Litauens Maschinenbau durchläuft einen Transformationsprozess. Experten erwarten steigende Investitionen. Die Branche bekommt die Folgen internationaler Konflikte zu spüren.
Krieg in der Ukraine führt zu Engpässen bei Litauens Maschinenbauern
Die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine bekommen auch die litauischen Maschinenbauer zu spüren. Für die Branche sind die Ukraine, Belarus und Russland wichtige Stahl-Lieferanten. Russland ist darüber hinaus wichtiger Bezugsmarkt für Kunststoffe. Aufgrund der Sanktionen und weiterer Lieferengpässe müssen diese Waren nun auf anderen Märkten zu höheren Preisen beschafft werden, um bestehende Verträge beispielsweise mit deutschen Abnehmern zu erfüllen. Diese werden damit für die litauischen Maschinenbauer unprofitabel. Ein Ausstieg aus den Verträgen würde jedoch Vertragsstrafen zur Folge haben. Bei zukünftigen Kontrakten werden die litauischen Maschinenbauer ihre Preise entsprechend anheben.
Als Absatzmärkte für den heimischen Maschinenbau spielen die Ukraine, Belarus und Russland laut Litauischem Verbands der Ingenieurindustrie (Lietuvos inžinerijos ir technologijų pramonės asociacija- LINPRA) nur eine kleine Rolle. Der Absatz der nach Russland verkauften Waren sei seit mehreren Jahren rückläufig. Anders sieht es für in Litauen ansässige Handelsunternehmen aus. Wie LINPRA berichtet, kaufen diese in Deutschland und Schweden Maschinen ein, um sie anschließend auf dem russischen Markt zu verkaufen. Die Firmen profitieren dabei von den Sprachkenntnissen ihrer litauischen Mitarbeitenden. Da diese Handelsfirmen auf die re-exportierten Anlagen nur eine kleine Marge draufschlagen, seien die wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen für Litauens Wirtschaft nicht groß.
China bricht als Absatzmarkt weg
Eine weitere Herausforderung für litauische Maschinenbauer ist ein politischer Streit zwischen China und Litauen. China blockiert seit Dezember 2021 litauische Importe. Als direkter Absatzmarkt spielt das Reich der Mitte für die heimischen Maschinenbauer nur eine sehr kleine Rolle. Herausfordernder ist die Tatsache, dass China nicht nur den direkten Import aus Litauen blockiert. Auch Waren aus anderen Ländern, die litauische Komponenten enthalten, sind betroffen. Da litauische Firmen in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind, ist das für die Branche durchaus ein Problem. Auch der Export chinesischer Waren nach Litauen ist betroffen.
Bei Verhandlungen neuer Aufträge müssen die litauischen Betriebe nun auf diese Problematik hinweisen. "Dadurch könnten die Firmen neue Aufträge verlieren", berichtet Darius Lasionis, Direktor von LINPRA. Für einige Unternehmen könnte das chinesische Importembargo laut dem Experten zwar ein Problem sein. Er erwartet allerdings, dass die Firmen dafür Lösungen finden werden. "Die Betriebe produzieren die zuvor in Litauen gefertigten und für China bestimmten Produkte nun in Werken im Ausland. In den litauischen Produktionsstätten werden stattdessen Waren für übrige Märkte hergestellt", ergänzt Lasionis.
Litauens Maschinenbau durchläuft Veränderungsprozess
"Litauen ist nicht mehr der Standort für die günstige Produktion von Waren mit einer niedrigen Wertschöpfung", berichtet Lasionis. Die steigenden Arbeitskosten veranlassen die Unternehmen dazu, sich auf die Entwicklung innovativer Waren und Dienstleistungen zu konzentrieren. Derzeit gibt es zwar noch eine gewisse Zahl von litauischen Unternehmen, die auf die Produktion mit geringer Wertschöpfung setzen. Die Branche durchläuft aber einen Transformationsprozess.
Ziel ist eine höhere Bruttowertschöpfung bei der Produktion. Dies ist aufgrund der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt dringend notwendig. Ähnliches berichtet auch Tomas Jaskelevičius, CEO des Maschinenbauers Arginta Engineering: "Aufgrund der steigenden Arbeitskosten können in Litauen zukünftig nur noch Produkte mit hoher Wertschöpfung hergestellt werden. Lediglich die ingenieurintensive Fertigung wird im Land verbleiben."
Investitionen sollen zu höherer Produktivität führen
"Litauens Ingenieur- und Technologieunternehmen müssen neue Lösungen finden und in Digitalisierung und Produktivität investieren", kommentiert Lasionis die Entwicklungen des litauischen Maschinenbaus. Wie der Experte ergänzt, tue die Branche dies bereits seit etwa fünf Jahren. Allerdings auf unterschiedlichen Niveaus. Während einige Unternehmen bereits sehr weit fortgeschritten sind, machen andere gerade die ersten Schritte. Zunächst investieren die Unternehmen in sogenannte Enterprise-Ressource-Planning-Systeme (ERP-Systeme). Später folgen Ausgaben für die Sammlung von Daten, beispielsweise mithilfe von Sensoren, um die Produktivität zu erhöhen.
Die Unternehmen der Branche werden aufgrund von EU-Vorgaben zukünftig klimafreundlicher produzieren müssen. Laut LINPRA werden sie daher zwar in neue Maschinen sowie erneuerbare Energien-Kapazitäten investieren. Eine ökologischere Produktion sei jedoch nicht der Hauptgrund für die Ausgaben. Viele Betriebe würden ohnehin investieren. Die Auslastung der Branche liegt bereits seit einigen Jahren auf einem hohen Niveau. Das zeigt eine Unternehmensbefragung der Europäischen Kommission. Seit 2017 geben die Firmen im Durchschnitt eine Auslastung von über 80 Prozent an. Nach einem coronabedingten Rückgang im Jahr 2020 liegt die Quote seit der 2. Jahreshälfte 2021 wieder über 80 Prozent.
Deutscher Maschinenbauer verlässt Litauen aufgrund steigender Gehälter
Ein Beispiel für die aktuelle Transformation im litauischen Maschinenbau ist das deutsche Unternehmen Hanning Elektro-Werke. Im März 2022 wurde bekannt, dass sich der Hersteller von Antriebssystemen und -komponenten vom litauischen Markt zurückziehen wird. Am Standort in Vilnius beschäftigte das Unternehmen im Frühjahr 2022 etwa 160 Angestellte. Zu Hochzeiten waren es bis zu 300.
Allerdings ist es für Hanning Elektro-Werke aufgrund der stark gestiegenen Gehälter im Land zunehmend schwieriger, Personal zu finden und einzustellen. Die Arbeitskosten am Standort Vilnius seien mittlerweile so hoch, dass der Standort nicht mehr rentabel ist. Daher wird Hanning Elektro-Werke die litauische Niederlassung bis Jahresende 2022 schließen.
Von Niklas Becker
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