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Niederlande legen Fonds für kritische Rohstoffe auf
Weil die niederländische Hightechindustrie von Rohstoffen abhängt, will die Regierung Unternehmen beim Zugriff auf strategische Ressourcen finanziell unterstützen.
03.04.2025
Von Edda Schlager | Berlin
Die Niederlande planen einen öffentlich-privaten Investitionsfonds zur Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen. Das gab die niederländische Kapitalgesellschaft Invest International Anfang März 2025 bekannt. Invest International ist ein Joint Venture der niederländischen Regierung (51 Prozent) und der niederländischen Entwicklungsbank FMO (Nederlandse Financierings-Maatschappij voor Ontwikkelingslanden, 49 Prozent). Die Gesellschaft wird den neuen Rohstofffonds verwalten.
Fonds soll Investitionsstrategie für Rohstoffprojekte ermöglichen
Der niederländische Rohstofffonds wird laut Invest International mit Finanzinstitutionen wie Banken und Pensionsfonds sowie mit weiteren Partnern in der EU zusammenarbeiten, um eine nachhaltige Investitionsstrategie zu entwickeln. Ziel des Fonds wird es sein, die Abhängigkeit der Niederlande von kritischen Rohstoffen zu verringern und Unternehmen den Zugang zu notwendigen Ressourcen zu erleichtern. Dabei will Invest International das niederländische Know-how in den Bereichen Effizienz, Recycling und alternative Materialien nutzen.
Wie genau der Fonds strukturiert und finanziert sein wird, und in welcher Form welche Unternehmen Zugang zu Finanzierungen bekommen werden, hat Invest International noch nicht bekanntgegeben. Auch zum finanziellen Volumen des Fonds gibt es bisher keine Angaben.
"Mit diesem Fonds wollen wir dazu beitragen, den Zugang zu kritischen Rohstoffen für unsere Industrie zu sichern, Schwachstellen und Risiken in internationalen Lieferketten abzudecken und letztlich zur Wettbewerbsfähigkeit der Niederlande in der Welt beizutragen",
so Lara Muller, Direktor für Neugeschäfte bei Invest International.
Immer mehr EU-Länder legen nationale Rohstofffonds auf
Mit der Entscheidung für einen Rohstofffonds schließen sich die Niederlande anderen EU-Ländern an, die durch ähnliche Fazilitäten mit teils öffentlicher, teils privater Finanzierung Unternehmen bei der Beschaffung kritischer Rohstoffe unterstützen. Nach Frankreich und Italien hatte Deutschland im Herbst 2024 einen eigenen Rohstofffonds gestartet. Dieser ist als Eigenkapitalinstrument angelegt, mit dem die deutsche Entwicklungsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sich durch eigene Investitionen an Rohstoffprojekten entlang der gesamten Wertschöpfungskette kritischer mineralischer Rohstoffe beteiligt. Auch Estland, Schweden und Finnland nutzen ein solches Instrument, Norwegen erwägt derzeit einen Rohstofffonds oder die Gründung einer staatlichen Mineraliengesellschaft.
Nationale Rohstofffonds sind Teil der Umsetzung der europäischen Politik für kritische Rohstoffe. Die EU hat mit ihrem 2024 in Kraft getretenen Critical Raw Materials Act (CRMA) einen neuen Rechtsrahmen für von ihr definierte 17 strategische und 34 kritische Rohstoffe geschaffen, darunter Lithium, Kobalt, Nickel oder Mangan. Der CRMA stellt deren nachhaltige Beschaffung sicher, stärkt die wirtschaftliche Resilienz der europäischen Wertschöpfungsketten und verringert Europas Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern.
Im März 2024 hatte die EU zur Umsetzung des CRMA zum einen 47 als strategisch wichtig erachtete Rohstoffprojekte in 13 EU-Ländern ausgewählt, die besondere Förderung wie schnelle Genehmigungsverfahren und die Vermittlung von Finanzierungen erhalten sollen. Zum anderen gab die Europäische Kommission ebenfalls im März 2025 bekannt, eine Fazilität für kritische Rohstoffe (Critical Raw Materials Facility) auflegen zu wollen, um globale Rohstoffpartnerschaften zu stärken und den Zugang zu Projekten für kritische Rohstoffe zu erleichtern.
Niederlande sichern Bedarf mit Rohstoffstrategie ab
Wie andere Mitgliedsländer verlässt sich auch der Hightechstandort Niederlande nicht allein auf die EU. Der Bedarf an kritischen Rohstoffen ist beim nordwestlichen Nachbarn Deutschlands mit seiner weltweit führenden Hightechindustrie für die Halbleiterproduktion, der zunehmenden Digitalisierung in Verwaltung, Gesundheitswirtschaft und Logistik, sowie dem Ausbau der erneuerbaren Energien hoch.
In den Niederlanden beheimatet sind Unternehmen wie der auf Lithographiesysteme für die Produktion besonders kleiner Chips spezialisierte Maschinenbauer ASML, weltweit das einzige Unternehmen dieser Art, oder der Halbleiterproduzent NXP Semiconductors. Sowohl für die Produktion elektronischer Highperformance-Komponenten wie auch für die Herstellung der zu deren Produktion notwendigen Maschinen werden kritische Rohstoffe wie Gallium, Germanium, Wolfram, Zinn, Gold, Lithium, Kobalt oder Nickel benötigt.
Deshalb haben die Niederlande bereits 2022 eine nationale Rohstoffstrategie verabschiedet. Zum einen hat diese die ausreichende Verfügbarkeit wirtschaftlich wichtiger kritischer Mineralien und Metalle mit hohem Versorgungsrisiko im Blick. Zum anderen liegt der Fokus auf Kreislaufwirtschaft und Recycling als alternative Rohstoffquelle.
Niederlande nutzen breite öffentlich-private Netzwerke
Die Niederlande setzen auch beim Thema kritische Rohstoffe auf ein etabliertes heimisches und internationales Netzwerk aus Industrieunternehmen, Hochschulen sowie Investment- und Entwicklungsinstitutionen. So kooperiert die Katholische Universität Leuven unter anderem mit dem bolivianischen Lithiumproduzenten Yacimientos de Litio Bolivianos (Lithium-Lagerstätten-Gesellschaft, YLB), um das Unternehmen bei der Entwicklung von Effizienz und Nachhaltigkeit für die Lithiumgewinnung und -raffination zu unterstützen. Bolivien soll so zu einem Akteur auf dem internationalen Lithiummarkt werden.
Im Februar 2025 nahm das Niederländische Materialobservatorium (Nederlands Materialen Observatorium, NMO) seine Arbeit auf. Es sammelt und verwaltet Daten zu kritischen Rohstoffen und warnt die Regierung künftig, wenn Rohstoffengpässe und einseitige Abhängigkeiten drohen.
Außerdem pflegen die Niederlande zur Sicherung kritischer Rohstoffe enge Beziehungen mit Australien, Kanada, Chile, Vietnam und Südafrika.