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Branche kompakt | Litauen | Maschinenbau

Litauens Maschinenbau ist im Wandel

In Zukunft wollen litauische Maschinenbauer Aufgaben mit höherer Wertschöpfung übernehmen. Grund dafür sind die steigenden Arbeitskosten. 

Von Niklas Becker | Vilnius

  • Markttrends

    Litauens Maschinenbau durchläuft einen Transformationsprozess. Experten erwarten steigende Investitionen. Die Branche bekommt die Folgen internationaler Konflikte zu spüren. 

    Krieg in der Ukraine führt zu Engpässen bei Litauens Maschinenbauern

    Die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine bekommen auch die litauischen Maschinenbauer zu spüren. Für die Branche sind die Ukraine, Belarus und Russland wichtige Stahl-Lieferanten. Russland ist darüber hinaus wichtiger Bezugsmarkt für Kunststoffe. Aufgrund der Sanktionen und weiterer Lieferengpässe müssen diese Waren nun auf anderen Märkten zu höheren Preisen beschafft werden, um bestehende Verträge beispielsweise mit deutschen Abnehmern zu erfüllen. Diese werden damit für die litauischen Maschinenbauer unprofitabel. Ein Ausstieg aus den Verträgen würde jedoch Vertragsstrafen zur Folge haben. Bei zukünftigen Kontrakten werden die litauischen Maschinenbauer ihre Preise entsprechend anheben. 

    Als Absatzmärkte für den heimischen Maschinenbau spielen die Ukraine, Belarus und Russland laut Litauischem Verbands der Ingenieurindustrie (Lietuvos inžinerijos ir technologijų pramonės asociacija- LINPRA) nur eine kleine Rolle. Der Absatz der nach Russland verkauften Waren sei seit mehreren Jahren rückläufig. Anders sieht es für in Litauen ansässige Handelsunternehmen aus. Wie LINPRA berichtet, kaufen diese in Deutschland und Schweden Maschinen ein, um sie anschließend auf dem russischen Markt zu verkaufen. Die Firmen profitieren dabei von den Sprachkenntnissen ihrer litauischen Mitarbeitenden. Da diese Handelsfirmen auf die re-exportierten Anlagen nur eine kleine Marge draufschlagen, seien die wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen für Litauens Wirtschaft nicht groß. 

    China bricht als Absatzmarkt weg

    Eine weitere Herausforderung für litauische Maschinenbauer ist ein politischer Streit zwischen China und Litauen. China blockiert seit Dezember 2021 litauische Importe. Als direkter Absatzmarkt spielt das Reich der Mitte für die heimischen Maschinenbauer nur eine sehr kleine Rolle. Herausfordernder ist die Tatsache, dass China nicht nur den direkten Import aus Litauen blockiert. Auch Waren aus anderen Ländern, die litauische Komponenten enthalten, sind betroffen. Da litauische Firmen in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind, ist das für die Branche durchaus ein Problem. Auch der Export chinesischer Waren nach Litauen ist betroffen. 

    Bei Verhandlungen neuer Aufträge müssen die litauischen Betriebe nun auf diese Problematik hinweisen. "Dadurch könnten die Firmen neue Aufträge verlieren", berichtet Darius Lasionis, Direktor von LINPRA. Für einige Unternehmen könnte das chinesische Importembargo laut dem Experten zwar ein Problem sein. Er erwartet allerdings, dass die Firmen dafür Lösungen finden werden. "Die Betriebe produzieren die zuvor in Litauen gefertigten und für China bestimmten Produkte nun in Werken im Ausland. In den litauischen Produktionsstätten werden stattdessen Waren für übrige Märkte hergestellt", ergänzt Lasionis. 

    Litauens Maschinenbau durchläuft Veränderungsprozess

    "Litauen ist nicht mehr der Standort für die günstige Produktion von Waren mit einer niedrigen Wertschöpfung", berichtet Lasionis. Die steigenden Arbeitskosten veranlassen die Unternehmen dazu, sich auf die Entwicklung innovativer Waren und Dienstleistungen zu konzentrieren. Derzeit gibt es zwar noch eine gewisse Zahl von litauischen Unternehmen, die auf die Produktion mit geringer Wertschöpfung setzen. Die Branche durchläuft aber einen Transformationsprozess.

    Ziel ist eine höhere Bruttowertschöpfung bei der Produktion. Dies ist aufgrund der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt dringend notwendig. Ähnliches berichtet auch Tomas Jaskelevičius, CEO des Maschinenbauers Arginta Engineering: "Aufgrund der steigenden Arbeitskosten können in Litauen zukünftig nur noch Produkte mit hoher Wertschöpfung hergestellt werden. Lediglich die ingenieurintensive Fertigung wird im Land verbleiben." 

    Investitionen sollen zu höherer Produktivität führen

    "Litauens Ingenieur- und Technologieunternehmen müssen neue Lösungen finden und in Digitalisierung und Produktivität investieren", kommentiert Lasionis die Entwicklungen des litauischen Maschinenbaus. Wie der Experte ergänzt, tue die Branche dies bereits seit etwa fünf Jahren. Allerdings auf unterschiedlichen Niveaus. Während einige Unternehmen bereits sehr weit fortgeschritten sind, machen andere gerade die ersten Schritte. Zunächst investieren die Unternehmen in sogenannte Enterprise-Ressource-Planning-Systeme (ERP-Systeme). Später folgen Ausgaben für die Sammlung von Daten, beispielsweise mithilfe von Sensoren, um die Produktivität zu erhöhen. 

    Die Unternehmen der Branche werden aufgrund von EU-Vorgaben zukünftig klimafreundlicher produzieren müssen. Laut LINPRA werden sie daher zwar in neue Maschinen sowie erneuerbare Energien-Kapazitäten investieren. Eine ökologischere Produktion sei jedoch nicht der Hauptgrund für die Ausgaben. Viele Betriebe würden ohnehin investieren. Die Auslastung der Branche liegt bereits seit einigen Jahren auf einem hohen Niveau. Das zeigt eine Unternehmensbefragung der Europäischen Kommission. Seit 2017 geben die Firmen im Durchschnitt eine Auslastung von über 80 Prozent an. Nach einem coronabedingten Rückgang im Jahr 2020 liegt die Quote seit der 2. Jahreshälfte 2021 wieder über 80 Prozent.  

    Deutscher Maschinenbauer verlässt Litauen aufgrund steigender Gehälter

    Ein Beispiel für die aktuelle Transformation im litauischen Maschinenbau ist das deutsche Unternehmen Hanning Elektro-Werke. Im März 2022 wurde bekannt, dass sich der Hersteller von Antriebssystemen und -komponenten vom litauischen Markt zurückziehen wird. Am Standort in Vilnius beschäftigte das Unternehmen im Frühjahr 2022 etwa 160 Angestellte. Zu Hochzeiten waren es bis zu 300.

    Allerdings ist es für Hanning Elektro-Werke aufgrund der stark gestiegenen Gehälter im Land zunehmend schwieriger, Personal zu finden und einzustellen. Die Arbeitskosten am Standort Vilnius seien mittlerweile so hoch, dass der Standort nicht mehr rentabel ist. Daher wird Hanning Elektro-Werke die litauische Niederlassung bis Jahresende 2022 schließen. 

    Von Niklas Becker | Vilnius

  • Branchenstruktur

    Kleinstbetriebe geben im litauischen Maschinenbau den Takt vor. Trotz gut ausgebildeter Fachingenieure macht der Fachkräftemangel der Branche stark zu schaffen. 

    Im Jahr 2019 belief sich die Bruttowertschöpfung im litauischen Maschinenbau nach Zahlen von Eurostat auf 245 Millionen Euro. Das entspricht etwa 3 Prozent der Wertschöpfung des Landes im verarbeitenden Gewerbe. Der stark exportorientierte Sektor zählte zum Jahresbeginn 2022 laut litauischem Statistikamt fast 200 Unternehmen. Mehr als die Hälfte davon sind Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Bei 14 Unternehmen standen mindestens 100 Angestellte auf dem Gehaltszettel. Eines davon entfiel zum Jahresbeginn 2022 auf die Kategorie 500 bis 999 Arbeitnehmer. Auch ausländische Maschinenbauer spielen in Litauen eine Rolle. 

    Produktion in den wichtigsten Maschinenbausparten in Litauen (in Millionen Euro, Veränderung und Marktanteil in Prozent)

    Sparte

    Jahr 2020

    Veränderung 2020/2019

    Marktanteil

    Industrielle Kühl- und Lüftungsanlagen

    185,4

    3,8

    39,9

    Land- und forstwirtschaftliche Maschinen

    55,1

    -2,6

    11,9

    Hebe- und Greifvorrichtungen

    45,7

    17,5

    9,8

    Maschinen für die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie sowie die Tabakverarbeitung

    31,1

    -0,8

    6,7

    Sonstige Armaturen und Ventile

    12,0

    29,8

    2,6

    Sonstige mechanische Werkzeuge

    9,6

    -8,4

    2,1

    Maschinen für die Metallbearbeitung

    9,1

    38,3

    2,0

    Quelle: Eurostat

    Investitionsausgaben steigen

    Derzeit sind litauische Maschinen- und Anlagenbauer vor allem als Outsourcing-Betriebe für europäische Unternehmen tätig. Die Branche verfügt über eine große Expertise bei ausgelagerten Fertigungsprojekten. Zukünftig soll die Branche nach den Vorstellungen des Litauischen Verbands der Ingenieurindustrie (Lietuvos inžinerijos ir technologijų pramonės asociacija- LINPRA) mehr eigene Produkte für den Endkonsumenten entwickeln oder höhere Aufgaben in der Wertschöpfungsketten der europäischen Kunden übernehmen.

    Die Unternehmen der Branche investieren zunehmend mehr in ihren eigenen Anlagenpark. Zwischen 2016 und 2019 stiegen die Ausrüstungsinvestitionen der Maschinenbauer im Land nominal um mehr als 50 Prozent an. 2020 folgte dann ein nominaler Rückgang um fast 14 Prozent auf etwa 17 Millionen Euro. Ein großer Teil der Ausgaben entfielt auf die Hersteller von Kühl- und Lüftungsgeräten für gewerbliche Zwecke. Sie investierten 2020 fast 9 Millionen Euro.  

    Vor allem Mitarbeitende in der Produktion sind schwer zu finden

    Die beiden größten Herausforderungen für Litauens Maschinenbauer sind der Komponenten- sowie Arbeitskräftemangel. Mehr als 37 Prozent der Unternehmen der Branche berichten bei einer Befragung der Europäischen Kommission zum Jahresbeginn 2022, dass der Mangel an Material und Ausrüstung ihre Produktion einschränkt. Noch größer ist die Zahl der vom Engpass an Mitarbeitenden betroffenen Firmen. Zum Jahreswechsel 2021/2022 liegt der Wert mit über 40 Prozent deutlich über dem Vor-Pandemie-Niveau. Seit Jahresbeginn 2021 ist der Anteil deutlich gestiegen. In den Jahren 2019 und 2018 berichteten weniger als 10 Prozent der Maschinenbauer von Problemen bei der Rekrutierung. 

    Wie der CEO des Maschinenbauers Arginta Engineering Tomas Jaskelevičius berichtet, gibt es in Litauen - wie in den meisten europäischen Ländern - Schwierigkeiten, qualifizierte Arbeitskräfte für die Produktion zu finden: "Die Rekrutierung eines Angestellten für die Fertigung dauert in der Regel mehr als einen Monat. Eine Stelle für Büroangestellte ("white collar workers") wie beispielsweise Ingenieure können wir in einer bis maximal vier Wochen besetzen." Zudem seien die Gehälter der Produktionsmitarbeiter enorm gestiegen. Nach Angaben des Experten beliefen sich die Nettogehälter am Standort Vilnius 2009 noch auf rund 400 bis 500 Euro. Nun seien es etwa 1.500 Euro. Am Firmenstandort in Finnland sind es rund 2.000 Euro. Große Gehaltsunterschiede zwischen dem litauischen und finnischen Standort gebe es allerdings bei den Büroangestellten. Hier fallen die Gehälter in Finnland rund doppelt so hoch aus.

    Arginta Engineering errichtet im litauischen Panevėžys einen neuen Fertigungsstandort. Bis 2023 sollen in insgesamt drei Ausbauphasen 15 Millionen Euro investiert werden. Die neue Fabrik wird die Standorte in Vilnius und Finnland mit Zwischenprodukten beliefern. Die Produktionsanlagen des Unternehmens werden weiterhin am Hauptsitz errichtet. In Panevėžys liegen die Gehälter für die Produktionsmitarbeiter nach Angaben von Jaskelevičius zwischen 10 und 20 Prozent unter dem Niveau in Vilnius.

    Litauische Ingenieure bleiben im Inland 

    Ein großer Vorteil der litauischen Maschinenbauer sei der gute und große Pool an hoch qualifizierten Ingenieuren und IT-Spezialisten. "Jedes Jahr kommen 7.000 neue Universitätsabsolventen dazu", berichtet Jaskelevičius. Abwanderung ins Ausland sei dabei kein Thema mehr. Laut dem Geschäftsmann seien litauische Arbeitnehmer besonders motiviert und produktiv: "Die Produktivität eines Angestellten in Litauen ist 20 Prozent höher als beispielsweise in Finnland."

    Ein Mangel gebe es hingegen an Management-Fähigkeiten in der Produktion. Die Entwicklung dieser Kenntnisse sei ein Prozess, den Litauen derzeit durchlaufe. Jaskelevičius führt dies auf geschichtliche Aspekte zurück: "In Litauen studieren die Menschen erst seit etwa 20 Jahren Ingenieurwissenschaften. Zuvor hat jeder in der Produktion gearbeitet." Im Durchschnitt verfügen die litauischen Ingenieure über rund zehn Jahre Erfahrung. 

    Schulung und Ausbildung als Schlüssel für die Einführung von Industrie-4.0-Technologien

    Wie LINPRA berichtet, investieren die Maschinenbauer des Landes zunehmend in Digitalisierung und Automatisierungs-Technologien. Der heimische Sektor gehört laut den Experten zu den führenden unter den baltischen Staaten. Im europäischen Vergleich sei Litauens Maschinenbau im Mittelfeld einzusortieren. "Die Unternehmen sehen durchaus die positiven Effekte von Industrie 4.0 Technologien", berichtet Darius Lasionis, Direktor von LINPRA.

    Finanzielle Ressourcen seien dabei nicht das größte Hindernis für die weitere Entwicklung in diesem Bereich. "Vielmehr ist es der Mangel an entsprechend qualifizierten Arbeitnehmern, die den Bedürfnissen der Industrie entsprechen und diese widerspiegeln.", ergänzt Lasionis. Dies sei allerdings ein generelles Problem für ganz Europa, nicht nur für Litauen. Laut dem Experten müssen die heimischen Technologieunternehmen viel Geld in die Umschulung ihrer Mitarbeiter investieren, um entsprechende Technologien einzuführen. 

    Von Niklas Becker | Vilnius

  • Rahmenbedingungen

    Die EU-Mitgliedschaft Litauens vereinfacht viele Prozesse

    Zuständig für Normen und Standards in der litauischen Maschinenbaubranche ist das Ministerium für Wirtschaft und Innovation.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.


    Von Niklas Becker | Vilnius

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Baltikum

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Lietuvos Respublikos ekonomikos ir inovacijų ministerija Ministerium für Wirtschaft und Innovation der Republik Litauen 

    Nacionalinis akreditacijos biuras

    Nationales Akkreditierungsbüro

    Lietuvos Standartizacijos Departamentas

    Litauisches Standardisierungsamt

    Lietuvos Respublikos muitine

    Zollamt der Republik Litauen

    Lietuvos Verslo Paramos Agentura

    Litauische Agentur für Unternehmensförderung (LVPA)

    Lietuvos inzinerines pramones asociacija

    Litauischer Verband der Ingenieurindustrien (LINPRA)

    Lietuvos Robotikos Asociacija

    Litauischer Robotik Verband (LRA)

    Fachzeitschrift "Mechanika"

    Akademisches Journal der Technischen Universität Kaunas

    Fachzeitschrift "Elektronika ir elektrotechnika"

    Akademisches Journal der Technischen Universität Kaunas

    Fachmesse Balttechnika 2022

    19. bis 21.10.22, Vilnius, Maschinen und Metallindustrie

    Konferenz Making Industry 4.0 real

    Findet im Rahmen der Balttechnika am 19. 10.22 statt und wird unter anderem von der AHK Baltikum organisiert.  

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