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Wirtschaftsumfeld | Nordafrika | Konjunktur

Der Wirtschaftsausblick für Nordafrika ist verhalten positiv

Marokko, Algerien, Libyen, Tunesien und Ägypten sind mit unterschiedlichen Wachstumserwartungen ins Jahr 2024 gestartet. Deutsche Exporte nach Nordafrika nahmen 2023 deutlich zu.

Von Friedrich Henle | Berlin

Die Wirtschaftsleistung der südlichen Mittelmeeranrainerstaaten dürfte im Jahr 2024 um durchschnittlich 3,4 Prozent zunehmen. Das geht aus aktuellen Berichten des britischen Informationsdienstleisters EIU (Economist Intelligence Unit) hervor. Im Jahr 2023 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region noch um 4 Prozent zugelegt. Den Durchschnitt beeinflusst Libyen mit einem hohen BIP-Wachstum, das auf aktuell deutlich gesteigerten Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft beruht. Ohne Libyen läge der regionale Durchschnitt beim prognostizierten BIP-Wachstum 2024 nur bei 2,4 Prozent.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in seinem jüngst veröffentlichten Wirtschaftsausblick vom 31. Januar 2024 das BIP-Wachstum für die gesamte MENA-Region (Nordafrika und Mittlerer Osten) ebenfalls um 0,5 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent abgesenkt. Darin spiegeln sich zunehmende wirtschaftliche Unsicherheiten aufgrund des Krieges in Gaza und der beeinträchtigten Sicherheitslage im Roten Meer wider.

 

Krisen in der Nachbarschaft belasten Ägypten

In Ägypten belasten eine hohe Inflation und der Mangel an Devisen die wirtschaftliche Entwicklung. Die Kriege in den Nachbarregionen Gaza und Sudan sorgen für zusätzliche Unsicherheit, unter anderem im Tourismusgeschäft. Durch die Angriffe der Huthi-Rebellen auf die Schifffahrt im Roten Meer geraten die Einnahmen aus dem Suezkanal in Gefahr. "Gerade deswegen werden die internationalen Partner Ägypten weiterhin unterstützen. Die Folgen einer großen Krise im bevölkerungsreichsten Land der Region wären zu groß", sagt Sherif Rohayem, GTAI-Korrespondent in Kairo.

Algerien profitiert von hoher Gasnachfrage

Für die europäische Gasversorgung spielt Algerien wegen seiner Pipelines nach Spanien und Italien eine große Rolle. Und auch in andere Weltregionen verschickt Algerien große Mengen an Gas mit Flüssiggastankern. Im Jahr 2023 wurden 13 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) exportiert. Das bedeutet zum ersten Mal Platz 1 in Afrika noch vor Nigeria. Mittelfristig bietet sich für Algerien ein noch höheres Wachstumspotenzial, falls die Regierung weitere Schritte zur wirtschaftlichen Diversifizierung und Reformen umsetzt. Perspektivisch könnten die vorhandenen Pipelines durch das Mittelmeer genutzt werden, um auch in der aufkommenden Wasserstoffwirtschaft als Exporteur eine Bedeutung zu erlangen.

Libyen wächst trotz fehlender politischer Stabilität

Der Grund für ein hohes BIP-Wachstum in Libyen sind anhaltend hohe Exporterlöse mit Energierohstoffen. Das Land verfügt über die größten Ölreserven in Afrika. Ein nachhaltiger Aufschwung ist dennoch nicht in Sicht. "Die Teilung des Landes in zwei konkurrierende Regierungen verhindert weiterhin eine einheitliche Wirtschaftspolitik", erklärt Verena Matschoß, GTAI-Korrespondentin in Tunis. 

Trotz der unsicheren politischen Lage haben internationale Unternehmen mehrere Großprojekte im Öl- und Gassektor angekündigt. Auch deutsche Unternehmen zeigen wieder Interesse an dem Land. Eine Möglichkeit zum Austausch bietet das 3. Deutsch-Libysche Wirtschaftsforum, das vom 27. bis 30. April in Tripolis stattfindet.

In Marokko stützen mehrere Faktoren das Wachstum

Die Wirtschaft des Königreichs ist im regionalen Vergleich relativ stark diversifiziert und in internationale Lieferketten eingebunden. Die zunehmenden Exporte wirken sich positiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Europäische Unternehmen nutzen den Investitionsstandort, um in unmittelbarer Nachbarschaft ihre Lieferketten zu diversifizieren. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Automobilindustrie, die Textilindustrie und die Elektronikindustrie zu nennen.

Marokko ist nach Ägypten die wichtigste Ausfuhrdestination für deutsche Exporteure in Nordafrika. Ullrich Umann, GTAI-Korrespondent in Casablanca, sieht im Land weitere Chancen für deutsche Unternehmen: "Die marokkanische Regierung fährt einen deutlich erkennbaren Diversifizierungskurs in ihren Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und ist an intensiven Kontakten mit der deutschen Wirtschaft interessiert."

Tunesiens BIP-Wachstum bleibt schwach

Tunesiens reale Wirtschaftsleistung wird auch 2023 noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreichen. Dafür bleibt das BIP-Wachstum zu schwach. Es fehlen zudem Investitionsimpulse des Staates, dessen Finanzen nicht gut aussehen. Die Verhandlungen mit dem IWF sind auf Eis gelegt worden. Wegen der angespannten Finanzlage und der Importabhängigkeit müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin mit Versorgungsengpässen bei Grundnahrungsmitteln rechnen.

Lichtblicke sind die Investitionserweiterungen, gerade deutscher Unternehmen, in der tunesischen Kfz-Zulieferindustrie. In dieser Branche sowie im Textilsektor ist Tunesien stark in deutsche Lieferketten eingebunden. Im Ergebnis erzielt das Land traditionell einen Handelsüberschuss mit Deutschland.

Deutsche Unternehmen bauen ihr Nordafrikageschäft aus

Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2023 ihre Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern Nordafrikas ausgebaut. Nach neuesten Zahlen von Destatis nahmen die Exporte in die Region um 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Damit stiegen sie mehr als doppelt so stark wie die gesamten deutschen Exporte nach Afrika (plus 8,3 Prozent). Rund die Hälfte aller deutschen Ausfuhren nach Afrika gehen in die südlichen Mittelmeeranrainerstaaten. 

Tatsächlich dürften die Exporte deutscher Unternehmen in die Region noch höher liegen. Denn deutsche Tochtergesellschaften in anderen europäischen Ländern gehören ebenso zu den Lieferanten von Kunden in Nordafrika. Durch ausgeprägte historische und kulturelle Beziehungen haben Spanien, Italien und Frankreich eine gute Ausgangsposition für ihr Nordafrikageschäft.

Die deutschen Importe aus Nordafrika nahmen 2023 um 14,9 Prozent zu. Knapp die Hälfte davon entfallen auf Libyen und Algerien, aus denen Deutschland hauptsächlich Öl und Gas bezieht.

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