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Dekarbonisierung wird in Kanada zum Antrieb für den Maschinenbau
Ob fortschrittliche Elektrolyseure, Brennstoffzellen- oder innovative Robotertechnologien: Deutsche Anbieter haben gute Chancen, vor allem im Kfz-Sektor und bei den Erneuerbaren.
30.12.2024
Von Heiko Steinacher | Toronto
Die Fertigungsautomatisierung ist in Kanada in den letzten Jahren langsam, aber stetig gewachsen. Immer mehr Hersteller setzen Industrie-4.0-Technologien ein. Über die Hälfte der Roboterinstallationen (55 Prozent) in dem Land entfiel laut der International Federation of Robotics (IFR) 2023 auf die Automobilindustrie.
Batteriewerke sprießen wie Pilze aus dem Boden
Kanadas Regierung hat zusammen mit den Provinzregierungen in Ontario und Québec insgesamt fast 30 Milliarden US-Dollar (US$) Fördergeld für Investitionen in die Batterielieferkette zugesagt, damit global agierende Unternehmen Produktionsstätten in Kanada errichten. So investieren Ford, General Motors, Honda, Stellantis und die Volkswagen-Tochter Powerco in Gigafactorys. Die Standorte liegen in Ontario und Québec.
Die Zellen "made in Canada" will Powerco an nordamerikanische VW-Werke liefern, hauptsächlich in die USA. Allerdings dürfte ein US-Pauschalzoll auch auf kanadische Erzeugnisse, so wie Donald Trump ihn wiederholt angedroht hat, die Lieferkette und die Preisstruktur stark beeinflussen.
Für die Riesenfabriken werden Roboteranwendungen wie Handling-Systeme und andere innovative Lösungen zur Batteriezellproduktion gebraucht. Neben spezialisierten Maschinen bedarf es auch hochpräziser Werkzeuge. Gefragt sind außerdem Metall-3-D-Drucker für Prototypen und kundenspezifische Teile, die neben der Kfz-Industrie zum Beispiel auch in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt werden: So hat Bombardier im Juni 2024 beim israelischen Unternehmen Massivit 3D Printing Technologies einen 3-D-Drucker zur Herstellung von Prototypen und Innenteilen für seine Luft- und Raumfahrtsparte bestellt. Auch Prototyping-Dienstleistungen, die für die Produktentwicklung entscheidend sind, stehen hoch im Kurs.
Kanadas Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt mit Regierungsunterstützung neue Flugzeug- und Antriebskonzepte sowie alternative Kraftstoffe. Regionale Fluggesellschaften sowie die größte Airline des Landes, Air Canada, wollen Elektro-Hybridflugzeuge auf Regional- und Pendelstrecken einsetzen. Für die medizinische Versorgung werden immer häufiger Drohnen genutzt, auch bei größeren Distanzen.
Förderung kritischer Rohstoffe ist auf hohe Investitionen angewiesen
Von einer kompletten elektromobilen Wertschöpfungskette ist Kanada indes noch weit entfernt. Denn der vorgelagerte Bergbau zieht bisher nicht im erforderlichen Maße mit. Im Rahmen ihrer auf acht Jahre angelegten Critical Minerals Strategy vom Dezember 2022 sieht die Regierung rund 2,8 Milliarden US$ an Bundesmitteln für Schlüsselprojekte vor, um die Produktion und Verarbeitung kritischer Mineralien zu fördern.
Außerdem gibt es Steuergutschriften für Bergbauunternehmen. Kanada investiert zudem viel Geld in die Transportinfrastruktur und Energieversorgung, um den Zugang zu abgelegenen Bergbaugebieten zu verbessern. Dennoch sind für viele Investoren die Preise für Batterierohstoffe zu niedrig, um in Nordamerika Projekte zu starten.
Zentrale Rolle von Wasserstoff als strategischem Energieträger
Kanada will, ebenso wie Deutschland, bis 2050 klimaneutral sein. Das erfordert eine Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft. Auch Wasserstoff (H2) spielt für das Land dabei eine Kernrolle – unter anderem um die Emissionen im Schwerlastverkehr zu reduzieren. Oder in der Chemieproduktion und in Ölraffinerien, um Prozesse zu dekarbonisieren. So wird Linde in Alberta mehr als 2 Milliarden US$ in eine integrierte Anlage für sauberes H2 und atmosphärische Gase investieren. Das bei der Produktion entstehende CO2 wird abgeschieden und gespeichert. Die Anlage entsteht im Produktionskomplex Path2Zero des US-Chemiekonzerns Dow. Sie soll außerdem Wasserstoff aus den Emissionen der Steamcracker zurückgewinnen.
Provinzen wie Ontario und Québec setzen darüber hinaus auf grünen Stahl: So stellt zum Beispiel ArcelorMittal in seinem Dofasco-Werk in Hamilton, Ontario, auf Direktreduktionsanlagen und Lichtbogenöfen um, die sich mit H2 betreiben lassen. Die Regierungen Kanadas und der Provinz fördern das Projekt. Auch Algoma Steel plant, seine Produktion auf Elektrolichtbogenöfen umzustellen und dabei H2 zu nutzen. Deutsche Technologie- und Ausrüstungsanbieter für solche Projekte beobachten daher genau, ob weitere Stahlunternehmen diesem Beispiel folgen.
In der transatlantischen Energie- und Klimaallianz zwischen Deutschland und Kanada spielt grüner Wasserstoff eine besondere Rolle: Er soll in den Atlantikprovinzen erzeugt und später in Form von Ammoniak nach Deutschland geliefert werden. Der Strom für die Herstellung des H2 soll aus Windkraft kommen.
Allerdings gibt es bisher nur Pläne und Pilotprojekte. Trotz einiger Anreize wie Steuergutschriften fehlt es oft an konkreten finanziellen Zusagen und Unterstützung für Demonstrationsprojekte. Solange es keine langfristigen Abnahmeverträge mit verbindlichen Preisen gibt, halten sich die Investoren zurück. Es ist aber zu erwarten, dass deutschen Unternehmen hieraus gute Zulieferchancen in Kanada erwachsen können: etwa für Windkrafttechnik, fortschrittliche Elektrolyseure, Brennstoffzellentechnologie und Power-to-Gas-Anlagen.
CE-Kennzeichnung gilt in Kanada nicht
Die meisten industriellen Güter, einschließlich Maschinen, sind zollfrei unter dem Freihandelsabkommen Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), das 2017 vorläufig in Kraft trat. Trotzdem müssen Maschinen, die nach Kanada exportiert werden, gemäß den Vorgaben der Canadian Standards Association (CSA) zertifiziert werden. Die CE-Kennzeichnung, die in Europa anerkannt ist, gilt in Kanada nicht.
Für elektrische und elektronische Maschinen gelten die Bestimmungen des Canadian Electrical Code (CEC). Europäische Prüfzeichen wie das GS- oder das VDE-Zeichen sind dort ebenfalls nicht gültig. Produkte müssen durch eine vom Standards Council of Canada (SCC) anerkannte Zertifizierungsstelle geprüft und zertifiziert werden.
HS Code | Warenbezeichnung | 2022 | 2023 | davon aus Deutschland (2023) |
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8429 bis 30, 8479.10, 8474 | Bau- und Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen | 5.771,7 | 6.657,7 | 409,1 |
8444 bis 49, 8451 bis 53 | Textil- und Ledermaschinen | 428,1 | 480,0 | 18,2 |
8439 bis 42, 8443.11 bis .19 | Druck- und Papiermaschinen | 496,0 | 591,4 | 117,2 |
8422.30 bis .40, 8437, 8438, 8479.20 | Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen | 1.079,0 | 1.246,6 | 220,1 |
8465, 8479.30 | Holzbearbeitungsmaschinen | 419,5 | 392,7 | 89,5 |
8477 | Kunststoff- und Gummimaschinen | 608,9 | 619,5 | 69,9 |
8413, 8414 | Pumpen und Kompressoren | 5.144,1 | 5.392,8 | 307,9 |
8425 bis 28 | Fördertechnik | 3.501,9 | 3,771,8 | 237,1 |
8456 bis 63 | Werkzeugmaschinen zur Metallbearbeitung | 987,2 | 1.099,1 | 127,1 |