Wirtschaftsausblick | Nordmazedonien
Autokrise in Deutschland verlangsamt Wachstum in Nordmazedonien
Aufgrund externer Faktoren verliert die Konjunktur in Nordmazedonien an Schwung. Für Impulse sorgen Investitionen und der Konsum. Deutsche Unternehmen eröffnen neue Fabriken.
27.12.2024
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Top-Thema: EU-Beitritt steht vor nächster Hürde
Die EU-Integration des Landes bleibt Konsens auch unter der neuen Regierung von Ministerpräsident Hristijan Mickoski von der konservativen Partei VMRO-DPMNE. Die Beitrittsverhandlungen laufen seit Juli 2022. Doch einem raschen EU-Beitritt des NATO-Mitglieds Nordmazedoniens steht ein drohendes Veto Bulgariens im Weg. Das Nachbarland fordert die Aufnahme der Rechte der bulgarischstämmigen Minderheit in die nordmazedonische Verfassung.
Da sich das Land gegen einen Kompromiss mit Bulgarien sperrt, bleibt es zunächst weiter im Warteraum der EU. Im September 2024 entkoppelte die EU die Beitrittsprozesse Nordmazedoniens und Albaniens und treibt seither die Verhandlungen mit Tirana unabhängig voran.
Aktuell irritiert Skopje mit einer strategischen Partnerschaft mit Ungarn. Teil der Vereinbarung ist ein Kredit über 500 Millionen Euro. Die Opposition vermutet, dass chinesische Banken die eigentlichen Geldgeber sind, meldet die investigative Nachrichtenseite Vsquare.
Wirtschaftsentwicklung: Investitionen und Konsum kurbeln Wachstum an
Nordmazedonien erwirtschaftet ein Bruttoinlandsprodukt vergleichbar zur Stadt Augsburg. Das Wachstum der Wirtschaft verlangsamt sich 2025. Das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) korrigierte seine Frühjahrsprognose um 0,3 Prozentpunkte auf 2,3 Prozent nach unten. Auch für 2024 soll das Wachstum statt 2,2 nur noch 1,8 Prozent betragen.
Abhängigkeit von Autoindustrie wird zum Bremsklotz
Der Aufschwung in Nordmazedonien basierte viele Jahre auf der engen Einbindung in die Lieferketten europäischer Autobauer. Aktuell bekommt die lokale Zulieferindustrie aber die Nachfrageflaute auf dem schwächelnden deutschen Markt zu spüren. Je länger die Krise in dieser Schlüsselbranche dauert, umso langsamer wächst die Wirtschaft .
Produziert werden vor allem Kabelbäume, Sitze sowie Katalysatoren. Der größte Hersteller von Zulieferteilen ist Johnson Matthey. Der britische Konzern fertigt in seinem Werk Katalysatoren für Verbrennermodelle. Dieses Geschäftsmodell dürfte sich jedoch mit der Verkehrswende überlebt haben. E-Mobile benötigen keinen Katalysator.
Steigende Investitionen in Energie- und Infrastrukturprojekte
Wachstumsmotor Nummer eins sollen 2025 Investitionen werden. Im Fokus steht der Ausbau der erneuerbaren Energien. Alcazar Energy investiert 490 Millionen US-Dollar in einen 400-Megawatt-Windpark. Damit verfünffacht das Land auf einen Schlag seine Möglichkeiten zur Nutzung der Windenergie.
Auch Infrastrukturvorhaben sorgen für Wachstum. Dazu zählen etwa die Verkehrskorridore 8 und 10d, die eine bessere Anbindung zu den Nachbarn Albanien, Griechenland und Bulgarien versprechen.
Das Westbalkanland zeigt sich offen für ausländische Direktinvestitionen. Diese stiegen im 1. Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund drei Viertel auf 535 Millionen Euro. Größter Investor waren deutsche Firmen. Industriefreizonen sollen weitere Projekte anlocken. Zudem werden Investoren auf höchster Ebene betreut.
Die Zentralbank senkt aufgrund der rückläufigen Inflation den Leitzins von aktuell 5,55 Prozent weiter ab. Zudem hält sie den Wechselkurs des nordmazedonischen Denar zum Euro stabil.
Steigende Löhne, Gehälter und Renten erhöhen 2025 die frei verfügbaren Einkommen. Zudem sind Wahlgeschenke vor den Kommunalwahlen im Herbst 2025 wahrscheinlich. In Kombination mit einer rückläufigen Inflation dürfte der private Konsum 2025 um 2 Prozent zulegen, prognostiziert das wiiw. Darin schlagen sich auch die Rücküberweisungen aus dem Ausland nieder, darunter von der rund 150.000 Menschen starken Diaspora in Deutschland.
Die neue EU-Kommission unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung Nordmazedoniens. Skopje erhält aus Brüssel im Rahmen einer Wachstumsfazilität zwischen 2024 bis 2027 rund 150 Millionen Euro. Die Mittel fließen jedoch nur, wenn auch Reformen umgesetzt werden.
Der Westbalkan wird als Standort für Nearshoring und als Beschaffungsmarkt immer wichtiger. Damit nordmazedonische Firmen auch nach dem 1. Januar 2026, dem Tag des Inkrafttretens des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), in den Lieferketten deutscher Firmen bleiben können, müssen sie verstärkt in die grüne Transformation investieren.
Außenhandel: Sinkende Nachfrage nach Kfz-Teilen steigert Defizit
Die EU ist mit Abstand wichtigster Handelspartner Nordmazedoniens. Mehr als die Hälfte seines Außenhandels wickelt das Westbalkanland mit dem Staatenverbund ab. Alleine Deutschland nimmt rund 40 Prozent der Exporte ab. Über CEFTA läuft der zollfreie Handel mit den anderen Westbalkanstaaten. Daneben unterhält Nordmazedonien auch Freihandelsabkommen mit der Türkei und der Ukraine.
Aktuell stockt jedoch die Nachfrage nach Kfz-Teilen, dem mit einem Anteil von 56 Prozent wichtigsten Exportgut des Landes. Deutsche Autobauer beziehen rund zwei Drittel ihrer Katalysatoren aus Nordmazedonien.
Deutsche Perspektive: Mittelständler eröffnen neue Werke
Die deutsche Wirtschaft investiert seit Jahren in neue Produktionskapazitäten im Land. Vor allem Kfz-Zulieferer und Elektronikhersteller wie Dräxlmeier, Kromberg & Schubert oder ODW Elektrik profitieren von vergleichsweise niedrigen Löhnen und vorhandenen Fachkräften. Größter deutscher Investor ist die Deutsche Telekom mit rund 200 Millionen Euro. Der Discounter Lidl expandiert massiv auf dem Westbalkan und eröffnet auch in Nordmazedonien neue Läden.
Der Trend zu Investitionen trotz Krise auf dem Heimatmarkt hält an. Das deutsche Unternehmen Epsotech investiert 20 Millionen Euro in ein Werk zur Produktion von ABS-Kunststoffplatten vor allem für die Branchen Automobil, Bahn und Gesundheit bei Skopje. Die Kiel Group aus Nördlingen eröffnete im Juni 2024 ihr neues Produktionszentrum für Bus- und Bahnsitze in Tetovo.
Weitere Informationen (zum Beispiel Zoll- und Rechtsinformationen sowie Branchenberichte) finden Sie auf der Länderseite Nordmazedonien.