de Fabricantes de Alimentos y Bebidas (ANFAB) | Verband der Nahrungsmittelindustrie in Ecuador |
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