Trotz Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand wird eine steigende Nachfrage nach Medizintechnik in Mexiko erwartet, unter anderem dank des privaten Gesundheitssektors.
Stabile Entwicklung für die kommenden Jahre erwartet
Mexikos Medizintechnikmarkt entwickelt sich dynamischer als das allgemeine Wirtschaftswachstum des Landes. Für 2022 rechnet das Forschungsinstitut Fitch Solutions mit einem Anstieg des Marktvolumens bei Medizintechnik von 12,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 6,7 Milliarden US-Dollar (US$). Für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) 2022 nur ein Plus von 2,1 Prozent.
In den kommenden Jahren soll die Nachfrage jährlich im Schnitt um 6,2 Prozent zulegen und 2026 rund 8,5 Milliarden US$ erreichen, so Fitch Solutions. Neben der alternden Bevölkerung, der in Mexiko weit verbreiteten Fettleibigkeit und einer Zunahme chronischer Krankheiten sollen auch Investitionen des privaten Gesundheitssektors für einen steigenden Bedarf an Medizintechnik sorgen. Daneben stellt der Gesundheitstourismus einen wichtigen Wachstumszweig dar. So kamen vor der Covid-19-Pandemie allein aus den USA rund 1 Million Gesundheitstouristen jährlich nach Mexiko - diese Zahl soll bald wieder erreicht werden.
Mittelfristig verhindern allerdings Unsicherheiten in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2024 und eine schwächere Entwicklung der Gesamtwirtschaft mehr Dynamik in Mexikos Gesundheitssektor. Auch langsame Prozesse bei der Zulassungsbehörde für Medizinprodukte COFEPRIS (Comisión Federal para la Protección contra Riesgos Sanitarios) bereiten den Anbietern von Medizintechnik Schwierigkeiten. Die Behörde sieht sich auch regelmäßig mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.
Nach Angaben von Fitch Solutions importierte Mexiko 2021 rund 82,3 Prozent seines Bedarfs an Medizintechnik aus dem Ausland. Die USA sind aufgrund ihrer geografischen Nähe, des USMCA-Handelsabkommens und persönlicher Verbindungen - viele mexikanische Ärzte studierten in den USA - der mit Abstand wichtigste Lieferant. Von den gesamten Importen an Medizintechnik im Wert von 4,9 Milliarden US$ stammten im vergangenen Jahr daher 64,4 Prozent aus den USA und 12,6 Prozent aus China. Deutschland war drittwichtigster Lieferant von Medizintechnik mit einem Anteil an den Importen von 3,6 Prozent, gefolgt von Japan (1,7 Prozent) und Irland (1,4 Prozent). In den vergangenen Jahren konnte China seinen Marktanteil deutlich ausweiten, während unter anderem der Marktanteil deutscher Firmen rückläufig war.
Nachfrage der staatlichen Gesundheitseinrichtungen spürbar gesunken
Für Hersteller von Medizintechnik ist das öffentliche Gesundheitssystem ein schwieriges, wenn auch ein potenziell lukratives Umfeld. Rund 70 bis 80 Prozent der medizintechnischen Geräte werden in Mexiko von öffentlichen Einrichtungen abgenommen. Um mit den Trägern ins Geschäft zu kommen, ist neben der allgemeinen Produktzulassung bei COFEPRIS allerdings eine Aufnahme in den staatlichen Einkaufskatalog (Cuadro Básico y Catálogo de Insumos del Sector Salud, CBCISS) notwendig. Über die Aufnahme entscheidet der Rat für Gesundheitsangelegenheiten (Consejo de Salubridad General, CSG), der direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Dies ist laut Branchenvertretern vor allem für innovative Produkte ein langwieriger Prozess, sodass der gesamte Zulassungs- und Aufnahmeprozess zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen kann.
"Die Nachfrage der staatlichen Einrichtungen liegt derzeit etwa 20 Prozent unter dem Niveau von 2019 und davor", stellt Carlos Jiménez, Geschäftsführer von B. Braun Aesculap in Mexiko fest. Vor allem die Einschnitte im Budget öffentlicher Einrichtungen unter der aktuellen Regierung, unter anderem durch die Ablösung der staatlichen Gesundheitskasse Seguro Popular durch das INSABI (Instituto de Salud para el Bienestar) im Jahr 2020 drücken auf die Nachfrage. So seien die Mittel im Vergleich zu früher gekürzt worden und der Anteil Nicht-Versicherter sei gestiegen, äußert sich Jiménez.
Investitionsvorhaben konzentrieren sich auf unterversorgte Regionen
Die Regierung unter Präsident López Obrador richtet besonderes Augenmerk auf bislang medizinisch unterversorgte Regionen in den südlichen Bundesstaaten Campeche, Chiapas, Guerrero, Veracruz und Quintana Roo. So ist es ein Anliegen des amtierenden Präsidenten, die Versorgung in der Breite und weniger in der Tiefe zu verbessern. Unter den aktuell laufenden Projekten befinden sich sowohl Einrichtungen der beiden großen Sozialkassen IMSS und ISSSTE als auch der Versorgungsnetze der Bundesstaaten und des Gesundheitsministeriums.
Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Mexiko (Auswahl; Investitionssummen in Millionen US-Dollar)Projekt | Investitionssumme | Anmerkung |
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Neue Klinik in Torreón (Bundesstaat Coahuila) | 163,6 | Staatliche Sozialversicherung ISSSTE (Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado); 250 Betten |
Neue Klinik in Tampico (Bundesstaat Tamaulipas) | 122,7 | Staatliche Sozialversicherung ISSSTE (Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado); 150 Betten |
Modernisierung von 4 Militärkrankenhäusern | 57,8 | SEDENA (Secretaría de Defensa Nacional); Kliniken Constituyentes und El Vergel in Mexiko-Stadt, Toluca im Bundesstaat México und Irapuato im Bundesstaat Guanajuato |
Modernisierung und Neubau von landesweit 10 Kliniken | k.A. | Staatliche Sozialversicherung IMSS (Instituto Mexicano del Seguro Social); derzeit Vorstudien; u.a. Kliniken mit 72 Betten in Guanajuato und 260 Betten in Amozoc; Ausbau der Kliniken Centro Médico Nacional Siglo XXI in Mexiko-Stadt, Klinik No. 14 in Guadalajara, No. 2 in Mexicali, No. 50 in Guanajato, No. 1 in Tepic, No. 71 in Torreón und No. 7 in Monclova) |
Quelle: BNamericas
Öffentliche Gesundheitsversorgung häufig unzureichend
Mit rund 51 Millionen Versicherten im Jahr 2020 ist das öffentliche Instituto Mexicano del Seguro Social (IMSS) die bedeutendste Krankenkasse. Offiziell sind alle formell angestellten Arbeitnehmer der Privatwirtschaft obligatorisch durch das IMSS versichert. Das Instituto de Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado (ISSSTE) steht hingegen den rund 8,8 Millionen Versicherten des öffentlichen Dienstes offen. Sowohl IMSS als auch ISSSTE verfügen über eigene Gesundheitseinrichtungen. Das Gesundheitsministerium, die Bundesstaaten sowie einige öffentliche Stellen wie der staatliche Erdölkonzern Pemex unterhalten ebenfalls eigene Kliniken und Praxen.
Daneben existierte bis Ende 2019 mit Seguro Popular eine Basiskrankenversicherung, die am 1. Januar 2020 vom Instituto de Salud para el Bienestar (INSABI) ersetzt wurde. Das INSABI dient Personen, die nicht von den beiden anderen staatlichen Sozialversicherungen IMSS und ISSSTE abgedeckt sind, Schätzungen zufolge rund 35,5 Millionen Personen. Allerdings sehen Gesundheitsexperten den Umstieg auf das INSABI als gescheitert an. So stieg laut einer Umfrage des Politikinstitutes Coneval der Anteil der Nicht-Versicherten an der Gesamtbevölkerung von 16,2 Prozent (2018) bis Ende 2020 auf 28,2 Prozent. Daher strebt die Regierung nun an, einen größeren Teil der Nicht-Versicherten zukünftig über das IMSS Bienestar abzudecken, dem 2020 nur rund 1 Million Personen zugeteilt waren.
Rahmendaten zum Gesundheitssystem in MexikoIndikator | Wert |
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Einwohnerzahl (2022 in Mio.) | 127,5 |
Bevölkerungswachstum (2022 in % p.a.) | 0,8 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2021) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 25,5 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 7,8 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020 in Jahren) | 75,1 |
Durchschnittlicher Monatslohn (2021 in US$) | 368,80 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in US$) | 540,37 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2022 in %) | 5,8 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2022) | 259 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2022), davon | 101 |
Quelle: Weltbank; Fitch Solutions
Nach Angaben des mexikanischen Statistikamtes waren 2020 nur 2,8 Millionen Personen privat krankenversichert (meist über Zusatzversicherungen des Arbeitgebers). Trotzdem gibt es eine bedeutende Anzahl privater Krankenhäuser und Kliniken. In der Praxis sind die Wartelisten bei IMSS, ISSSTE und dem Gesundheitsministerium nämlich häufig so lang, dass Patienten auf private Einrichtungen ausweichen. Größte private Krankenhausketten sind Grupo Ángeles, Christus Muguerza, Star Médica, Centro Médico Puerta de Hierro und Hospital San Javier. Bei diesen Ketten handelt es sich um technisch und personell gut aufgestellte Einrichtungen.
Anträge bei Zulassungsbehörde nun digital
Die Zulassungsbehörde für Medizinprodukte COFEPRIS bietet inzwischen an, den Antrag auf Zulassung eines neuen Medizinprodukts digital einzureichen (DIGIPRIS). Dies erleichtert den Genehmigungsprozess und hat den Vorteil, dass Anträge rund um die Uhr und an allen Tagen des Jahres eingereicht werden können. "Allerdings hat man nun den Nachteil, dass kein direkter Ansprechpartner mehr existiert, den man notfalls telefonisch erreichen könnte" berichtet Carlos Jimenez von B. Braun.
Bei der elektronischen Erfassung von Patientendaten und deren Weitergabe besteht in Mexiko noch Spielraum. Die Vorgaben zum Datenschutz sind häufig nicht so streng wie in europäischen Ländern. Die digitale Vernetzung der Gesundheitseinrichtungen und Ärzte im öffentlichen System ist jedoch noch ausbaufähig und bietet Optimierungspotenzial.
Von Edwin Schuh
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Mexiko-Stadt