Branche kompakt | Polen | Pharmaindustrie, Biotechnologie
Branchenstruktur
Polens Pharmaindustrie gehört nicht zu den europäischen Schwergewichten. Doch die Branche will wachsen. Unterschiedliche Fördermaßnahmen helfen auch internationalen Herstellern.
14.08.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Polnische Hersteller von Medikamenten produzieren vor allem Generika. Diese Arzneimittel mit abgelaufenem Patentschutz machen laut der Beratungsagentur Fitch Solutions knapp 50 Prozent aller Pharmaumsätze in Polen aus. Zu den größten heimischen Branchenvertretern gehört das Unternehmen Polpharma. Der Hersteller produziert rund 60 aktive pharmazeutische Wirkstoffe und behauptet sich vornehmlich in Marktnischen. Das Unternehmen vereint laut Berichten der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna (DGP) bis zu 80 Prozent der globalen Baclofen-Produktion auf sich. Hierbei handelt es sich um einen Wirkstoff gegen Multiple Sklerose.
Polnische und deutsche Firmen entwickeln Biosimilars
Polpharma übernahm 2024 das Warschauer Pharmaunternehmen Polfa Warszawski. Außerdem existiert im Rahmen der Polpharma Gruppe eine Tochtergesellschaft namens Polpharma Biologics. Sie spezialisiert sich auf Biosimilars. Der Begriff steht für Biopharmaka ohne gültigen Patentschutz. Zu den bekanntesten Erzeugnissen von Polpharma Biologics gehört ein Biosimilar gegen Augenkrankheiten. Das Produkt ging aus einem Joint Venture mit dem deutschen Unternehmen Formycon und mit der Firma Bioeq aus der Schweiz hervor.
Neben solchen Partnerschaften spielen EU-Gelder eine wichtige Rolle in der polnischen Biosimilar-Forschung. Zwischen dem Gründungsjahr 2010 und 2023 erhielt Polpharma Biologics mindestens 6 Zuschüsse aus europäischen Förderprogrammen. Die Unternehmen der Polpharma Gruppe durften sich im April 2024 zudem über einen Investitionskredit in Höhe von 146 Millionen Euro von der Europäischen Aufbaubank EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) freuen.
Ein guter Teil der Biosimilar-Produktion von Polpharma geht in den Export. Der Grund: Gerade einmal 3 Prozent aller Patienten in Polen erhalten laut DGP eine Behandlung mit Biopharmaka. Andere europäische Staaten haben einen zehnmal so hohen Wert.
Laut Prognosen des Branchenverbandes KPL (Krajowi Producenci Lekow) werden die großen Pharmaunternehmen aus Polen in Zukunft verstärkt auf Biosimilars setzen, da viele Patente auslaufen. Die Herausforderung: Um solch ein Biosimilar zu entwickeln, brauchen Unternehmen viel Zeit und Geld. Das könnte Chancen für Forschungskooperationen eröffnen, wie schon bei Polpharma und Formycon.
Nicht nur die wachsende Produktion von Biosimilars zeigt, dass Polens Pharmasektor innovativer wird. Die Zahl der angemeldeten Patente bei der Europäischen Patentorganisation EPO stieg zwischen 2019 und 2023 um 20 Prozent auf insgesamt 41 Stück. Zur Wahrheit gehört aber auch: Andere Länder, wie zum Beispiel das deutlich bevölkerungsärmere Schweden, reichen pro Jahr rund dreimal so viele Pharmapatente ein wie Polen.
Neue Fördermaßnahme soll heimische Produktion stärken
Das Erstattungssystem der gesetzlichen Krankenkasse NFZ (Narodowy Fundusz Zdrowia) begünstigt Arzneimittel aus Produktionswerken in Polen. Seit 2024 greift bei mehr als 350 verschreibungspflichtigen Präparaten ein neuer Rabatt. Er liegt bei bis zu 15 Prozent auf den Eigenanteil des Patienten. Den Höchstrabatt gibt es, wenn sowohl das Medikament als auch der aktive Inhaltsstoff aus Werken in Polen stammen. Die geförderten Produkte kommen von Polpharma und anderen polnischen Branchengrößen, wie Adamed oder Polfa Tachomin. Auch zwei internationale Hersteller fallen mit ihren Produkten unter das Rabattprogramm.
Das Gesundheitsministerium aktualisiert einmal pro Quartal die Erstattungsliste mit allen rabattierten und nicht rabattierten Produkten. Anfang Juli 2024 schafften es zwei Präparate des deutschen Bayer-Konzerns zur Behandlung von Prostatakrebs in das Dokument 2– allerdings ohne den 15-Prozent-Rabatt, denn Bayer produziert nicht in Polen.
Polnische und internationale Hersteller organisieren sich getrennt
Europäische Unternehmen, die in Polen Arzneimittel herstellen, sind unter anderem die französische Servier und der Schweizer Sandoz-Konzern. Beide Firmen investieren. So erweitert Sandoz beispielsweise seine Produktions- und Verpackungslinien in Stryków und Warschau. Die meisten internationalen Pharmaproduzenten mit Aktivitäten in Polen haben sich in mindestens einem der beiden Verbände Infarma und Farmacja Polska zusammengeschlossen. Viele Hersteller mit polnischem Eigentümer arbeiten wiederum in dem Verband KPL zusammen.
Ein Zentrum der polnischen Pharmaindustrie befindet sich im Süden des Landes, rund um das Lifescience-Cluster Kraków. Das Netzwerk gehört zu den sogenannten nationalen Schlüssel-Clustern KKK (Krajowe Klastry Kluczowe). Diese Auszeichnung des polnischen Wirtschaftsministeriums bedeutet, dass das Cluster an verschiedenen öffentlichen Ausschreibungen und Wettbewerben teilnehmen darf. Zu den Mitgliedern gehören neben Pharmaunternehmen auch Forschungslabore und Hochschulen.
Ein Ziel des Netzwerkes ist es, die Innovationskraft der polnischen Pharmaindustrie zu stärken. Das ist vor allem mit Blick auf die internationale Konkurrenz wichtig. Polen importiert laut Fitch Solutions doppelt so viele Arzneimittel wie es exportiert. Deutschland hat einen Anteil von 20 Prozent an allen polnischen Pharmaeinfuhren.
Unternehmen | Umsatz 2022 |
---|---|
Polpharma S.A. | 766,8 |
Bayer Sp. z o. o. | 568,8 |
Roche Polska Sp. z o. o. | 548,8 |
Lek S.A. (Sandoz) | 535,5 |
Teva Operations Poland Sp. z o. o. | 416,3 |
GSK Services Sp. z o. o. | 390,2 |
Bausch Health Poland Sp. z o. o. | 388,4 |
Adamed Pharma S.A. | 314,0 |
Sanofi Aventis Sp. z o. o. | 257,5 |
USP Zdrowie Sp. z o. o. | 233,6 |
Boehringer Ingelheim Sp. z o. o. | 216,4 |