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Markttrends
Der weltweit wachsende Bedarf an Nahrungsmitteln bietet polnischen Herstellern neue Exportchancen. Produktion und Investitionen steigen künftig wieder. Ein Exporthit ist Geflügel.
06.08.2024
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Turbulenzen in der Preisentwicklung prägen die polnische Ernährungswirtschaft bereits seit einiger Zeit. Auf kräftige Preissteigerungen folgten Billigimporte von Getreide und anderen Agrargütern aus der Ukraine, die zu Preissenkungen und Bauernprotesten in Europa, darunter in Polen, führten. Da sich die Preise inzwischen wieder stabilisieren, erhebt der polnische Fiskus seit dem 1. April 2024 erneut eine Mehrwertsteuer von 5 Prozent auf Grundnahrungsmittel. Diese war seit dem 1. Februar 2022 auf Grund der Inflation ausgesetzt worden.
Die Umsätze mit Nahrungs-, Genussmitteln und Getränken der Inlandshersteller sanken 2023 laut dem Statistischen Hauptamt GUS real leicht. Die Konsumenten sparten angesichts der Inflationsrate, die für Nahrungsmittel und nicht-alkoholische Getränke 2023 mit 15,1 Prozent (2022: +15,4 Prozent) überdurchschnittlich hoch war. Inzwischen lässt der Preisanstieg deutlich nach: Im Februar 2024 waren Nahrungsmittel und nicht-alkoholische Getränke nur noch um 2,7 Prozent teurer als im Februar 2023. Das - gepaart mit steigenden Löhnen - heizt die Kauflaune an. Die Inlandsnachfrage nach Lebensmitteln soll Prognosen zufolge wieder steigen.
Kategorie | 2021 1) | 2022 1) | 2023 1) | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|---|---|
Nahrungsmittel | 61,2 | 82,9 | 88,9 | 7,2 |
Getränke | 5,3 | 6,3 | 7,2 | 14,3 |
Tabakwaren | 1,9 | 2,0 | 2,3 | 15,0 |
Neue Absatzmärkte weltweit
Auch neue Auslandsmärkte kommen hinzu: So öffnen laut der Tageszeitung Rzeczpospolita die Philippinen ihren Markt für Fleisch aus Polen. Ein weiterer Zielmarkt ist Kuba; China soll demnächst Rindfleisch aus Polen einführen. Kolumbien nimmt Äpfel ab, woran sich auch andere lateinamerikanische Länder interessiert zeigen. Polen ist zudem Südkoreas wichtigster Milchlieferant. Die Landesstelle zur Förderung der Landwirtschaft KOWR organisiert 2024 polnische Gemeinschaftsstände auf 22 Nahrungsmittelmessen weltweit.
Weitere Investitionen in Kapazitätsausbau absehbar
Die Nahrungsmittelindustrie muss weiter investieren, um ihre Kapazitäten zu erhöhen und durch Automatisierung und Digitalisierung ihre Effizienz zu steigern. Angesichts steigender Löhne und des Fachkräftemangels ist es notwendig, Kosten zu sparen und für eine reibungslose Produktionstätigkeit zu sorgen. Moderne Verpackungen sollen die Umwelt weniger belasten. All das eröffnet auch deutschen Anbietern von Produktions- und Verpackungsmaschinen Zulieferchancen.
beträgt der Anteil der Ausfuhren von Agrargütern und Nahrungsmitteln an den gesamten polnischen Exporten.
Polens größte private Nahrungsmittelgruppe Maspex investiert 2024 rund 151 Millionen Euro in Produktionskapazitäten, Logistik und neue Technologien zur Effizienzsteigerung. Sie baut damit ihre Fabriken in Tymbark, Tychy und Oborniki sowie in Rumänien aus. Auch am Firmensitz Wadowice plant sie umfangreiche Investitionen. International Tobacco Polska führt in seiner Fabrik in Tarnowo Podgórne bei Poznań von 2022 bis 2026 ein umfangreiches Investitionsprogramm durch. Der Konzern plant 2024 weitere Automatisierungen seiner Zigarettenproduktion inklusive dem Einsatz von kollaborativen Robotern.
Nicht nur große, sondern auch Familienunternehmen wollen ihr Angebot vergrößern und verbessern. Ein Beispiel ist die Grupa Mokate. Die für ihre Kaffee- und Teeprodukte bekannte Firma stellt außerdem Vorprodukte für die Nahrungsmittelindustrie her und investiert in pflanzliche Alternativen für Fleisch. Sie beliefert bereits über 75 Länder. Rund 75 Prozent ihres Jahresumsatzes von etwa 330 Millionen Euro erwirtschaftet Grupa Mokate im Ausland. Uzdrowisko Busko-Zdrój investiert bis Oktober 2024 rund 6,5 Millionen Euro in das Abfüllen des Mineralwassers Buskowianka.
Angesichts der Inflationsrate von 11,4 Prozent sanken 2023 die Investitionen in die Nahrungsmittelproduktion real. Nominal sah es anders aus: Die Aufwendungen von Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten erreichten laut GUS 2,4 Milliarden Euro. Das entsprach auf Złoty-Basis einem nominalen Zuwachs um 3,9 Prozent gegenüber 2022. Die Investitionen in die Getränkeherstellung haben auf 327 Millionen Euro zugelegt (+15 Prozent); in der Tabaksparte mit 200 Millionen Euro sogar um 173,5 Prozent.
Rund 37 Prozent der kleinen und mittleren Nahrungsmittelunternehmen modernisierten 2023 ihre Ausrüstungen mit Fokus auf Automatisierung. Laut Siemens Financial Services (SFS) haben 35 Prozent 2024 ähnliche Pläne. "Zum Aufschwung tragen sowohl die Erneuerung des Maschinenparks und Automatisierung der Produktion bei als auch Verkaufszuwächse im Inland und die Diversifizierung der Absatzmärkte", sagt der Verkaufsleiter bei SFS, Grzegorz Jarzębski, in der Tageszeitung Puls Biznesu.
Polnisches Geflügel weltweit gefragt
Polen ist seit 2014 der größte Produzent von Geflügelfleisch in der EU und hinter Brasilien und USA weltweit auf Platz 3. In seiner Studie zum polnischen Fleischmarkt rechnet PricewaterhouseCoopers (PwC) mit einem jährlichen mengenmäßigen Wachstum der Produktion von durchschnittlich 1,3 Prozent bis 2029. Die größten Abnehmer sind Deutschland und das Vereinigte Königreich. Asien rückt allerdings zunehmend als Absatzmarkt in den Fokus.
Bei schokoladehaltigen Süßwaren war Polen mit Exporten von 2,4 Milliarden US$ 2022 der weltweit viertgrößte Exporteur. Hier könnten die derzeit hohen Preise für Kakao die Umsätze begrenzen. Dennoch vergrößert Jutrzenka 2024 seine Fabrik für Süßwaren in Dobre Miasto für 9,3 Millionen Euro. Die Molkereisparte kann gerade in entfernten Ländern mit haltbaren Erzeugnissen wie UHT-Milch und Milchpulver trumpfen.
Auch für deutsche Anbieter ergeben sich neue Zulieferchancen. Verpackte Ökoprodukte etwa sind gerade unter Großstädtern beliebt. Für Weine und Spirituosen aus Deutschland finden sich Marktlücken, ebenso wie für Süßwaren, Pralinen und andere Lebensmittel. Die deutschen Lieferungen von Agrargütern und Nahrungsmitteln nach Polen im Wert von laut GUS 6,2 Milliarden Euro 2022. Deutsche Firmen produzieren auch in Polen. Bahlsen zum Beispiel hat dort zwei Fabriken.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Bau einer Fabrik für Speisesalz, Glogów | 233 | Durchführung, fertig Mitte 2029 | Kupferkombinat KGHM Polska Miedź |
Bau einer Fabrik für Kaffeeprodukte, Jawor | 142 | Planung, fertig 2030 | Jacobs Douwe Egberts OPS PL (Niederlande) |
Bau eines Kühllagers, Nowy Modlin | 112 | Durchführung, fertig Sommer 2024 | Atlas Ward für NewCold (Niederlande) |
Ausbau der Schokoladenfabrik, Warschau | 70 | Durchführung, fertig 3. Quartal 2024 | Firma Wedel (Lotte, Japan) |
Bau einer Fabrik für UHT-Milch, Wysokie Mazowieckie | 61 | Durchführung, fertig 2025 | Molkereigruppe Mlekovita |
Ausbau einer Fabrik für Babynahrung und Nahrung für medizinische Zwecke, Opole | 50 | Durchführung, fertig 1. Quartal 2025 | Nutricia (Danone, Frankreich) |
Modernisierung einer Saftfabrik, Zator, Technologiepark Krakau | 43 | Durchführung | Firma Tymbark-MWS (Maspex) |
Stand: Mai 2024