Special | Mexiko | US-Zollpolitik
Mexiko droht eine Rezession durch US-Zölle
Das bilaterale Handelsvolumen zwischen den USA und Mexiko ist das größte der Welt. Umso gravierender werden die Folgen von Strafzöllen für Unternehmen und Verbraucher sein.
07.03.2025
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Die am 4. März in Kraft getretenen Zölle der USA in Höhe von 25 Prozent treffen die mexikanische Wirtschaft hart: Gut ein Viertel der Wirtschaftskraft des Landes hängt vom Export in die USA ab. Seit Gründung der Freihandelszone NAFTA im Jahr 1994 haben die Unternehmen fein abgestimmte, grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten aufgebaut, darunter im Automobilsektor und bei Elektronikprodukten, in der Luftfahrtindustrie sowie bei der Herstellung von Medizintechnik. Zudem ist Mexiko ein wichtiger Lebensmittellieferant und versorgt die USA unter anderem mit Avocados, Bier und Blaubeeren.
Schonfrist für USMCA-konforme Waren
Die USA haben die am 4. März 2025 eingeführten Zölle auf Waren aus Kanada und Mexiko wieder ausgesetzt, sofern sie Waren betreffen, die unter das Freihandelsabkommen USMCA fallen. Diese Ausnahme gilt vorerst bis 2. April 2025.
Die Bestimmungen können sich täglich ändern. Den aktuellen Stand finden Sie auf unserer GTAI-Sonderseite Handelspolitik unter Trump.
Damit hat Mexiko in den vergangenen Jahren China und Kanada überholt und ist zum wichtigsten Handelspartner der USA aufgestiegen. Der Warenverkehr zwischen den beiden Ländern erreichte 2024 rund 840 Milliarden US-Dollar (US$) – weltweit gibt es kein Länderpaar mit einem höheren Handelsvolumen.
Wirtschaft könnte um bis zu 4 Prozent einbrechen
Die nun verhängten Zölle waren zwar angekündigt, ihre Umsetzung kam für viele Analysten dennoch überraschend. Laut dem Informationsdienstleister Economist Intelligence Unit (EIU) erhöht sich der von den USA auf mexikanische Waren erhobene Zollsatz mit einem Schlag von 0,3 Prozent auf durchschnittlich 25,3 Prozent. Sollten die Zölle längere Zeit in Kraft bleiben, dürften die mexikanischen Exporte in die USA deutlich zurückgehen, laut dem Thinktank Atlantic Council um mindestens 10 Prozent im laufenden Jahr.
In der Folge würde die Produktion im verarbeitenden Gewerbe und in der Landwirtschaft sinken und die Arbeitslosigkeit steigen. Das wiederum könnte mehr Mexikaner in die Arme von Drogenkartellen treiben oder sie zur Auswanderung in die USA ermutigen – entgegen den eigentlichen Zielen von Donald Trump. Zudem ist davon auszugehen, dass Unternehmen in Mexiko ihre Investitionspläne aufschieben oder ihre Produktion gleich in die USA oder in Drittländer mit weniger Restriktionen verlagern. All dies könnte das mexikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2025 zwischen 1 und 4 Prozent einbrechen lassen, schätzen Analysten.
Automobilindustrie am stärksten betroffen
Die größte Verliererin dieser Entwicklung ist die Kfz-Industrie, und zwar sowohl in Mexiko als auch in den USA. Fast alle großen Autobauer, die in den USA verkaufen, lassen in Mexiko, produzieren. Im Jahr 2024 liefen 4 Millionen Fahrzeuge vom Band; 70 Prozent davon gingen in die USA. Niemand liefert mehr Autos aus Mexiko in die USA als General Motors und Ford, beide haben jeweils vier Werke im Land. Einer Studie der Zeitschrift Expansión zufolge schickten die zwei amerikanischen Hersteller 2023 insgesamt 1,1 Millionen Fahrzeuge mexikanischer Bauart in die USA. Das entspricht rund 90 Prozent ihrer Produktion im Land.
Auch die deutschen Autobauer werden die Zölle zu spüren bekommen. Sie lieferten 2023 rund 340.000 Pkw von Mexiko in die USA. Zwei Drittel davon entfielen auf Volkswagen, das in Puebla die in den USA beliebten Modelle Jetta und Tiguan fertigt. BMW, Audi und Mercedes hängen weniger stark von den USA ab. Die Luxushersteller verkaufen ihre Fahrzeuge von Mexiko aus auch nach Asien und Europa.
Autobauer könnten nun ihre Produktion zumindest teilweise in bestehende Werke in den USA oder in Drittländern verlagern. "Wir sind in der Lage, alle Lkw- und Busmodelle sowohl in den USA als auch in Mexiko zu produzieren“, äußerte sich Eva Scherer, Finanzchefin von Daimler Truck bereits Ende 2024.
Weitere Entwicklung bleibt ungewiss
Mexikos Regierung kündigte Gegenmaßnahmen an, die demnächst bekannt gegeben werden sollen. Erwartet werden Zölle auf landwirtschaftliche Produkte aus den USA und auf Rohmaterialien. Allerdings laufen weiterhin Verhandlungen zwischen den Regierungen der drei USMCA-Partner. . So ist eine Abschwächung oder Rücknahme der US-Zölle im Gegenzug für weitere Zugeständnisse der mexikanischen Regierung in den Bereichen Migration und Drogenhandel weiterhin möglich. Unternehmen müssen sich in nächster Zeit auf eine erhöhte Unsicherheit bezüglich der US-Handelspolitik einstellen.
Nearshoring-Boom vor dem Ende?
Zuletzt hatten internationale Konzerne im Zuge des Nearshoring ihr Engagement in Mexiko ausgeweitet. So stiegen die ausländischen Direktinvestitionen im vergangenen Jahr auf ein neues Rekordniveau von 36,9 Milliarden US$, wie das Wirtschaftsministerium (Secretaría de Economía) kürzlich bekannt gab. Rund 45 Prozent dieser Investitionen wurden von US-Firmen getätigt. Deutschland war 2024 hinter Japan der drittwichtigste Investor mit Zuflüssen in Höhe von 3,8 Milliarden US$.
Laut einem Statement der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (AHK Mexiko) ist Mexiko seit Jahren der wichtigste Investitionsstandort der deutschen Wirtschaft in Lateinamerika. "Im Vertrauen auf das (USMCA-)Abkommen haben zahlreiche Unternehmen in Mexiko ihre Aktivitäten ausgebaut", so die Kammer. Zölle sind demzufolge ein herber Schlag für die 2.100 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung, von denen viele den US-Markt beliefern.
- Mexiko
- Zollthemen
- Fahrzeuge
- Wirtschaftsumfeld